Klassisch-barocke Reiterei

“Barocke Reitkunst” – was ist das überhaupt?
Eines kann man bei “Barock” eindeutig definieren – das Zeitalter: ca. 1600 bis 1750.
Selbstverständlich wurde in dieser Zeit auch geritten, meist auf mittelgroßen Pferden des iberischen Typs. Reiten war gleichermaßen Ausdruck von Adel, Wohlstand und feiner Lebensart. Nicht umsonst haben Worte wie Ritterlichkeit oder Kavalier ihre Wurzeln in dem schlichten Wort Reiter (Ritter oder dem französischen chevalier, sprich, Kavalier).

Das Zeitalter des Barock war in mancher Hinsicht eine Ära des Wandels; zu Beginn, im 17. Jahrhundert, war die Reitkunst noch stark eine Gebrauchsreiterei, also stark an den Bedürfnissen der berittenen Kriegsführung und des berittenen Nahkampfes ausgerichtet. Die Ausbildung von Pferd und Reiter war gründlich, hart, langwierig und lebensnotwendig; denn die Auslese auf dem Schlachtfeld war gnadenlos: Wer nicht gut genug war, überlebte nicht.

Wir haben heute nichts Vergleichbares (zum Glück!?) – mit Ausnahme des berittenen Stierkampfes auf der iberischen Halbinsel, wo Pferd und Reiter auch heute noch durch eine ähnlich harte und gründliche Schule gehen.

In den klassischen Reitakademien des Barock lernte die (damals freilich nur männliche) Elite des Adels nicht nur Reiten, sondern auch Fechten, Tanzen, die feinen Künste und Wissenschaften.

Bereits im ausgehenden Barock des 18. Jahrhunderts wurde aus dem einstigen Nahkampf-spezialisten eher ein Repräsentationsobjekt; aber das war es eigentlich zu allen Zeiten und ist es auch heute noch und wieder.

Am barocken Reiten änderte sich dadurch der im wahrsten Sinne des Wortes “lebenswichtige” Zweck der Ausbildung – nämlich auf dem Schlachtfeld zu überleben – nicht, aber die Ausbildung selbst.

Die barocken Reitmeister förderten zuerst Schritt und Trab, daraus dann die Seitengänge, wobei das barocke Schulterherein anders als das moderne auch die Hinterhand übertreten lässt, also auf vier Hufschlägen, um eine sorgfältigere Biegung des Pferdes zu erreichen.
Als nächste Lektion stand die Piaffe auf dem Ausbildungsplan, die in der modernen Dressur mit der Passage den Schlusspunkt der Ausbildung bildet.

Im Barock war die Piaffe eine wichtige Grundlage für die sogenannten “Schulen über der Erden” und die Schulsprünge wie Levade, Pesade, Ballotade, Croupade, Courbette und Kapriole, unabdingbare Lektionen für die Gefechtsreiterei.
Der Galopp wurde erst entwickelt, wenn ein Pferd schon in perfekter Selbsthaltung piaffieren konnte. So schreibt Reitmeister de la Guérinière in seinem vielzitierten Meisterwerk Reitkunst oder Gründliche Anweisung: “Eine Regel, die von allen geschickten Reitern beachtet wird, ist, daß man niemals ein Pferd in Galopp setzen muss, bis es durch den Trab so gelenksam geworden ist, daß es sich von selbst, ohne in die Hand zu drücken oder zu ziehen, zum Galopp zeigt: man muß demnach warten, bis sein ganzer Körper biegsam ist, bis es in der Schule Schulter einwärts seine Schenkel zirkelförmig zu bewegen gelernt hat, bis es der Schule (Lektion) Kruppe an der Mauer den Schenkeln folgt, und bis es durch den stolzen Schritt (Piaffe) an den Pilaren leicht geworden ist.“

Die Pferde wurden generell später und länger ausgebildet (mit 5, 6 oder gar erst 7 Jahren) und lange und viel vom Boden aus gearbeitet; und: die Pferde wurden damals viel älter.
Während heute das statistische Durchschnittsalter des deutschen Reitpferdes bei weniger als 7 Jahren (!!!) liegt, wurden die Pferde damals (trotz Kriegsauslese und mangelnder medizinischer Kenntnisse) nicht selten 40 Jahre und älter. So ritt der preußische König Friedrich der Große in der Schlacht von Mollwitz einen angeblich 40jährigen Hengst (!!!). Das hätte er wohl kaum getan, wenn er hätte befürchten müssen, dass dieser aus Altersschwäche unter ihm zusammenbricht (was er dann jawohl auch nicht tat).

