Juni

Mittwoch, 1.6.

Die Stimmung zwischen uns beiden hat sich ein wenig verändert – Nacariño hat sich etwas ganz Übles erlaubt und damit nun jeglichen Welpenschutz verspielt. Ich bin sicher auch selbst Schuld, erziehe ich doch gerade dieses Pferd offenbar zum dem Größenwahn, der ihn nun umgibt.

Am Montag bekam ich einen Anruf, Nacariño hätte auf der Weide Fàsicno zu fassen gehabt und auf beiden Seiten reichlich zerbissen. Er habe ihn gejagt und keine Ruhe gelassen. Fàsci wurde runtergeholt, der sei nass und völlig fertig und sehe aus wie ein Flickenteppich.
Ich raste zum Stall und fand einen pumpenden, ziemlich durchlöcherten Fàsci vor.
Ich wusch ihn ab und versorgte so gut wie möglich Leib und Seele.

Nacariño ist eifersüchtig, das weiß ich und er beweist es auch immer wieder mal im Stall mit Dón. Von Fàsci kenne ich solche Attacken von früher (da war er der eifersüchtige Beißer) – Negócio war der Erste „Gott neben ihm“, den er duldete. Und Joya war der erste, den er so richtig gerne mochte. Alle meine anderen Pferde davor mussten sich schwer vor ihm in Acht nehmen.
Jetzt fängt Nacariño auch mit so einem Scheiß (Entschuldigung) an… 

Also, Fàsci nicht mehr auf die Wallach-Weide, er geht nun nur noch mit Freundin Lilly raus. Der Versuch, ihn in die komplette Stuten-Gruppe zu stellen, scheiterte, weil er da offenbar sein Alter und seine 22 Jahre zurückliegende Kastration vergaß. Oh Mann!!

An dem Montag also untersuchte ich auch Nacariño, der auch ein bisschen was abgekriegt hatte, was ihn möglicherweise erst Recht zur Raserei gebracht hatte. Ich nahm ihn kurz an die Longe, um zu sehen, ob er sich normal bewegt, was er tat. Er merkte sehr wohl, dass ich ihm gegenüber eine Kühle und Distanziertheit an den Tag legte, die er so noch nicht kannte. Ich konnte nicht gegenan – ich strafte ihn nicht, was ja völliger Quatsch gewesen wäre, aber wer Fàsci in einen solchen Zustand versetzt, darf nicht damit rechnen, dafür noch geknuddelt zu werden. Da musste er jetzt mal durch.
Und es war wieder der typisch hochintelligente, verständige Nacariño, der da nun extremst gehorsam auf meinen kleinsten Wink reagierte und es in keiner Weise auf eine Konfrontation ankommen ließ.

Ich longierte nur ganz kurz, sah, was ich sehen wollte, und stand dann noch mit anderen auf dem Hof und wir quatschten. Nacariño stand neben mir, ganz still, leicht gesenkter Kopf, und wartete. Irgendwann ging sein Blick ganz leicht nach links, wo denn wohl Gras wäre und ob er sich nicht vielleicht davon schleichen… Ich guckte ihn kurz an und sagte „Vergiss es. Denk nicht mal dran. Du bleibst hier.“. Nacariño war frei, es wäre ein Leichtes gewesen, einfach zu gehen, und normalerweise hätte er das auch getan. Er tat es nicht. Er stellte sich sofort wieder in die vorherige Position und blieb da. Er provozierte mich heute mit keiner Faser. Dieses Pferd ist viel mehr als „nur ein Pferd“…

Ich ritt erst am Mittwoch wieder, Fàsci hatte sich gut erholt, alles war gut. Ich merkte schon beim Fertigmachen, dass eine gewisse Kühle noch da war, und beobachtete interessiert, wie Nacariño damit umging. Er buhlte nicht um Zuneigung, hat er gar nicht nötig. Viel zu stolz. Er stellte sich mit mir auf Augenhöhe und ließ es drauf ankommen. Das war spannend. Zwei ebenbürtige, stolze, selbstbewusste Partner, die wohl wissen, dass sie gemeinsam viel mehr erreichen können als alleine. Die gar nicht gegeneinander sein wollen, deren Gemeinsamkeit aber gerade neu definiert wird. Positiv.

Zum ersten Mal ließ ich ihn nach dem Aufsitzen direkt am hingegebenen Zügel um den Platz herum gehen. Ich hatte nur die Schnalle in einer Hand. Er ging geradeaus, machte den Hals lang, fühlte sich erwachsen an. Natürlich hätte er losspringen können – ja, und wenn? Ist doch egal. Er wird mich nicht mehr in Gefahr bringen. Er wird es ja im Zweifel gar nicht mehr tun. Und so ging er die erste Runde mit langem Hals und durchhängendem Zügel um den Platz und alleine das veränderte auch wieder etwas zwischen uns. Positiv.

Ich nahm den Zügel auf, ließ Nacariño an den langen Seiten Schulterherein, Travers und Renvers gehen, wobei mir auffiel, dass Renvers noch gar nicht so richtig in unserem Programm ist, hihi, aber es gelang.
Traversalen auch, wenn auch mit dem üblichen hin und her werfen des Kopfes – bloß nicht gleich nachgiebig alles tun, was sie will, nachher glaubt sie, sie hat hier das Sagen… Ja, tatsächlich glaubte ich das nicht nur, ich war mir sogar sicher.

Und eben diese meine Sicherheit war Nacariño dann auf einmal zu viel. Wie er so ist, er wurde schlagartig das bockige Kind und stellte einfach mal aus Spaß jedes – jedes – Abwenden vom Hufschlag in Frage. Konnte mich emotional nicht treffen, lass ihn sich doch aufregen, bitte, wenn er’s braucht… Ich verlangte Schlangenlinien. Und ja, ich bat nicht drum, ich verlangte sie. Nacariño überlegte ernsthaft, aus Prinzip auszuflippen. Er kam emotional aber nicht an mich ran und wusste nicht so richtig, wie er mich packen sollte, was mir nur noch mehr klar machte, dass viel Widersetzlichkeiten bei ihm wirklich auf etwas abzielen. Er denkt dreidimensional, was nicht alle Pferde können oder tun – ihm ist oft bewusst, was dabei herauskommt, wenn er etwas tut oder nicht tut und wann ihm Gehorsam mehr bringt und wann er einfach aus Spaß Widersetzlichkeit ausleben will. Er kann meistens einschätzen, womit er sich – wie soll ich das beschreiben… – in der Rangfolge höher stellt trifft es nicht so richtig, also er weiß, wann er mit Gehorsam mehr gewinnt und wann sich Widersetzlichkeit (für ihn) lohnt. Die meisten Pferde wünschen sich klare Führung und eine spürbare Herdenstruktur und akzeptieren daher oft auch gar nicht so führungsstarke Menschen und stellen sich „darunter“. Nacariño wird sich nie unter einen Menschen stellen. Ihm ist der Wunsch anzumerken, dass wir nebeneinander stehen, aber wenn ich über ihm stehen will, wird er kämpfen. Er will aber auch nicht mit Menschen zu tun haben (zumindest nicht in ernsthaften Dingen wie Reiten u.ä.), die sich unter ihn stellen. Die verlieren bei ihm sofort ihr Gesicht, die nimmt er nicht ernst, wenn das bei ihm nicht sogar so weit geht, dass er solche Menschen verachtet.
Respektieren wird er nur die, die ihn als individuelle Persönlichkeit betrachten und als solche ernst nehmen. Akzeptieren wird er nur die, die ihn so auch noch mögen und schätzen. Vielleicht hat er sich deshalb in so abartig kurzer Zeit mit dieser Wucht an mich rangeschmissen, weil er wusste, dass er das bei mir bekommen kann. Und trotz dem ich ihm ja gefühlt immer seinen Willen gelassen habe, ging das ja nie so weit, dass ich mich unter ihn stelle. Siehe Verladen. Es gibt ein paar Dinge, die werden nicht in Frage gestellt. Und das schätzt er, auch wenn er mich in diesen Dingen massiv testet und auslotet. Er ist kein schwaches Pferd und er will nicht von Schwäche umgeben sein. Wenn sich so etwas wirklich in „Größe“ ausdrücken würde, würde der in keinen Stall mehr passen…

Das Reiten war also ein Mix aus unglaublich guten Momenten (so ein paar Mal angaloppieren war total irre) und dem üblichen Nacariño-Gehampel/Gestrampel, was ich übergehen und ignorieren werde, bis er es nicht mehr braucht.
Spannend war ein Moment, in dem er mir irgend etwas androhen wollte und ich im selben Moment an ihn das Gefühl zurück gab, dass diese Zeiten vorbei sind. Er kann mir nichts mehr androhen, was mir Angst machen würde. Er kann steigen, bocken, kehrt machen, abhauen – da ist keine Drohung mehr bei, auf die ich mich zurückziehen würde. Wenn ich meine, mit einem Anticken aus der Gerte etwas durchsetzen zu wollen, dann werde ich das tun. Es waren vielleicht zwei Sekunden, in denen diese unsere Gedanken hin und her flogen. Und dann war das Thema durch. Ich würde sagen, das bleibt auch durch. Er wird mich nicht mehr in bestimmter Art und Weise provozieren. Wir stehen wieder nebeneinander, nur irgendwie auf einer anderen Ebene als zuvor.

