Amigo

In meinem „Besitz“ vom 24.12.1979 bis 29.10.1983

* 8.5.1965
Westfale
Rappe
Wallach
Stm. ca. 1,65 m
Vater: Frühbote v. Frühsport (Fiat I) a.d. Fronweh v. Fron
Mutter: Mietze v. Forstaufseher / Fortschritt I

 

Einen großen Teil meiner Kindheit verbrachte ich im „Rosshof“ in Hofheim-Diedenbergen. Hier hatten meine Eltern ihr Pferd stehen, nachdem wir, als ich sieben Jahre alt war, nach Hessen zogen. Mit den Pferden meiner Eltern konnte ich damals allerdings nicht viel anfangen – viel zu groß und viel zu jung und viel zu wild. Das war nicht meins, ich juxte lieber auf den Ponys im Dorf herum oder ritt altgediente Schulpferde, die mir Sicherheit gaben.
Im Rosshof gab es eigentlich nur ein Pferd, an das ich mich so richtig nah ran traute: Den westfälischen Rappwallach Amigo, eineinhalb Jahre älter als ich, groß, schwarz, (m)ein Kindheitstraum. Wenn er seinen mächtigen Kopf aus der Box hängen ließ, hing ich dran. Diese Liebe blieb auch meinen Eltern nicht verborgen und so durfte ich Amigo hier und da einmal reiten. Er buckelte wie ein Weltmeister, ich lag im Prinzip jedes Mal, wenn ich ihn ritt, unten, aber bei ihm machte mir das nichts aus. So durfte ich ihn auch ein paar Mal reiten, als wir mit einer großen Gruppe 1979 zum Reiterurlaub nach Emmelhausen fuhren.

Reiterurlaub Emmelshausen 1979

Emmelshausen 1979 – mein Vater auf Dandolo, ich auf Amigo

Weihnachten 1979 lag nichts unter dem Weihnachtsbaum.
Nichts.
Ich war dreizehn und zugegeben reichlich fassungslos.
Dann kam doch so ein kleines Päckchen zum Vorschein. Spätestens da lernte ich wohl, dass Geschenke nicht nach ihrer Größe beurteilt werden dürfen…  🙂
Meine Mutter hatte in mühevoller Kleinarbeit den Innenteil einer Klopapierrolle mit einem Text umwickelt, der in durchgehenden Großbuchstaben, ohne Punkt und Komma, erklärte, dass ich ab sofort die Verantwortung für Amigo hatte.
Das war ja nun nicht ganz leicht zu lesen und ich war offenbar so wenig verwöhnt, dass ich, nachdem ich die erste Worte entziffert hatte, anfing zu heulen, weil ich dachte, ich dürfe ihn eine Woche oder so reiten oder auch nur putzen…

Irgendwann hatte ich alles entziffert und heulte glücklich vor mich hin. Meine Mutter ließ mich dann noch einen Blick in ihren Kleiderschrank werfen, in dem ein schwarzes Turnierjacket hing (weitergereicht von einem Kind, das rausgewachsen war, ebenso meine ersten Lederstiefel…), weil ich doch so gerne mal eine Jugendreiterprüfung oder sowas reiten wollte. Erstaunlich, wie viel man an so einem Heiligabend heulen kann, „nur“ weil man eine Reitbeteiligung und ein gebrauchtes Jacket bekommt. Das waren noch Zeiten!
So freuen kann ich mich – gerade über „Kleinigkeiten“ – auch heute noch.

Meine erste Jugendreiterprüfung, 1980

Im Juni 1980 trug Amigo mich dann durch meine erste Jugendreiterprüfung (an dem Tag bin ich tatsächlich mal nicht runtergeflogen). Ich wurde 9. von 15 oder irgendwas unter „ferner liefen“ und heulte mal wieder vor Freude. Der Richter meinte, als er Amigo meine allererste braune Schleife anheftete, tröstend „nächstes Mal wird es bestimmt besser!“ – und ich guckte verblüfft und meinte „aber ich freu mich doch nur so!“. Bin bis heute nicht sicher, ob er mich ernst genommen hat.