Was ist das, ein “Barockpferd”?
Heute zählen zwar einige bestimmte Rassen (dazu später mehr) zu den Barockpferden, eine bestimmte Rasse ist es aber nicht. Es kommt weniger auf die Rasse an als auf Physis und Psyche an. Ein ideales Barockpferd steht, anders als unsere modernen Sportpferde, eher im Quadrattyp als im Rechteck.
Das zur Zeit im Turniersport dominierenden Warmblüter stammen aus relativ jungen Zuchtlinien der Kavallerie- und/oder Karossierpferden des 19. Jahrhunderts.
Ein Barockpferd sollte einen erhabenen Gang mit viel Schulterfreiheit und sichtbarer Knieaktion aufweisen, Raumgriff ist hier nicht so gefragt wie z.B. beim Sport-Dressurpferd. Hohe Aufrichtung, “runde” Körperpartien, stolzer Ausdruck und möglichst noch viel Behang runden das Bild des Barockpferdes ab.

Auch das Barockpferd war – wie alle Pferde der damaligen Zeit – einmal modernes Kriegsgerät, nur die Kriege waren andere. Hier wurde mit Hieb- und Stichwaffen (also Lanze, Schwert, Axt, Pfeil und Bogen), zumeist im Nahkampf, aufeinander losgegangen. Im Nahkampf braucht man nicht Beschleunigung und Raumgriff, sondern Wendigkeit auf kleinstem Raum; Pferde, die man sprichwörtlich “auf dem Teller” drehen konnte; Pferde, die auf kleinste Hilfen hin flinke Richtungs- und Tempowechsel ausführten; Pferde, die auf allen Beinen gleichermaßen agil waren; die vorne und hinten (je nach Bedarf) steigen und auskeilen konnten, um sich im dicksten Getümmel auch schon mal Raum zu verschaffen. Pferde, die leicht in der Hand waren und nötigenfalls nur auf Gewichtshilfen gelenkt werden konnten; Pferde, die nervenstark, kooperationswillig, feinfühlig und temperamentvoll gleichermaßen waren. Das ist es – das barocke Pferd.

Wie ging das denn nun damals, das “barocke Reiten”?
Der Sitz war tief mit langem Bein, das leger am Pferd herabhing (wobei die Waden den Pferdekörper eher nicht berührten; das ständige “Anticken” des Pferdes mit dem Bein – in der modernen Reitersprache so treffend als “Treiben” bezeichnet, war verpöhnt und bei den fein ausgebildeten Pferden auch unnötig). Geritten wurde zumeist einhändig blank (d.h. die Kandarenzügel einhändig geführt in der linken Hand) oder auch mit Unterlegtrense, wobei die Trensenzügel dann demonstrativ locker durchhingen. In der rechten Hand hielt der Reiter die Weidenrute (den Vorläufer unserer modernen Gerte), allerdings nicht nach unten am Pferdeleib, sondern in die Luft gestreckt – sie sollte möglichst selten zur Anwendung kommen.

Der barocke (wie auch heute noch der gute iberische) Reiter übte sich im versammelten Reiten am losen Zügel. Versammlung ohne Zügel ist nicht möglich? Drücken wir es so aus: Der Reiter soll über den Zügel schon Kontakt mit dem Pferdemaul haben, aber so leicht, dass er nie mehr als das Gewicht seines Zügels in der Hand hält.

In der Gefechtsreiterei hatte man gelernt, Pferde soweit wie möglich mit Gewichtshilfen zu reiten; die kompakten, feinfühligen Quadratpferde des Barock waren darauf trainiert, immer unter den Schwerpunkt des Reiters zu treten. Das erleichterte feinste Manöver auch auf engstem Raum. Im ausgehenden Barock des Reitmeisters Guérinière wurden aus den Gymnastizierungsübungen zum berittenen Kampf zunehmend Kunstfiguren, die ihren gymnastizierenden Charakter aber nie verloren. Der Akademische Reiter des Barock war stets bemüht, Reiter und Pferd an Körper und Geist weiterzubilden.

Es gab gewiss mörderische Gebisse und Kandaren, reichlich schlechte Ausbilder und Reiter und folglich auch viele schlecht gerittene Pferde – also wie heute. Und dennoch: bei den guten Reitern und Pferden war die Harmonie eine andere; denn Ziel war nicht die Jagd nach einem Turniersieg, einem Pokal, einer Schleife. Reiten war Ausdruck einer Lebenseinstellung und edlen Gesinnung; Pferd und Reiter sollten ihren Adel durch Ausdruck und Harmonie der Bewegungen zeigen (oder in der Schlacht durch perfektes Zusammenspiel brillieren).
Erst dann wurde aus bloßem Reiten Reitkunst.