Ich weiß nicht, ob dieses Geschreibsel verständlich ist, mein Gefühl dazu ist ganz klar und deutlich, aber ich kann das gerade schwer in geeignete Worte fassen…

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Samstag, 4.6.

Mir geistert das schon länger im Kopf rum – ich möchte mit Nacariño springen. Das Gräbelchen auf dem Feld hat er ja mit unverschämter Lässigkeit überwunden, ich wollte nur vor unseren ersten „ernst gemeinten“ Sprüngen relativ sicher sein, ihn vor mir zu haben, also an leichter Hand lenkbar und ich muss so zum Treiben kommen, dass ich, sollte er nach dem Sprung buckeln, nach vorne reiten darf. Und ich rechne schwer damit, dass er nach dem Sprung buckelt.

Auf dem Platz lagen 4 Stangen, ich hatte meine blauen Springblöcke dazu gestellt, und damit stand der Entschluss, heute mit Nacariño zum ersten Mal zu springen.

Er fühlte sich so erwachsen an, als ich aufsaß und losritt…
Auf Trense, das Gefühl war einfach nur gut.
Sofort am hingegebenen Zügel außen rum, alles gut.

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Ich trabte ein bisschen, er war locker im Hals, kein Vergleich zum letzten Mal Trense.

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Ich galoppierte auf jeder Hand einmal an und dann trabte ich auf das kleine Kreuz zu.
Nacariño guckte und schwankte, aber mein Treiben ließ keinen Zweifel offen und so drückte er ab.  Super! Und dann der kleine schwarz-rote:

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Ich sprang mal hier, mal da, und Nacariño war einfach nur lässig. Er buckelte nur ein einziges Mal, ich kam immer zum Treiben, er schwankte zwar, ließ sich aber sogar über den Sprung reiten, als wir einmal die Kurve nicht kriegten und reichlich schräg kamen. Gut, das ist auch nun wahrlich noch keine Höhe, aber um die geht es ja auch beim allerersten Mal überhaupt noch nicht. Er zog noch nicht an, aber er befasste sich schon richtig mit dieser neuen Aufgabe.

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Er brach weder aus, noch verweigerte er. Irgendwie kam er immer rüber, es fühlte sich aber ziemlich schnell so an, als würde ihn diese „Höhe“ langweilen. Ok, machten wir den gelben also etwas höher. Oh, wir werden noch Spaß bekommen beim Springen…!

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Ich war echt begeistert. Besser hätte er das nicht machen können.
Oder doch…?

Ich wieder… „Mag mir mal einer den Halsring geben…?“ Einmal überhaupt erst hatte ich den drauf gehabt, das war im September letzten Jahres, als Nacariño gerade mal drei Wochen da war. Ich hatte NULL Lenkung und habe ihn einfach von der oberen kurzen Seite einmal Richtung Ausgang laufen lassen.
Dann hatte ich ja nun vor ein paar Tagen den Halsring für Arbeit an der Hand drauf und das ging ja so richtig großartig. Warum also nicht auch damit springen…?

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Ich dachte, einmal komme ich auf jeden Fall rüber, danach habe ich möglicherweise keine Lenkung mehr. Von wegen! Ich wendete etliche Male aus dem Schritt ab und wenn er gerade zum Sprung guckte trieb ich an. Und so gelangen einige Sprünge mit Halsring, und auch hier: kein Ausbrechen, kein Verweigern, kein Abhauen. Hammer!!!!

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Wir hatten so richtig Spaß. Ich provozierte große Tritte und bekam gewaltige Sprünge.

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Und das durfte er dann auch noch:

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Hach, und nochmal springen, weil’s so schön war…:

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Wie geil bitte ist das denn? Es war echt toll, er hatte so viel Spaß, war so bei mir – mit zunehmender Rittigkeit wird Nacariño mit Halsring glaube ich mal ganz großartig.
Am Sprung lässt er noch ziemlich die Füße hängen, aber die Manier und das Gefühl von oben sind schon gut, die Manier wird sich mit der Routine noch deutlich verbessern.

Wir spielten noch rum und er machte echtes Wohlfühl-Wälzen. Was für ein schöner Vormittag, was für tolle Momente!

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Mittwoch, 8.6.

Mein irrer Weißer musste wieder den Widerstand proben. Ich frage mich ernsthaft, was da in ihm vorgeht, aber er erzählt es mir nicht. Er braucht das einfach für sich. Ich konnte auf der rechten Hand mal wieder nicht abwenden, er sprang in die Luft, drohte alle möglichen Sachen an, ich war ständig zwischen Lachen und mich durchsetzen und ihn einfach nur verrückt-komisch finden, bestand schließlich aber darauf, dass er jedes Mal über die Diagonale die Hand wechselte. Jede Runde. Die ersten Diagonalen sahen chaotisch aus (wenn ich sie denn überhaupt berührte). Er wurde aber schließlich nachgiebiger und fragte irgendwann nicht mehr nach, sondern wendete gehorsam ab. Da er sich hierbei aber ziemlich aufgeheizt hatte, gerieten die ersten Male angaloppieren ziemlich aus den Fugen, also blieben wir eine Weile bei diesem Thema, bis sich auch das gut anfühlte.

Da der Trab nicht – aber auch überhaupt nicht! – zu sitzen war, dachte ich, versammle ich den doch mal so weit, dass eine Passage-Idee dahintersteht (ohne dass es eine Passage sein soll, aber diese Idee von Lastaufnahme und dezenter Verzögerung im Gang). Dazu legte ich im Trab die Gerte an und ließ sie leicht angedrückt liegen. Nacariño kam im ersten Moment zurück, ich lobte, es behagte ihm aber nicht, dass die Gerte liegenblieb. Mal keilte er aus, mal drehte er sich seitlich weg, mal wollte er losstürmen, tat es aber nicht, mal machte er zwei, drei extremst versammelte Galoppsprünge, die ich ebenso exremst lobte, und hier und da war auch ganz kurz die Idee erkennbar, den Trab zu versammeln. Ich hielt durch. Ich hielt einfach ruhig durch und wartete und lobte jeden Moment, der in die richtige Richtung ging. Nacariño fiel bald nichts mehr ein, womit er sich noch wehren konnte, das prallte emotional alles an mir ab, was er doof fand.
Und so ließ er sich endlich drauf ein und probierte aus, wie es mir am besten gefällt. Ich ließ ihn sofort spüren (und hören), wenn er sich der richtigen Idee näherte, und bekam so schließlich (nach etlichen Runden…) ein paar schöne versammelte Trabtritte, die sich sitzen ließen und die für dieses Pferd absolut machbar waren ohne große Anstrengung – er strengt sich ohnehin mehr an mit Gegenwehr, der Alberne.

Diese gewünschten Tritte hielt ich nun noch ein Weile durch, bis er leichter und sicherer wurde und ich den Versammlungsgrad völlig über die Gerte steuern durfte. Das durfte ich in dieser Form zum ersten Mal und ich lobte es massiv. Das Lob freute ihn natürlich und machte ihn zufrieden, aber so ganz ohne sich erstmal zu wehren kann er offenbar nicht…

Das ist schon ein Sturm-und-Drang-Pferd, meine Güte. Und nie ist abschätzbar, wie der Ritt werden wird. Nie könnte ich sagen „gestern war toll, heute könnte ich jemand anderen raufsetzen“. Davon sind wir noch immer weit entfernt. Ich möchte, dass da bald mal jemand anderes rauf kann, alleine, weil meine Pferde das kennen und akzeptieren müssen, aber bei ihm muss ich sehr genau gucken, mit wem ich das mache – und wann…

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Freitag, 10.6.

Und da ja nie ein Tag dem anderen gleicht, hängte ich doch gleich den Halsring griffbereit an die Wand 🙂

Nacariño überlegte kurz, sich daneben zu benehmen, aber wirklich nur kurz, er war heute längst nicht so auf Konfrontation aus wie vorgestern. Ich bekam sehr schöne Momente und durfte vor allem sofort die Gerte angelegt lassen. Das war toll. Es scheint also langsam doch so zu sein, dass ich Dinge abrufen darf, die ich zuvor bewusst und gründlich und eben lange genug ausgehalten habe. Was mir zeigt, dass es sich auf jeden Fall bei ihm lohnt, dran zu bleiben und bestimmte Ideen intensiv zu verfolgen und sich nicht abbringen zu lassen, egal, wie verrückt er sich benimmt. Ich muss nur hinterher wirklich das Gewünschte bekommen, dann wird er damit wieder ruhiger. Wie gesagt: „nur“…

Er fühlte sich gut an, ließ sich viel besser wenden, und so machte ich tatsächlich relativ schnell den Halsring drauf (den ich von der Wand nehmen und von oben über den Kopf ziehen durfte, und dann durfte ich auch noch die Zäumung abnehmen und da hinhängen – toller großer Junge!).