Amigo ließ mich noch am selben Tag spüren, was es heißt, auf einem Pferd zu sitzen, daß lesen, schreiben und rechnen kann. Ich hatte auch einen Springreiterwettbewerb genannt. Meine Mutter wartete am 2. Sprung mit dem Fotoapparat. Da kam ich bloß nie an. Ich trabte brav rein, hielt an, grüßte und dann klingelte die Startglocke. Ab der Sekunde schaltete Amigo auf Autopilot und ich war – ja, irgendwie dann wohl egal.
Er trabte zum ersten Sprung, trabte drei Volten und trabte raus. Vermutlich grinsend bis über beide Ohren, keine Ahnung, ich war viel zu fassungslos, wie mir da geschah. Beim raustraben hörte ich noch meine Mutter rufen (und alle, alle anderen hörten es auch…) „Wo bleibst Du denn??“

Amigo hat mich noch etliche Male aus Springprüfungen rausfliegen lassen. Er bestimmte, wann, was und ob überhaupt gesprungen wurde. Er ließ mich in einer Springstunde (die waren donnerstags und ab dienstags war mir schlecht…) zwölf (!!!) Mal runtersegeln, zum 13. Abflug kam es bloß nicht, weil die Stunde zu Ende war.
Er hat mir einen Großteil meiner inzwischen ungefähr 800 Stürze beschert und mir damit etwas wirklich großartiges beigebracht, was ich zum Glück auch heute noch, über 20 Jahre nach ihm, kann: geschickt fallen. Im Normalfall tu ich mir nicht weh. Tja, die Übung macht’s…

A-Stilspringen 1982, 2. Platz

Dressurmäßig war Amigo so ein richtig „selbstgestrickter“. Wir lernten damals ja noch, daß der Kopf unbedingt runter muß, egal wie. Bei Amigo funktionierte das mit „einen rechts, zwei links, einen fallen lassen“ oder so ähnlich, er hatte jedenfalls ein ganz klares „Strickmuster“, nach dem er den Kopf runter nahm.
Ich kriegte das mit der Zeit relativ unsichtbar hin und lavierte mich so durch meine ersten E- und A-Dressuren.

A-Dressur im Schloßpark Wiesbaden-Biebrich 1982, 6. Platz

Auch meine ersten Jagden (in Hessen damals noch wirklich schön!) ritt ich mit Amigo und 1982 gelang es uns, den Fuchsschwanz zu ergattern. Oder war es 1983? Irgendwie so. Der Fuchsschwanz musste gesucht werden und ausgerechnet ich Blindfisch ritt aus Versehen fast drüber  🙂

Halali! Meine erste Jagd, Roßhof 1980

viele schöne Jagden mit Amigo, hier 1982

wir haben den Fuchsschwanz!

Schließlich trug mein treuer Amigo mich durch die Dressur zum Jugendreitabzeichen (Bronze), durch diverse Jugendreiterwettbewerbe, Springreiterwettbewerbe und E- und A-Springen, durch E- und A-Dressuren und schließlich sogar A-Vielseitigkeiten, auf ihm hielt ich zum ersten Mal Kandarenzügel in der Hand, wir gingen viele schöne Jagden und er hat mir so, so viel beigebracht. Ohne ihn wäre mein Reiterleben sicherlich anders verlaufen, da er mir so unendlich viel Vertrauen und Mut gegeben hat.

Im Oktober 1983 zogen wir um und Amigos Besitzer wollten nicht (nachdem sie es erst zugesagt hatten…), daß Amigo mit seinen 18 Jahren noch einmal den Stall wechselt. Er stand vierzehn Jahre auf dem Roßhof. Ich weinte bittere Tränen, mir brach das Herz, ich schrieb dem Besitzer einen langen Brief – und mußte Abschied nehmen. Amigo lebte noch einige Jahre und soll etwa Ende 20 geworden sein, genau habe ich das nie erfahren.

„Wer einmal Pferdehaar verschluckt
es niemals wieder ausgespuckt“ –
bei mir war dies Amigos Haar.

1983

Einfacher Reiterwettbewerb ………… (1 Sieg, 2 Platzierungen)
Dressur Kl. E ……………………………… (1 Platzierung)
Dressur Kl. A ……………………………… (4 Platzierungen)
Stafettenspringen
Springen Kl. E
Springen Kl. A …………………………… (3 Platzierungen)
Vielseitigkeit Kl. A …………………….. (1 Platzierung)
Jagden
Dressur für das Jugendreitabzeichen (DRA IV Bronze)

A-Springen, Kriftel 1982

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