Die “barocke Reitkunst” hatte ausgedient…
Auf den Schlachtfeldern Napoleons und im folgenden Jahrhundert war das kleinere, kompaktere iberische Pferd nicht mehr gefragt. Mischungen aus hochblütigen Pferden und den schweren Landschlägen der jeweiligen Regionen waren zu der Zeit modernes Kriegs- und Transportgerät. Die Stärken lagen in Raumgriff und Vorwärtsdrang, beides Eigenschaften, die vor allem die Kavallerie zu schätzen wußte, wenn es galt, die feindliche Artillerie in wilden Angriffskavalkaden zu überrennen.

Das Barockpferd war ein Statussymbol des Adels; es sollte Adel, Feuer und Temperament ausstrahlen. Beim Kavalleriepferd der großen Reiterschlachten ging es um Kadavergehorsam: Der Adel hatte sich längst auf Kommandoposten am Rande des Schlachtfelds zurückgezogen.

Gut ausgebildete, feinfühlige Pferde waren als Kanonenfutter nicht nützlich (und entschieden zu teuer), dafür aber solche, die im herdentriebartigen Galopp praktisch nicht zu stoppen waren. Hier kam es nicht auf feinste Hilfen, enge Wendungen oder die einhändige Zügelführung des vom Sattel aus kämpfenden Fürsten an; gefragt war einzig Beschleunigung, Raumgriff und Größe. Das “moderne“ Kavalleriepferd hatte das “altmodische“ Barockpferd aus der taktischen Kriegsführung verdrängt.

Fast wäre es der militärischen Modernisierung ganz zum Opfer gefallen, wenn sich nicht in Spanien die Mönche der Cartuja, des Karthäuser-Ordens, dem Edikt Napoleons widersetzt hätten, in alle alten spanischen Blutlinien die “modernen” rechteckigen Vollblüter und Karossiers einzukreuzen. Die Mönche versteckten ihre besten spanischen Zuchthengste und züchteten munter weiter – den “altmodischen” Barocktyp. Die Cartujanos haben letztlich das iberische Pferd in seinem Bestand gerettet und auch solche Blutlinien wieder aufgefrischt, die in den vergangenen zwei Jahrhunderten durch den genetischen Modernisierungswahn der napoleonischen Kavallerie zu sehr verfremdet worden waren. Heute gelten sie als reinste spanische Rasse (P.R.E. = Pura Raza Espanola) überhaupt und tragen den unter Kennern begehrten Kandarenbrand.

Jedoch müssen in diesem Zusammenhang auch die Lipizzaner erwähnt werden, deren fast zerschlagene Zucht überlebt hat und auch die Friesen kann man hier aufzählen, nachdem es sich einige beherzte Züchter der kurz vor dem Aussterben der Rasse zum Ziel machten, die „schwarzen Perlen“ zu erhalten.
Dass wir heute „Barockpferde“ haben in ihrer jetzigen Form ist also, wie so oft, einigen Liebhabern zu verdanken, die uneigennützig ein Kulturgut erhalten wollten – und dessen sollte man sich bewusst sein, wenn diese Rassen heutzutage zu Sportzwecken verändert werden sollen…

Und der Unterschied zur heutigen Dressur, zum Dressurpferd im Sport?
In der modernen Dressur wird zum großen Teil der Sinn und Zweck der dressurmäßigen Übungen aus den Augen verloren und Piaffe, Passage, Galoppwechsel, Traversale etc. zum Selbstzweck erhoben. Dabei war die Dressur (und somit auch die ganze Hohe Schule) zu nichts als zur Gymnastizierung der Pferde gedacht; ein Trainingsprogramm, das aus dem Pferd einen Hochleistungsatlethen machen sollte – kurzum, ein Pferd, das am ganzen Körper so locker, gelöst und muskulös durchtrainiert war, um seinen eigentlichen Aufgaben mit Leichtigkeit und ohne körperlichen oder seelischen Schaden gewachsen zu sein: dem reiterlichen Nahkampf, dem Stierkampf oder auch nur dem machomäßigen Paradieren im Park.

Die “Dressur” war nie Selbstzweck, sondern – anders als heute – stets nur Trainingsmethode.

So wenig sich irgendein Reiter auch nur wünschen könnte, den Grad seiner Ausbildung unter Einsatz seines Lebens testen zu müssen – der heutige Mangel an der offensichtlichen Notwendigkeit, gründlich reiten zu lernen, hat doch letztlich die Reitkunst vielerorten verdorben.