Nacariño überlegte ein paar Sekunden, was sich mit so viel Freiheit nicht alles tolles anfangen ließe – und tat nichts davon. Er fühlte sich ganz kurz fest an und ich spürte förmlich, wie er überlegte, und im nächsten Moment war er bei mir und nachgiebig und hörte zu und wartete. Dieses Pferd ist in sowas so unfassbar durchschaubar, aber eben auch ungeheuer schnell und das noch gepaart mit einem überdimensionalen Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl. Aber immerhin lässt er sich in die Karten schauen, das hilft natürlich, adäquat zu reagieren 🙂

Er war prima. Einfach prima. Ich durfte überall galoppieren, konnte wenden, hatte ihn an Körper und Stimme und brauchte zwar noch manchmal relativ viel Halsring, aber ich kam überall hin, wo ich hin wollte. Ob ich das im Gelände probieren würde, möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht entscheiden müssen – ich sag mal „Später!“

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Samstag, 11.6.

WOW. Wie geil war das denn??
Ich war der Meinung, nach so viel (erfolgreichem) Verladetraining sei es nun mal an der Zeit, ernsthaft loszufahren, so mit einem Ziel und da ist was los und so. Und so fuhren Nic und ich mit Navarre und Nacariño sehr kurzentschlossen nach Heist. 

Ich holte Nacariño von der Weide, er sah von Weitem den Hänger, scannte mich ab, wofür der da steht, merkte, dass irgendwas anders ist als sonst und verlangsamte seine Schritte bis zur Zeitlupe. Er dachte angestrengt nach, ab wo er vorsichtshalber abhauen sollte. Zu süß – und für ihn leider auch völlig nutzlos. Ich meinte also zu ihm, er komme eh nicht dahinter, wo es hingeht, weil er das noch nicht kennt, wir fahren da hin, wo Dón letzte Woche war und er soll sich einfach mal drauf einlassen. Das wird toll!!

Er glaubte mir nicht so Recht und war beim Putzen total quirlig. Er rempelte und rüpelte und ich sah zu, dass ich meine Füße rechtzeitig unter seinen rauszog. Eine Premiere, die ich ihm gerne in diesem Zusammenhang erspart hätte, waren die Transportgamaschen. So eine lange Fahrt mache ich nicht ohne, und die wollte ich ja eigentlich nochmal gesondert geübt haben. Na gut, dafür kam der Entschluss jetzt zu spontan, da musste er nun durch.
Er fand sie fürchterlich beim „Anziehen“, danach waren die aber ganz schnell vergessen.
Toller Junge!

Ich hatte vorsichtshalber sein spezielles Verladehalfter drauf, ahnend, dass er jetzt nachfragen würde. Für das zweite Verladen würde ich das ganz sicher brauchen, ich rechnete nicht damit, dass er zurück so mir nichts, Dir nichts raufgehen würde.
Hier tatsächlich ging er gut rauf, drängelte ein, zwei Mal zurück, ich drängelte dagegen und er blieb oben und ich konnte die Stange schließen. Das war ja schon mal super!
Navarre ging lässig rauf, die beiden hatten ein Heunetz und konnten sich unterhalten, aber während der 50 Minuten langen Fahrt hörte ich sie doch ein bisschen rumtrappeln.

In Heist angekommen und abgeladen bekam Nacariño eine sehr unangenehme Körperspannung. Er ließ sich zwar am Hänger anbinden, war aber sehr unter Strom und das steigerte sich auch noch, als er Menschen sah und Pferde und Rufe hörte – da war gerade Unterricht mit drei Pferden und etlichen Leuten, er wusste gar nicht, wo er zuerst hingucken (und wovor abhauen) sollte – und wenn abhauen, dann wohin? 
Er war höchst geladen. Oha. So hatte ich keine Chance, da raufzukommen, aber ich wollte auch nicht führen und ihn abhauen lassen, lieber gleich rauf da und erstmal bewegen.
Ich ließ ihn festhalten, und das war auch gut so, ich sah zu, dass ich hochkam und ab dann gab es auch kein Halten mehr. Also, kein Stehen zumindest. Wir gingen los und er federte unter mir und fühlte sich hochexplosiv an. Schön war das nicht. Aber ich hatte Lenkung und er drohte auch nicht, los zu stürmen, also ließ ihn gehen in dem Tempo, dass er wollte und mit möglichst wenig Zügelkontakt. Wir gingen eine Runde außen herum, ein Hügelchen rauf und runter, und langsam entspannte er sich ein wenig. 

Wir trabten einen Weg entlang und galoppierten den zurück und da hatte ich dann aber schon alle Hände voll zu tun, im Galopp wurde er sehr unhandlich, blieb aber auch da bei mir, wobei ich hier aber wirklich wachsam und schnell sein musste – er war es auch 🙂

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Wieder auf den Plätzen mit den Sprüngen ließen wir die Pferde über die Hügelchen und durch eine Senke gehen und schließlich ritt ich im Schritt auf das kleine Billard zu.
Und da überraschte Nacariño mich: er ging sofort ganz brav hoch und ließ sich ebenso brav einfach wieder in die Tiefe sinken. Hier hatte ich mit einem mächtigen Satz und Buckeln hinterher gerechnet – nichts davon! Total anständig! Navarre machte das auch, zog sich aber richtig daran hoch, hier fungierte Nacariño dann sogar als Führpferd. Er entspannte sich immer mehr, bekam aber immer mehr Angst vor Navarre, der sich ernstlich daneben benahm und relativ rasant rückwärts auf ihn zukam. Da haute Nacariño dann doch ab, aber das war verständlich. Wir gingen weiter, damit Navarre sich wieder beruhigen konnte, und steuerten die beiden großen Wälle an. Auch hier ging Nacariño sofort anstandslos rauf und runter. Großartig! 
Da habe ich mal eine kleine Collage gebastelt:

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Ich hatte sehr Lust, ein paar kleine Sachen zu springen. Davor wollte ich aber schon gerne noch ein bisschen getrabt sein, noch war mir zu viel Spannung im Pferd. Ich trabte an und da fiel noch einmal Spannung von ihm ab.
Ich ließ Nacariño auf’s Wasser zu gehen, aber näher als fünf Meter kam ich nicht ran. Ich ließ ihn kurz stehen, das zumindest musste er aushalten, dann durfte er wieder weg. Ich kam immer wieder mal am Teich vorbei und kam auch jedes Mal näher ran, aber Nacariño wagte es noch nicht, reinzugehen.

So wagte ich schließlich erst einmal, die ersten am Boden liegenden Stämme anzureiten. Und ab dann machte es immer mehr Spaß.
Er sprang alles, worauf ich zuritt, und ich hatte zuerst noch Sorge, dass er hier ja nun lernen musste, dass nichts runterfällt (auf dem Platz hat er die eine Stange mehrfach, ich sage mal, „woanders hingelegt“), aber er kam gefühlt nicht gegen ein einziges Stück Holz – und wenn doch, hat er danach aufgepasst. Es gab nicht einen brenzligen Moment. Die ersten Sprünge waren sehr eckig, kantig, holperig und mit 28 Beinen, nach dem vierten, fünften bekam er eine Idee und fing an, relativ selbständig in immer besserer Manier zu springen. Mein Military-Herz schlug höher, wie hatte ich darauf so lange verzichten können…?? Wie schön, dass meine beiden jungen Pferde so gerne und talentiert springen, ich werde also auch die nächsten 15, 20 Jahre springen können…

Ich genoss diese Momente sehr und Nacariño wurde immer sicherer und immer cooler.

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War das toll! Ich bekam immer mehr Lust „auf mehr“, Nacariño fühlte sich wohl und auch wenn er noch nicht die Sprünge anzog, so versuchte er aber auch nirgends, auszubrechen. Hier setzte er nach einigen Sprüngen mal ein bisschen zum Buckeln oder Abhauen an, aber alles halbherzig und mehr albern als gefährlich. Wir hatten so richtig Spaß!

Navarre war inzwischen im Wasser und zog Nacariño schließlich mit. Er ging krumm und schief irgendwie da rein, und kaum war er einmal drin fand er’s sofort toll. Er guckte sich sofort Navarres Planschen ab, und schließlich durfte ich reintraben und dann auch durch das Wasser galoppieren. Herrgott, war das schön!!

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Das hier ist mein erklärtes Lieblingsbild – was für eine Dynamik!

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Wir gingen geflasht und beseelt und pur glücklich zurück zum Hänger. Sattel ab, Halfter drauf, die Pferde durften sich wälzen. In dem tiefen Sand wälzten sie sich, als gäb’s kein Morgen. Sie ließen sich wieder und wieder fallen und genossen ihr Sandbad sichtlich.

Sie durften etwas trinken, spielten aber mehr mit dem Wasser (naja, fremdes Wasser…), und schließlich ging es an’s Verladen.
Nacariño zementierte sich mit den Vorderfüßen auf der Rampe ein.
Also zurück zur alten Technik, Longe um die Bruststange und warten. Nacariño wartete allerdings auch. Ich bat darum, dass mal ganz freundlich von unten nachgetrieben wurde, er wurde ein, zwei Mal angeschnalzt – und er kam hoch.
Super, freu, freu, freu!! Toller Junge! Toller großer Junge!

St.-Peter-Ording rückt näher!!

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Sonntag, 12.6.