Schon im ausgehenden Barock des 18. Jahrhunderts, als die Reitkunst längst nicht mehr am Kriegshandwerk, sondern eher „pour plaisir“ (also, zum reinen Vergnügen des Adels) betrieben wurde, beklagte der französische Reitmeister François Robichon de la Guérinière allenthalben: „Zu unserer Schande muss man es gestehen, dass die Liebe zu dem wahren Schönen in dieser Kunst in unseren Tagen gar sehr abgenommen hat. Anstatt daß man sich … um die schönsten und schwersten Schulen bemühte … so begnügt man sich gegenwärtig mit einer gar zu nachlässigen Ausübung.“

Machen Barock-Turniere Sinn?
Wer will es wagen, “Kunst” zu bewerten?
Wenn die Jagd nach Pokalen und Siegen die Reitkunst verdirbt, warum dann Turniere für Barockpferde oder barockes Reiten? Wenn wir die jetzt aus dem Boden sprießenden Barockturniere mit Reglements ersticken, in Kleider- und Ausrüstungsordnungen einschnüren und im (allzu deutschen) Bestreben nach Einheitszwang vergraben, dann sind Barockturniere in der Tat überflüssig.
Aber genau das ist im Ansatz schon passiert: Da gibt es iberische Turniere, wo man sturheil nur im spanischen oder deutschen Turnierfrack erscheinen darf; Barockturniere, in denen der Dreispitz zur Uniform wird und, und, und…
Nun, das soll es natürlich nicht sein.

Warum sollten nicht auch Reiter, die es sich zur (Lebens-)Aufgabe gemacht haben, ein Pferd sauber und gründlich nach der klassischen Lehre auszubilden, sich im Wettkampf messen dürfen? Warum sollte ihnen die Chance nicht gegeben werden, sich einem Urteil zu stellen um, unabhängig von ihrem Ausbilder, Stellungnahme und Hilfe zur geleisteten und zur weiteren Arbeit zu erhalten? Und vor allem – warum sollte es dem interessierten Publikum verwehrt bleiben, durch das Zuschauen nicht nur den Anblick zu genießen, sondern auch lernen zu können?

Dies alles gelingt nur durch das Öffentlichmachen der “barocken Reitkunst”, die jedoch dann auch als solche gesehen und ausgeübt werden sollte. Somit sollte mit dem Begriff “Barockkür” auf Breitensportturnieren vorsichtig umgegangen werden, auch mit der Zulassung bestimmter Pferderassen. Das alleinige Anziehen eines schicken Kostüms hat – ebenso wie eine (noch so gut gerittene) Kür auf blanker Kandare (womöglich noch beidhändig) nichts mit Barockreiten zu tun.

Dies erklärt auch, wie schwer solche Prüfungen zu richten sind.
Bislang sind (noch) nur sehr wenige Richter (die meist keine Richterprüfung der FN besitzen, sondern sich in langen Jahren Kenntnisse über die Grundlagen und Lektionen der barocken Reitkunst angeeignet haben). Der Mitteltrab eines Barockpferdes kann ganz anders aussehen als der eines deutschen Warmblüters – die Piaffe allerdings auch.
Am höchsten bewertet muss in einer Prüfung, die sich mit dem Titel “Barock-Kür” schmückt, die zufriedene, pure Freude ausstrahlende Harmonie zwischen Reiter und Pferd, das willige und leichte Ausführen (schwerer) Lektionen, die zur barocken Reitkunst gehören bei leichtester Anlehnung und (fast) unsichtbarer Hilfengebung.

Die barocke Reitkunst muss in Pferd und Reiter schon vorhanden sein – das Kostüm hilft nur, sich und den Zuschauer in eine Zeit zurückversetzen zu lassen, die wir durch das Erhalten der “barocken Reitkunst” weiterleben lassen wollen!

So konstatierte schon der französische Reitmeister Antoine de Pluvinel anno 1624 in seinem Standardwerk “L’Instruction du Roy”, den niedergeschriebenen Reitanweisungen an seinen Schüler, den damaligen König von Frankreich: „Die zierlichen Gebärden eines Reiters sollten sich vornehmlich in der Freiheit des Gesichtes und des ganzen Leibes zeigen. Denn derjenige, der ein anmutig und fröhlich Gesicht hat, darf sich oft mehr sehen lassen und vergnügt, die ihn so ansehen, weit mehr als ein anderer, der viel besser reiten kann, aber diese Fröhlichkeit nicht hat.“

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Auf meine vielen Fragen bekam ich von Christin Krischke (Fürstliche Reitschule Bückeburg – die „Tjoster“), diese hochinteressanten Antworten (an dieser Stelle noch einmal 1000 Dank für den herzlichen Kontakt!), sie formuliert es so – erst einmal