Was echte Schimmel sind… So nimmt man sich als Pferd einen Tag frei 🙂
In Nacariños Fall hochverdient, er hätte heute ohnehin frei gehabt. Navarre hatte Muskelkater – Nacariño überlegt nur, was das wohl sein könnte. Kann man das essen??

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Montag, 13.6.

Das Team Légèreté richtet Anfang Juli sein fünftes Team-Turnier aus. Das findet auf dem Möschenhof statt. Hier soll Nacariño natürlich unbedingt erste Prüfungserfahrungen sammeln! In meiner ersten groben Planung sah ich ihn für die Arbeit an der Hand (eine feste Aufgabe), die klassisch-barocke Dressur (ebenfalls eine feste Aufgabe, die KB 1), evtl. die Kür und die Offene Kür der Reitweisen vor. Und na klar für „Das junge Pferd“.
Mehr zu den Prüfungen und auch der Inhalt der Aufgaben ist hier zu sehen!

Und so dachte ich, reite ich die Aufgabe „KB 1“ doch einmal durch. Ich ritt einhändig blank und dafür ging das erstaunlich gut, ich war sehr positiv überrascht. Na klar hier und da schwankend, da war gut zu spüren, dass die Linienführung einhändig durchaus noch verbesserungswürdig ist, aber Nacariño ging alle Übergänge am Punkt und ließ sich auf alle gewünschten Bahnfiguren ein. Also, die Aufgabe wird auf jeden Fall genannt!

Auf Trense wäre er mir da zu unhandlich, einhändig blank noch nicht konkret genug steuerbar, aber auf Kandare/Unterlegtrense müsste sich das doch eigentlich gut anfühlen…?

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Mittwoch, 15.6.

Ich wieder! Ich habe in einer frühmorgendlichen „Mal-eben-Aktion“ eine Kür zusammengeschnitten. Mal ganz unkonventionell – Musik gehört und rausgesucht, was für Nacariño passen könnte und dann einfach so nach Gefühl mit Schritt anfangen, davon relativ viel, dann Trab, auch so lang, dass da ein bisschen was geht, nicht zu viel Galopp und zum Schluss wieder Trab. Einfach mal ausprobieren, mit/nach Musik zu reiten und mal sehen, was das Gefühl sagt.

Heute also Kandare/Unterlegtrense, die behagt ihm nicht so wie seine einhändig-blank-Kandare, vielleicht tausche ich da noch einiges hin und her, mal sehen – schön, dass ich bei den Jungspunden endlich mal auf die Idee komme, vor Veranstaltungen gewisse Dinge zwei Wochen vorher auszuprobieren. Und nicht, wie früher mit Joya und Fàsci, am Abend vorher oder auch einfach gar nicht. Diese Unverfrorenheit wird wiederkommen, ist bei den beiden aber noch nicht angebracht.

Ich ritt die Aufgabe noch einmal durch, das klappte wieder verblüffend gut (wieso lässt er sich so brav auf eine Aufgabe ein? Rächt sich das noch??), allerdings war der Galopp, insbesondere rechts, etwas zu dynamisch. Da mangelte es auch phasenweise an Lenkung. Nacariño zog mir ein paar Mal ganz schön los – alles kein Vergleich zu „früher“ (haha), aber für eine Aufgabe nicht so schön. Na, einer muss ja letzter werden. Ich übernehm das! 🙂

Und dann machte ich die „spontane Kür-Musik“ an. Und schmolz innerhalb kürzester Zeit dahin. Ich liebe es, zu (passender) Musik zu reiten – und diese passte! Ich konnte die komplette Kür direkt so nutzen, wie sie war, das Ganze sah im Zweifel sogar auch noch geplant aus! Der Anfang passte wirklich super, in der Galopp-Tour muss ich ein bisschen tricksen und gucken, was gerade geht und sich gut anfühlt, aber von der Zeit her und den Gangarten-Wechseln und der Musik an sich für die einzelnen Gangarten – super!

Auch hier ließ sich Nacariño verblüffend gut darauf ein, dass ich mit einem Ohr bei der Musik war und immer überlegte, was ich wo anlegen könnte. Wieso ist der dabei auf einmal so gehorsam? Das macht mir ein wenig Sorge. Geht es ihm nicht gut? Wird er krank? Sönke würde jetzt sagen: „Wer ist dieses Pferd und was hast Du mit Nacariño gemacht?“

Na klar – unter dem Aspekt einer turniermäßigen Vorstellung gibt es da noch an allen Ecken und Kanten was zu verbessern. Aber meine Güte, er ist immer noch fünf (acht Wochen noch…!), und wir haben ja wohl noch ein paar Jahr vor uns (hoffentlich), in denen es uns ja nicht langweilig werden soll!

Ich freute mich sehr, wie gut er mitmachte und riesig, dass die Kür passte. Kür reiten ist einfach mit das Schönste, viel schöner als eine Aufgabe! Ich hoffe, das sieht er auch so…

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Donnerstag, 16.6.

Ah, doch noch der „alte“ Nacariño. In gesund. Und rotzfrech. Na, dann ist ja gut!

Ich hatte nicht viel Zeit und dachte, probiere ich doch für „Das junge Pferd“ noch einmal Halsring am Boden. Eine lange Seite Schulterherein war wunderschön, eine halbe Traversale auch. Und dann war’s vorbei. Ich trabte an, er wurde heiß und wollte rennen, ich wurde deutlicher, er auch, ich noch etwas mehr – und da flippte er aus. Nun sind die Machtverhältnisse ja relativ klar, wenn das Pferd nur einen Ring um den Hals hat. Dessen waren wir uns leider beide sehr bewusst. Ich versuchte schnell in etwas freundliches, was auf jeden Fall klappt, umzulenken – Spanischen Schritt? Nacariños Füße flogen durch die Luft. Oha, runterfahren. Hmm, vielleicht ein Galopp an der Hand? Er darf sich bewegen und fühlt sich nicht so beengt? Ich schnalzte, er sprang toll an, fiel aber wieder aus, ich trieb nach mit einem kleinen Schlag aus der Gerte – und dann sah ich ihn von hinten.

Nacariño bockte und keilte und raste vier Runden um den Platz. Der ganze Dampf, der sich in den letzten beiden Tagen aufgestaut hatte, als er so gehorsam war, entlud sich. Aber wie! Ich ließ ihn machen, trieb noch nach, er tobte, wie ich ihn lange nicht mehr habe toben sehen.

Irgendwann sammelte ich ihn wieder ein und fragte ganz behutsam nochmal irgendwas an, ich weiß gar nicht mehr was, waren auch nur fünf Sekunden, dann nahm er irgendein Rascheln zum Anlass und war wieder weg. Hmm, blöd. So genau muss er ja nun auch nicht wissen, dass ich mit Halsring nichts, aber auch so gar nichts dagegen tun kann.

Er fegte wieder mit allen Vieren in der Luft um den Platz. Was ist der beweglich geworden…!

Ich sammelte ihn wieder ein. Er schnorchelte. Ich fing noch behutsamer wieder an. Er war total auf Krawall gebürstet. Ich bekam ein Schulterherein (oder sowas ähnliches), mir gingen ein bisschen die Ideen aus, was ich anfragen könnte, ohne dass er gleich wieder durchstartet, ich war auch gerade in der falschen Ecke, um irgendwas anzufragen, da war’s aber auch schon zu spät – er hörte irgendwo ein Gartengerät anspringen und war weg.

Gestern knatterte rechts irgendeine Säge und links die Flex. Da habe ich fast die Musik nicht gehört. Hat ihn überhaupt nicht gestört. Heute machte es irgendwo ziemlich leise „kkkrrrrrr“ und weg war er. Er hatte echt massiv einen im Sinn heute.
Wie wenig manchmal reicht, um ihn zu provozieren, und wie viel er manchmal aushalten kann! Das hält sich noch so überhaupt nicht die Waage. Unglaublich. Das zuverlässigste an ihm ist eben doch noch seine Unzuverlässigkeit. Ja, so kennen und lieben wir ihn.

So konnte ich ihn nicht vom Platz lassen. Mir lief die Zeit weg, aber das war ja nicht sein Problem. Ich musste aber irgendwie gut aufhören und idealerweise mit etwas, was ihn im Moment eigentlich zum Abhauen veranlasst, was ich aber hinkriege, ohne dass er abhaut.

Ich holte ihn mir also wieder, wuschelte in seinem Schopf rum, streichelte mit der Gerte, alberte mit ihm rum, und ließ ihn an einer Stelle angaloppieren, an der es ohnehin Richtung Ausgang ging. Er wollte sich sofort von mir wegdrehen und drohte mit einem Hinterbein. Ich hielt fest und hatte Glück – es war genau die richtige Position gewesen. Er kam nicht weg, ich hielt, und etwas verblüfft drehte er sich zu mir um und ich lobte, lachte, kraulte. Er dachte nach.

Ich machte es nochmal, ein paar Meter früher. Er machte sich wieder stark, wollte weg, aber nicht mehr ganz so massiv, ich konnte ihn leichter halten, wir konnten wieder zusammen durchparieren und ich konnte loben und kuscheln.

Und dann war’s gut. Das nächste Mal durfte ich so angaloppieren, dass er freie Bahn gehabt hätte, er nutzte sie nicht, ich ließ los, sprang zurück, und er drehte sich aus dem Galopp direkt zu mir um. Und blieb da. So konnte ich ihn auf die Weide entlassen!

Allerdings sollte er nun gerne mal etwas zu essen bekommen, es gibt ja zur Zeit überhaupt keine Kekse mehr, nur in ganz seltenen Fällen mal etwas in die Krippe, aber aus der Hand so gut wie gar nicht mehr. Beide sind viel ruhiger geworden dadurch, die Hand kann sich jederzeit dem Gesicht nähern, ohne dass gleich Zähne aufblitzen.

Ich holte ein Brötchen und ließ Nacariño ein Kompliment machen. Um ihn etwas länger unten zu behalten, fütterte ich nicht sofort, er war aber fürchterlich gierig und zog tatsächlich plötzlich auch das rechte Vorderbein ein – und kniete!!
Ich ließ ihn abbeißen und lobte wie verrückt, er hat nur leider in seiner Gier nicht wahrgenommen, wofür. Aber Angst vor solchen Bewegungen hat er eindeutig auch nicht!

Ich ließ ihn um der Ruhe Willen ein zweites Kompliment direkt an der Bande machen und das gelang sehr ruhig und sicher (also für Nacariños Verhältnisse ruhig. Das ist Lichtjahre entfernt von der Ruhe, die Fàscino im Kompliment hat).

Er durfte auf die Weide, blieb dort noch eine Weile bei mir und war kuschelig.

Na, jetzt bin ich ja mal gespannt, was das heute angerichtet hat. Die Idee streiche ich natürlich wieder für das Turnier, leider, aber ohne den Hintergedanken einer Prüfung komme ich auf jeden Fall darauf zurück. Wenn er wirklich einfach Dampf ablassen musste, sollte ich vielleicht am Tag vor dem Turnier einen Distanzritt machen mit ihm oder so…?

Ich denke nur an das „Abreiten“ beim Tag der offenen Tür. Da wurde er ja nur heißer und heißer. Da mache ich mir bei Dón so einen Kopf, wie das wohl ist mit fremden Pferden, und dabei scheint Nacariño der zu sein, der sich viel mehr an anderen Pferden hochzieht.
Na, interessant wird’s allemal!

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Montag, 20.6.

Am Freitag war der Schmied war da und für mehr blieb leider keine Zeit. Samstag war ich unterwegs und Sonntag fühlte ich mich irgendwie krank – mein Infekt, den ich seit der Portugal-Reise nicht wirklich losgeworden war, machte sich mal wieder unangenehmer bemerkbar. Das schreit wohl doch mal nach einem Arztbesuch…
Nacariño hatte also mal wieder ein wenig Freizeit. Erst heute saß ich wieder mal drauf. Ich hatte mir leider die so wunderbar passende Kür nicht aufgeschrieben, und da ich zwischenzeitlich Dóns Kür geschnitten hatte, fiel sie mir jetzt auch nicht mehr ein.
Blöd, die musste ich mir also neu ausdenken.

Ich hatte die Musik mit und fand auch eine neue Variante, die gut passte. Zuvor allerdings ritt ich die KB 1 nochmal durch, die Nacariño wieder verblüffend gehorsam ging. Kleine Ausfälle, klar, aber im Prinzip durfte ich alles so reiten, wie ich wollte. Sehr brav!

Allerdings – der Rechtsgalopp wird gerade wieder schlechter. Heute anfangs ganz schlimm – Nacariño zog und zerrte vehement dagegen, als ich im Rechtsgalopp abwenden wollte. Ich hielt reichlich gegen und wagte es sogar noch, nachzutreiben und die Gerte anzulegen, was Nacariño fast zum Austicken brachte. Aber eben nur fast. Er überlegte sehr wohl, was er da tat und wie weit er gehen konnte. Und ich blieb so konsequent wie noch nie in einer solchen Situation. Irgendwann konnte ich durchparieren. Ich galoppierte links ein paar Mal an, schön aus dem Kreuz heraus, und konnte schnell leichter werden mit der Hand. Genau so probierte ich es dann auch rechts und nach dem dritten, vierten Angaloppieren war es auf einmal wieder da. Nacariño war konzentriert und gehorsam, wurde nachgiebiger und duchlässiger, und dann ritt ich die Kür noch einmal durch. Da probierte er es noch einmal kurz, aber nach wenigen Sprüngen war alles gut, und es gelang ein sehr guter einfacher Wechsel nach links. Damit war ich höchst zufrieden und ließ nach dem Schlusshalt die Zügel fallen – mein süßer Nacariño stratzte sofort zum noch da rumstehenden Podest und stellte sich drauf. Da stand er und schnaubte vor sich hin und war zufrieden.

Das war sehr, sehr gut! Die Art, wie er mich über das „Problem“ hat wegreiten lassen, war neu. Und gut. Mal sehen, wie er nächstes Mal drauf ist. Ich bin gespannt!

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Dienstag, 21.6.

Nun war allerdings erstmal wieder ein „Boden-Tag“ dran, ich wollte mal sehen, was sich aus meinen Vorstellungen für die Prüfung „Das junge Pferd“ so machen ließ. Nacariño kann ja so super fein an der Longe reagieren (Betonung auf „kann“) und an der Hand ist ja durchaus auch einiges möglich. Ich wollte irgendeine Mischung zeigen, Hauptsache flexibel gestaltbar 🙂

Zuvor jedoch Trense drauf und einmal die Aufgabe der „Arbeit an der Hand“ durchgegangen. Meine Güte! Was ist mit Nacariño los? Er ist so merkwürdig gehorsam im Moment. Schon wieder. Kaum vorstellbar, dass er nicht nebenbei irgendwelche schrägen Ideen entwickelt. Er ging die Aufgabe brav durch mit echten Höhepunkten im sicheren Halten, bei dem er sich immer gleichmäßig auf alle vier Beine ausrichten ließ, und einer super gelassenen Zirkelrunde im Trab. Schulterherein auf beiden Händen super leicht, und er hält inzwischen die Gerte so viel besser aus, auch wenn sie sich mal ungewollt bewegt. Das führe ich auf das Reiten zurück, da lege ich im Moment vor allem im Trab die Gerte ja fast ständig an, und das scheint sich jetzt sehr positiv bemerkbar zu machen.

Viel besser kann Nacariño diese Aufgabe nicht gehen, wenn das so auch nur annähernd klappt am 2. Juli bin ich mehr als hochzufrieden! Damit rechnen sollte ich allerdings lieber nicht. Enttäuschung ist bekanntlich das Ergebnis falscher Erwartungen 🙂

Trense ab, Kappzaum rauf, Podest auf den Platz geholt, Flagge griffbereit gestellt – Spielzeit! Und Nacariño war nach Spielen. Ich hatte deutlich mehr Einfluss als letztes Mal mit Halsring, das war uns beiden wohl bewusst, und so konnte ich provozieren und mit ihm rumtoben und ihn reizen, er machte ein mal ganz kurz den Ansatz zum Abhauen, war ansonsten völlig bei mir und konzentriert und bewegungsfreudig und energiegeladen und sah phasenweise einfach nur großartig aus.

Er merkte sehr wohl, dass es mir jetzt um mehr Genauigkeit ging bei den Übergängen an der Longe, und normalerweise reicht ihm ja schon das Gefühl, dass ich etwas Bestimmtes möchte, zum Abhauen oder zum sich widersetzen – heute nicht. Er wurde aufgedreht und mächtig, aber er setzte das nicht gegen mich ein. Irgendwas passierte da gerade wieder zwischen uns.

Vier Minuten reichen nie im Leben, wir können so in unser Spiel versinken! Da muss ich mir schon relativ genau vornehmen, was ich zeigen will. Da sind so viele Dinge, die klappen könnten oder auch nicht, ich muss versuchen, ungeheuer schnell einzuschätzen, wie sich etwas entwickeln wird, um evtl. noch im Ansatz in etwas anderes überzugehen. Möglichkeiten haben wir genug, aber das schnelle Umlenken ist noch nicht immer seins. Pfff, egal, da kommt gerade so viel, er macht so viel besser mit, lässt sich vor allem inzwischen toll in der Grundspannung verändern, das ist einfach klasse. Und bei einem Pferd, wie er es ist, so wichtig. 

Ich wollte ihn auf dem Podest drehen, wenn ich dabei vor ihm stehe, geht er immer mal kurz runter, kommt wieder rauf, dreht weiter, geht wieder runter… Hmmm, mir fehlte die Idee, wie ich ihn dazu bringen könnte, mich von vorne so auszuhalten, dass er oben bleiben könnte.
Die Idee gab er mir später total zufällig (einer dieser Zufälle, die es ja nicht gibt).
Er stand auf dem Podest, ich lief eine Acht unter ihm durch, komme unter seinem Bauch hoch und bin auf Höhe des Hinterbeines und da ging er einen kleinen Schritt zur Seite.
Ach!
Ich unterbrach meine Acht und fragte das an. Stand neben seinem Hinterbein und gab einen ganz leisen Schnalzlaut. Er drehte ein bisschen. Ich ging mit. Leiser Schnalzer, er drehte, leiser Schnalzer, er drehte weiter. Und blieb oben! Er stand völlig frei und ich konnte ihn von hier hinten eine komplette Runde auf dem Podest drehen lassen!
Hammer!
Hätte ich doch auch drauf kommen können! Bin ich aber nicht. Aber schön, dass er die Gelegenheit genutzt hat, mir seine Wunsch-Hilfe zu zeigen…

Ein wunderbar ruhiges Kompliment schenkte er mir noch, für das ich ihm zu seiner Begeisterung ein Stück Brot schenkte, und dann warf er sich noch in den Sand und kugelte hin und her und da konnte ich ihn mehrfach für ein paar Sekunden flach ablegen.