Die Zeiten:

RENAISSANCE ist das ausgehende Mittelalter, je nach Kultur des Landes verschiebt sich das etwas in Europa. Italien und Frankreich hatten ihre Renaissance früher (1450-1600) als wir (1500-1680). Unser Marstall und Reithaus in Bückeburg sind Renaissancebauten von 1608!
Reitmeister wirkten ja immer schon weit vor dem Erscheinungsdatum ihrer Bücher, also ist Pluvinel (1650 Frankreich) noch ein echter Renaissance-Reiter, Löhneysen (1608 Braunschweig) ebenso.
Feldübungen mit den Pferden, Passaden, Pirouetten und immer wieder Carrieren sind typisch. Arbeit an einem Pilar, später (Pluvinel) auch an zweien.
Viel Traversverschiebungen; rasantes, wendiges Reiten zum Zwecke der Waffengänge; Schulsprünge als Königsdisziplin. Ganz wichtig: Tummeln, Sarabande, Mezair, Courbette, Terre à Terre für das Fechten.

BAROCK nannte man die Epoche von 1600 bis 1750 wegen der zuvor unbekannten exzentrischen Verzierungen in Musik, Dichtung und bildender Kunst. Der ausgerufene Hohepriester der Reitkunst Francois Robichon de la Guérinière (1688-1751) beschreibt die gewachsene Reitkunst des Hoch- und Spätbarock. Erste Erwähnung der Piaffe als Lektion, Schulterherein als Übung „für und wider alles“, Arbeit in der Reitbahn, kunstvolles, sehr sorgfältiges Reiten, Erwähnung der Turniere als „damals“ und Sarabande bewundert er zwar, beschreibt sie aber in der Vergangenheit. Das Tummeln verliert sich.

DieKLASSIK währte von 1760 bis 1810. Das Erscheinungsdatum seines Buchs in Deutschland (1791) fiel in die Klassik. Das Tummeln gerät in Vergessenheit. Die Pferde werden kräftig überbogen (Ridingers Stiche zeigen einseitige Schlaufen auf dem Cavecon), Passage und Piaffe, Schulsprünge „um ihrer Selbst willen“. Frz. Revolution macht die Reiterei für die Bürgerlichen zugänglich, Ansprüche flachen ab. Freizeitreiten (Jagd) und Kavalleriereiten verschieben die Schönheitsideale.

19. Jahrhundert,ROMANTIK, Niedergang des Mäzentums (Sponsoring der Künste) des Adels. Jagdreiten und Kavallerieausbildung ersetzen Reitkunst. Die Anforderungen ändern sich. Hohe Offizieren versuchen mit veränderten Pferden die Reitkunst zu rekonstruieren. Francois Baucher (der Verbiegekünstler) erfindet mechanische Dehnübungen zum Gängigmachen ungeeigneter Pferde für Lektionen der Hohen Schule. Schulsprünge mit Vollblütern, andere Sehgewohnheiten. Galoppwechsel in Serie werden als Kunstgangart formuliert, Spanischer Galopp, Dreibeingalopp und ähnliche Kuriositäten im Zirkus als Reitkunst etabliert.

Die „Reitweisen“ werden so beschrieben:

AKADEMISCHE REITKUNST (Wortschöpfung von Bent Branderup)
Wie Zalis „Reiten für Gebildete“ – ist ein tolles Buch nebenbei gesagt, zielt es ab darauf, dass man Nachdenken muss beim Reiten und nie auslernt. Ist ein philosophischer Ansatz.

KLASSISCHE REITKUNST – Reitkunst ohne Tummeln auf „nicht barocken Pferden“ (Warmblüter, Vollblüter); Serienwechsel, Gangverstärkungen, Anspruch zur Nutzung als Campagnepferd – Jagd – Kavallerie, „Einhändig nur für die Reitpäpste“

BAROCKE REITKUNST – Reitkunst auf möglichst „barocken Pferden“, hohe Versammlung, Piaffe, Passage, kultviertes Mezair, Schulsprünge ohne „Nutzungsanspruch“, nur schön aussehen, einhändiges Reiten, durch aufgerichtete Gerte verdeutlicht, ist das Ideal. Auch Reiten im Damensattel.

RENAISSANCE-REITEN – Reitkunst, hohe Versammlung, Tummeln, Carriere, Falkade, Terre á Terre, Mezair etc.; Schulung auf einhändiges Reiten wg. der Waffenhandhabung, Waffengänge, Schulsprünge als Krone der Ausbildungskunst.

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