Nee, wat schön…!

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Mittwoch, 22.6.

Ich wollte eigentlich die Kür noch einmal durchreiten. Mit Dón war ich fertig, hatte aber nicht lange drauf gesessen und wollte noch eine Runde ins Gelände mit ihm. Ich holte schnell Nacariño von der Weide und nahm ihn als Handpferd mit. Ab jetzt gleichen sich die Texte dieses Tages bei beiden Pferden in einigen Teilen. Aber eben nur in einigen Teilen 🙂

Es ist gut drei Monate her, dass ich mit Handpferd geritten bin, und das war ja auch nur kurz zum Test, was ich am 1. Mai mit den beiden würde zeigen können. Die hatten ihren großartigen Krämer-Auftakt vergessen und benahmen sich unmöglich, so dass ich zum Thema Handpferd mal kurzentschlossen gar nichts zeigte. Und auch sonst hatten wir das Thema nicht mehr aufgegriffen, dennoch gingen beide sofort völlig entspannt los. An der Straße kein Thema, dann ging es in den einen Weg rein und da sah Dón jemanden im Vorgarten. Er riss den Kopf hoch, Nacariño versuchte zu erkennen, was denn los ist, hörte hinter sich irgendwas, was für mich einfach nur nach einem Roller und einem Auto klang, ich hatte aber keine Zeit mehr, mich umzudrehen, um das herauszufinden, weil in der nächsten Zehntelsekunde unter und vor mir zu viel los war, was meine volle Aufmerksamkeit beanspruchte.

Nacariño startete unhaltbar durch. Diese Reaktion fand ich völlig übertrieben. Er hatte auch ein paar Meter später den Kopf im Gras, war aber sichtbar unter Strom.
Na dann, Test Test zwo drei, gucken wir doch mal, ob man den wirklich frei mitlaufen lassen kann. Ich bin ja überzeugt davon, dass das mit ihm geht.

Bestanden. Geht! 🙂
Ich trabte an Nacariño vorbei und rief ihn mit meinem typischen Sing-Sang „Komm mal her! Ja, komm!“ – und war noch keine zehn Meter vor ihm, da kam er aber angedonnert! Ha, sehr gut! Allerdings mit Speed an uns vorbei.
Macht nix, loben, wieder Sing-Sang, an Nacariño ranschleichen, pah, so schlau ist der schon lange, weg war er wieder. Aber er blieb immer in der Nähe, das ist genau das, was Fàsci macht, wenn er frei läuft. Er hält einen bestimmten Abstand, den allerdings hält er dann auch und lässt den nicht größer werden. Wird ein Weg enger oder kann ich ihn „einkeilen“, kann ich ihn immer greifen. Bei Fàsci brauche ich das nicht mehr, den kann ich inzwischen auch auf Pfiff so immer zu mir holen. Nacariño macht aber genau den gleichen Eindruck wie Fàsci am Anfang, deshalb bin ich ja so sicher, dass das mein nächster „Freiläufer“ wird. Er will seine Freiheit, zu weit vom anderen weg sein will er dabei aber nicht. Das ist es, was ich dafür brauche.

Und so ritt ich einfach weiter. Der kommt schon mit, dachte ich. Tat er auch. Der Strick hing runter, da trat er mal drauf, aber das lernen meine Pferde ja ohnehin ganz bewusst, dass sie sich davor nie erschrecken müssen. Tat er auch nicht. Irgendwann ging er relativ nah neben uns, ich ließ die beiden einfach gehen, und als Nacariño sehr entspannt wirkte, hielt ich Dón ein wenig zurück, war auf Nacariños Kopfhöhe und konnte den Strick greifen. Ich hielt an, knuddelte und lobte beide ausgiebig, und ab dann ging er mir nicht mehr von der Hand. Großartig!

Test, Test, die Zweite (wieder ungewollt): auf dem Weg zum Möschenhof ließ ich beide traben, beide wichen den Pfützen aus (albern!), waren ansonsten aber super zu händeln. An irgendeiner Pfütze wurde es Nacariño zu eng, er sprang drüber und Dón galoppierte im selben Moment mit an.
Ich war höchst wachsam, ließ die beiden aber machen und passte nur sehr genau auf, was sich da entwickelt. Und dann fing ich an zu grinsen und zu genießen – unser erster gemeinsamer Galopp! Und so lässig, so leicht! Sie zogen sich nicht aneinander hoch, auch wenn beide sehr kraftvoll waren, aber kein Gedanke daran, ausfallend zu werden. Sie waren relativ schnell, aber regulierbar. War das schön!!
Nacariño machte keine Anstalten, zu buckeln oder auszukeilen, er galoppierte einfach mit, wenn auch mit relativ viel Zug am Strick. Aber gut (aus)haltbar.
Bevor die beiden merkten, dass sie galoppieren, dachte ich, pariere ich doch mal durch. Das gelang, auch wenn ich ein bisschen zufassen musste, aber nicht übermäßig. Hammer!

Am Rand stand eine Frau mit Hund, also Schritt. Die starrte uns an und prustete plötzlich los vor Lachen: „Ich dachte, da kommt eine Kutsche!“ Wir lachten uns scheckig und stellten uns eine unsichtbare Kutsche vor. Ihr Hund machte den großen Macker, was meine beiden Jungs nicht interessierte, wir wünschten uns lachend noch einen schönen Tag und ich ritt weiter. Noch ein Galopp…? Später.
Die Herde sah uns kommen und machte Wallung, meine Jungs staunten, blieben aber cool. Und dann spürte ich ein paar Tropfen, die schnell mehr wurden, und so ritt ich an der Weide hoch zum Stall und kam aber gerade noch in die Stallgasse, als der Guss runterkam. Glück gehabt!

Wir ritten schließlich zurück, ein paar Tropfen fielen noch, aber das waren nur „Reste“. Ich ließ die beiden noch einmal traben und galoppierte schließlich an.Nacariño hatte es nicht nötig, zu galoppieren und hielt lässig im Trab mit. Eigentlich hätte ich ihn gerne noch einmal angaloppiert, ich ermutigte ihn auch, aber er trabte. Und das tat seinem Trab ja durchaus gut, da so frei mit fliegenden Hufen neben uns, also ließ ich ihn traben.

Die Sonne kam durch, es hörte auf zu regnen. Mit der Sonne kamen allerdings auch die Bremsen. Meine Güte! Nacariño wurde regelrecht überfallen. Beide Pferde hielten es toll aus, dass ich ständig auf Bremsen einschlug, Nacariño sah irgendwann echt misshandelt aus mit lauter Blutflecken und ich hoffte nur, dass mir so kein Fußgänger entgegen kam und sein Handy zückte und den Tierschutz anrief.
Nacariño ist mein „Käfer-Pferd“ – der hat irgendwie immer irgendwelche Viecher auf sich sitzen. Von ihm sammel ich im Moment fast täglich Zecken ab, er hat immer irgend ein Krabbelzeug auf sich, und nun diese Bremsen, die sich echt auf ihn stürzten.
Der Arme…!

Wieder am Stall sprühte ich die Jungs ein und ließ sie wieder auf die Weide.
Beide blieben noch eine ganze Weile bei mir und kuschelten.
Hach, schön…!

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Donnerstag, 23.6.

Heute war dann aber Kür durchreiten dran. Nacariño ging so gut, wie er nur kann.
Der Hals war immer weich, es gab nicht ein einziges Gegenziehen im Rechtsgalopp, er galoppierte immer am Kreuz an (danach verliert sich das dann manchmal, aber kein Vergleich zu diesem komischen und – aus meiner Sicht – völlig überflüssigen Gezerre vor Kurzem), er war durchlässig und gehorsam, die Übergänge passten zur Musik, ich grinste vor mich hin und versuchte, nicht darüber nachzudenken, dass er einfach unmöglich zu sitzen ist im Trab. Lächeln! Reiten macht Spaß!

Dieses Reiten machte Spaß. Ihm auch. Er war so zufrieden, so bemüht, so eifrig, dabei aber doch so entspannt – total toll!

Ich hatte ihn vielleicht 15, 20 Minuten vorbereitet und war dann die Kür geritten. Mehr machte ich dann auch nicht. Für den heutigen Tag gab es nichts zu verbessern. Ich lobte überschwänglich und ging noch eine Runde mit ihm raus. Das Gefühl war einfach gut!

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Freitag, 24.6.

Zur Zeit lese ich noch einmal die Berichte unserer vergangenen Monate. Heute morgen war ich bei Mai, was ja nun gerade mal vier Wochen her ist. Und ich musste echt lachen, als ich las, dass an das Reiten einer Aufgabe oder einer Kür in dem Stadium überhaupt noch nicht zu denken sei. Es überrascht mich aber auch wirklich und immer noch, dass er sich so willig darauf einlässt, bestimmte Dinge an bestimmten Punkten zu tun.

Heute mal wieder einhändig blank. Huch? Er war nun gerade so schön auf Kandare / Unterlegtrense eingestellt und schwankte und schleuderte und wurde flach und schnell im Galopp. Überhaupt kein Abhauen, das nicht, aber auch null Komma gar keine Versammlung. Das Anspringen wurde nachher besser, aber so richtig zu Wollen war da heute nichts. Dieses Pferd überrascht mich einfach immer wieder. Vielleicht das Rezept für eine glückliche Ehe – wenn man sich ein Leben lang überraschen kann 🙂

Ich glaube, das waren ihm jetzt zu viele Sachen in zu kurzer Zeit. So flexibel ist er noch nicht. Bis zum Turnier reite ich nun also nur noch mit der Kandare, an die er sich nun gerade so schön gewöhnt hat, unsere Spielereien am Boden muss ich noch ausfeilen. Oder vielleicht gerade eben nicht und extrem spontan und flexibel sein und hoffen, dass das mit der Musik dann schon irgendwie passt.

Ich verwarf jedenfalls meine Idee für die Offene Kür der Reitweisen wieder, denn hier wollte ich ihn eigentlich einhändig blank in „barocker Klamotte“ vorstellen. Doch nochmal den Langen Zügel auspacken? Ich wieder! Ich riss mich zusammen, rief mich zur Räson und machte so kurzfristig nicht noch eine Baustelle auf. Dabei hat allerdings auch der starkregendurchtränkte Boden geholfen, auf dem ein Gehen zur Zeit nicht möglich ist. Zumindest nicht mit einem am Langen Zügel ja noch extrem unerfahrenen Pferd vor sich.

Und so denke ich nun auf einer Kür an der Hand herum, ein paar Seitengänge, ein bisschen Zirzensik, das müsste doch eigentlich immer gehen. Für ihn eine Anstrengung weniger, für mich eine mehr (laufen…), das nenne ich mal gerecht!

Er ließ sich nachher aber noch sehr gut versammeln im Trab, da waren so richtig schöne Tritte bei, und dabei beließ ich es dann. Wir gingen noch eine Runde auf die Wiese. Auf der war er noch nie, die grenzt direkt an die Weide der Wallache an, die sehr erstaunt guckten. Ich ließ Nacariño galoppieren, drehte eine schöne Runde, und er gab mir nicht eine einzige Sekunde das Gefühl, die Regie übernehmen zu wollen. Er galoppierte total lässig vor sich hin und ließ sich auf einen Hauch wieder durchparieren. Großartig!

Ich verließ die Wiese und sah das rote Licht beim Bahnübergang – ha! Nix wie hin!
Die Schranken gingen runter, Nacariño staunte die kurz an, dann kam die AKN und ratterte ein paar Meter vor ihm vorbei, das schockte ihn überhaupt gar nicht (so nah waren wir der Bahn noch nie gewesen), die hochgehenden Schranken fand er viel erstaunlicher. Er drehte brav um und ging tiefenentspannt nach Hause.

Verdammt, wieder vergessen, Fieber zu messen. Normal ist das nicht 🙂

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Sonntag, 26.6.

Nee. Normal ist das nicht. Was Nacariño auf der Wiese an Bewegungen rausließ, war schier unglaublich. „Zwischen Genie und Wahnsinn“ – für mein Empfinden aber deutlich mehr Genie heute.
Ich provozierte am Anfang gar nichts, wir gelangten sehr schnellen Schrittes zur Wiese, Nacariño war reichlich aufgekratzt. Na, Mahlzeit, dachte ich noch, da kamen wir auf der Wiese an, Nacariño atmete aus und entspannte sich. Das ist ja klasse! Merken!

1

Ich trabte ein wenig, hatte wenig Lenkung und einen ziemlich langen, flachen Nacariño unter mir und viel zu viel in der Hand.

Er fühlte sich sehr lauffreudig an, und so ließ ich ihn rechts angaloppieren, was zwei Mal misslang (nanu?), und als es dann klappte, wollte er los. Und zwar richtig. Nicht frech, nicht das Abhauen von früher (früher! Haha! Damals…), aber er wollte gerne galoppieren. Also ließ ich ihn. Er wurde ein bisschen schneller, und das war’s dann, so blieb er und genoss den Galopp.

5

Nun aber wieder Trab und mal konzentrieren! Davon hielt er nichts, er wollte links galoppieren. Später! Erst einmal traben! Na gut, maulte er vor sich hin und blieb gehorsam.

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Also durfte er links galoppieren, was mir nun aber deutlich zu schwer auf der Hand wurde, so dass nun aber mal ernsthaft Versammlung gefragt war. Im Galopp bekam ich die noch nicht.

7

Ich trabte wieder und wagte es, mit einem klaren Gedanken an Versammlung die Gerte anzulegen. Und – meine Güte! – er zog sich zusammen, versammelte sich sofort und bekam einen völlig anderen Bewegungsablauf unter mir. Wow!

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Und dann war ich geneigt, ihn zu verwechseln. Er fühlte sich nicht nach Nacariño an. Also doch, phasenweise schon, so ein bisschen hysterisches kreischen (er meint, er wiehert) und dabei losstürmen war natürlich schon immer wieder mal dabei, aber ich ließ ihn nicht mehr weg.

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Er schwankte wie immer zwischen sich auflehnen und doch Lust zur Mitarbeit haben und entschied über unglaublich weite Strecken zur Mitarbeit. So einen Nacariño hatte ich überhaupt noch nie unter mir!

Ich fragte immer im Wechsel Versammlung und Raumgewinn an, und beides über relativ lange Strecken. Dafür ist die Wiese natürlich toll, man kann mal Strecke machen. Und so trabte er nachher mit einer ungeheuren Dynamik im Hinterbein und ließ sich zwischen Tragen und Schieben immer wieder hin und her wechseln. Das war der Hammer!

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Schließlich meinte ich es ernst mit der Versammlung. Mal sehen, was an Hankenbeugung zu bekommen war, ohne dass er es als zuviel empfand. Und er hielt echt was aus heute.
Auf der rechten Hand wollte er sich einmal nach oben entziehen, von mir kam ein klares und sehr ernst gemeintes „Vor!“ – und wie man sieht, daraus kann man irgendwann mal was Schönes machen:

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Auf der linken Hand traute er sich schließlich und ließ mal wirklich halbe Tritte durch seinen Körper durch – was für ein Gefühl…!

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Ich galoppierte wieder, bekam ein paar ungeheuer versammelte Sprünge, ließ ihn wieder vor (aber nicht zu viel! Nicht die Idee von bergauf verlieren!), er ließ sich super über die Gerte versammeln, sogar im Galopp. Er war Sturm und Drang und immer wieder auf der Hand, weil er nach vorne wollte, er ließ sich aber auch jedes Mal wieder zu toll versammelten Sprüngen hinreißen. Und im Trab war die Dynamik immer abrufbar.

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Ich bekam solchen Spaß an den Verstärkungen und erlebte schließlich die ersten, in denen er mich ansatzweise in seinen Rücken reinzog. Oder sagen wir mal so – in denen er mich nicht wie sonst meilenweit rauswarf. Tatsächlich waren aber wirklich ein paar Momente dabei, in denen er mich – gefühlt zum ersten Mal überhaupt – in seinen Rücken reinzog.

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Und dann gab es noch zwei kurze Phasen mit so versammelten Tritten – boah…
Das was hier zu sehen ist, sind – fototypisch – Momentaufnahmen. Das ist kein Ausschnitt von etwas, was über zehn Tritte so war. Das war jeweils ein einziger Tritt, der einen Blick in die Zukunft zulässt, neben ganz vielen krummen und schrägen Gegenwarts-Momenten. Aber – dieses Momente waren da, und sie waren fühlbar. Und sie werden irgendwann abrufbar sein…
Lechz!!!

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Das Wahnsinns-Bild…:14

Und wer so großartig mitmacht, darf auch steigen!
Das Angebot nahm er gerne, aber super kontrolliert (und kontrollierbar) an.

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Meine Güte. Was für ein Tag. Was für ein Pferd. Was für Momente…
Ich bin hin- und hergerissen bei ihm manchmal. Möchte gerne in manchen Dingen langsam konkreter werden und merke, dass ich es darf – siehe daran, wie verblüffend gehorsam er sich durch die Aufgaben führen lässt.
Aber dieses, was wir heute hatten, provozieren, Bewegungen entstehen lassen, reizen, reizen, reizen, damit er immer mehr aus sich rausgeht, immer mutiger wird, das macht so einen Spaß! So ein bisschen Kultur muss ich da wohl leider schon reinbringen langsam, aber gefühlt ergibt sich das irgendwie von selbst. Ich kann auf sehr gut darauf verzichten, die totale Kontrolle und Lenkung zu haben, wenn ich für diesen Verzicht solche ungeheuren Bewegungen bekomme. Erstmal diese Bewegungen, dann das, was an Bewegung schon da ist, steuerbar und abrufbar machen! Nicht andersrum! Nicht erst einschränken und dann versuchen, groß zu machen – erst groß und frei und dynamisch machen und das dann in immer geordnetere Bahnen lenken, das ist unser Rezept.
Und ich bin sicher, es geht auf. Was in diesem Dreivierteljahr passiert ist, ist doch fern jeder Realität… Wo sind wir wohl nach einem weiteren Dreivierteljahr…?

Und dann gab es noch den ersten „Fremdreitertest“. Total spontan, weil es gefühlt jetzt passte. Ich ließ meine Freundin zurück reiten. Sie bekam Kulleraugen und meinte nur „Lass den ja nicht los!“, sie hat reiterlich einen Heidenrespekt vor ihm – nicht zu Unrecht, würde ich sagen 🙂

Und so fühlte sie seinen Schritt und sah seinen langen Hals, ich blieb daneben, ließ sie aber ein paar mal auf Stimme halten und wieder anreiten, was er wunderbar durchließ. Ihn störte überhaupt nichts an dieser Konstellation, wir kamen total entspannt im Stall an. Ich bin noch ziemlich geflasht. Vor allem von diesen Momenten, die eine spätere Piaffe und Passage ahnen ließen – und von dem entsprechenden Foto, das irgendwie noch überhaupt nicht „echt“ aussieht. Ist es aber! 🙂

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Montag, 27.6.

Habe für das Turnier noch eine andere Kandare angepasst und darf im Moment einen Sattel ausprobieren, einen Kieffer, der auf einer verblüffend breiten Island-Stute lag.
Das Ausprobieren dieser beiden Dinge stand im Vordergrund, ich wollte ansonsten einen ganz ruhigen, entspannten Ritt, nicht viel machen, ich war schon fast zum Einlullen bereit und sehr gespannt, wie Nacariño damit umgeht.

Er ging großartig damit um. Er nahm das Angebot in vollen Zügen an und ging einfach nur schön. Wir legten eine ruhige, entspannte Runde hin, jedes Angaloppieren war ruhig und gesetzt, er erschrak einmal und sprang zur Seite und war anfangs recht guckig, aber er wollte sich selbst auch entspannen. Und das war neu. Man merkte ihm an, wie unglaublich gut ihm die Bewegungen gestern getan haben. Ich ritt ohne großen Anspruch die KB 1 noch einmal durch und wenn ich mir etwas wünschen darf, dann dass er die Aufgabe beim Turnier so geht… Es war so leicht, so lässig, so einfach, so schön…

Zum ersten Mal hat er sich in diesem Maße auf gewünschte Entspannung eingelassen.
Ich glaube, wir haben wieder einen ganz großen Sprung gemacht. Gefühlt macht er die ja im Moment täglich. Danke, mein Süßer…

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Mittwoch, 29.6.

Ich ritt die Kür noch einmal durch, die passte, aber Nacariño war höchst albern. Er baute mal wieder etliche Seitensprünge ein, wo keine hingehörten, zuckte hier, zuckte da, wollte im Galopp fest und schnell werden, ließ sich ansonsten aber brav durch die Figuren lenken und reagierte schnell auf meine Wünsche nach Übergängen. Aber er war unter Strom.

Ich fragte nach ein wenig Versammlung im Trab und bekam gute Tritte, in denen er auch nicht nach oben dachte, das Angaloppieren war im Prinzip immer gut und sein Schritt ist klasse. Endlich habe ich mal zwei Pferde mit einem guten Schritt, den keiner kaputt gemacht hat… Also, drei natürlich, Fàsci hat den weltbesten Schritt, aber die beiden Jungspunde gehen eben auch unter dem Reiter einen guten, manchmal sehr guten Schritt und das ist schon ein Geschenk, wenn man sieht, was manche Iberer für einen Schritt mitbringen oder wenn man den Schritt zweier Korrekturpferde hinter sich hat.
Ein Genuss!

Während der Kür stürmte es und dann fing es auch noch an zu regnen, also volles Programm, aber ich ritt wacker weiter. Schließlich hörte das auch wieder auf und die Sonne kam wieder hervor.

Ich war hochzufrieden mit seinen Seitengängen und nach der Kür ließ ich ihn noch ein paar lange Seite im Trab zulegen – zum ersten Mal war kein einziges Angaloppieren dabei, er wurde jedes Mal elastischer und losgelassener, kam toll zum Schwingen. Zum ersten Mal überhaupt finde ich den Ausdruck „elastisch“ passend! Das ganze Pferd war am Federn! Da geht noch was, aber so war es noch nie! Ich lobte, er schnaubte zufrieden vor sich hin, und danach im Schritt hatte ich wieder diesen wunderbar langen Hals mit der schönen Oberlinie vor mir. Den hat er mich ja noch nicht so oft sehen lassen, aber jetzt war er wieder da. Wenn ich mir vorstelle, was da noch draus werden kann…
Das wird noch ein echtes Barockpferd! 🙂

Nacariño war anhänglich und verspielt und wir alberten noch eine Weile herum.
Morgen möchte ich noch einmal springen – ich gedenke, Nacariño für die Sportstafette nachzunennen, und dann darf er vorher nochmal bunte Stangen sehen.
Genau, zwei Mal gesprungen und dann ein kleiner Turnier-Parcours.
Überrascht dieses spontane Vorhaben jetzt irgend jemanden? 🙂

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Donnerstag, 30.6.

Und er ist doch irre. Wie Genies eben manchmal so sind.

Mir war nicht nach reiten, aber springen sollte er gerne nochmal. Dafür muss ich ja nicht draufsitzen, dachte ich so, und so ließ ich ihn sehr spontan an der Longe springen. Ich hatte zwei kleine Sprünge V-förmig hingestellt. Er beschloss sehr schnell, die zu klein zu finden. Und so sprang er nachher tatsächlich schon eine gewisse Höhe, also auf jeden Fall schon mal was, was nach „Sprung“ aussah! Und er machte es gut!

Er rammte zwar auch mal alles in Grund und Boden und musste dann bei der nächsten Runde zusehen, wie er über die kreuz und quer liegenden Stangen kam, aber auch das machte er mit großer Übersicht. Angst hat er mal so überhaupt gar keine vor sowas.

Dann aber auch wieder die Momente, an denen er in einem günstigen Moment einfach mit voller Power abhaute – das erste Mal war der Platz noch offen, aber weit lief er ja nicht. Er drehte sich sogar zu mir um – brav, der Gute!!
Ich sammelte ihn wieder ein und machte den Platz zu, aber dieses Losdonnern machte er jetzt zum Programm. Ich brauchte nur nach der Longe zu fassen, da schoss er los.
Und raste um den Platz. Verrückt…

Gefühlte 40 Mal (so viele waren es bestimmt nicht, aber es war wieder und wieder…) haute er mitsamt der Longe ab. Die sah nachher schon ein bisschen mitgenommen aus. Dazwischen immer wieder tolle Runden mit großartigem Gehorsam und guten, extrem geschickten Sprüngen. Und dann – zack! – weg. Irrer Vogel, der…

Er war warm geworden, so viel wollte ich ihn gar nicht tun lassen, aber ganz offensichtlich braucht er das einfach zwischendurch.

Er machte noch ein super Kompliment und schenkte mir zum zweiten Mal einfach so von sich aus ein Knien, und dieses Mal hielt er das richtig lange aus! Und ich bekam es noch ein zweites Mal! Wie geil!! Ich kann es nicht abrufen, es ergibt sich aber offenbar zwischendurch. Ich hoffe, ich kann das irgendwann abrufbar machen…

Und  dann überkam mich mal wieder so eine Spontan-Entscheidung. Vielleicht war das nicht der geeignetste Tag für solche Spielchen, aber irgendwie war wieder einmal dieses plötzliche Gefühl da, „das geht jetzt“. Plötzlich fand ich mich auf seinem Rücken wieder.
Tsss, wie war ich da denn so schnell hingekommen…? Das fragte er sich auch.
Er war unter Strom, aber aufmerksam konzentriert. Links rum fühlte sich nicht gut an, das ließ ich wieder, rechts rum fühlte sich ok an. Wenn wir mal ehrlich sind, hatte ich auch gar nicht so viel Lenkung. Da war nur ein Halfter drauf. Kein Strick, nichts. 
Ich wollte ihn frei gehen lassen, griff aber doch ab und zu mal ins Genickstück, weil er ganz schon dynamisch wurde. Aber rechts passte das Gefühl schließlich, und so trabte ich an und tatsächlich galoppierte ich dann auch. Ich blieb auf dem unteren Zirkel und hatte die Hand im Halfter, musste aber nicht wirklich zufassen. Auf meinen Pfiff rammte er alle Viere in den Boden und stand. Hammer! Nochmal!

Der nächste Galopp war sehr lässig, ich konnte komplett loslassen, und wieder stand er auf den Pfiff. Ich knuddelte ihn rauf und runter, saß ab, alberte mit ihm rum, sprang wieder drauf, galoppierte nochmal, wieder runter, wieder rauf – er wurde immer entspannter. Wenn er mal einen sehr coolen Tag hat, möchte ich ihn frei reiten.
Ganz frei…
Gerten sind bei ihm zur Zeit vermutlich noch keine Steuerungshilfen, also geht das wohl erstmal nur ganz ohne was. Aber das juckt mich ja jetzt…!

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