Zähmung

Natürlich wünschen sich viele einen zahmen Vogel. Und dafür werden manchen Vögeln Dinge angetan, die durch nichts zu rechtfertigen sind – schon gar nicht durch den egoistischen menschlichen Wunsch, dass sich der Vogel dem Menschen anschließt.
Meines Erachtens sollte der Vogel immer die Wahl haben, welchem Menschen er sich anschließen möchte – und ob überhaupt.
Bei allen Arten gibt es scheue und zutrauliche. Ja, es gibt Arten, die leichter zu zähmen sind, aber nach meinen langjährigen Erfahrungen mit so vielen Arten bin ich inzwischen überzeugt davon, dass manche Vögel – unabhängig von ihrer Art – den Kontakt zum Menschen eher suchen, während andere ihn eher meiden.
Um so ehrlicher ist eine Zahmheit, wenn sie auch im Schwarm bestehen bleibt und auch dann, wenn der Vogel jederzeit ausweichen kann. Das ist die einzige Zahmheit, die mir wirklich Spaß macht, weil sie vom Vogel ausgeht.

Die, die den Kontakt nicht suchen, lasse ich in Ruhe, hier wird keiner gezwungen. Dennoch versuche ich, meinen Vögeln so viel Vertrauen und Sicherheit wie möglich in meiner Nähe zu geben, weil es immer den Fall geben kann, dass ein Vogel zum Tierarzt muss oder ähnliches, und wenn dann die menschliche Nähe purer Stress und Panik bedeutet, ist das für alle Beteiligten nicht schön. Deshalb versuche ich, allen meinen Vögeln Vertrauen zu meinen Bewegungen und zu meiner Hand zu vermitteln. Hierfür reicht es mir vollkommen, wenn sie „futterzahm“ sind, das heißt, wenn sie auf Arm oder Hand kommen, um sich dort einen Leckerbissen abzuholen.

Idealerweise gibt es einen „Lockvogel“, also einen so weit zahmen bzw. mutigen Vogel, der sich Futter aus der Hand holt, damit die anderen das sehen und ihre Scheu verlieren können.
Normales Futter gibt es rund um die Uhr, so dass kein Vogel aus purem Hunger auf die Hand kommt. In der Hand ist dann eben etwas besonderes, zum Beispiel Kolbenhirse. Und dann heißt es, (seeeeehr) geduldig warten und möglichst still bleiben dabei. Und sich nicht entmutigen lassen!

Hier mal ein paar Beispiele der verschiedenen Arten:

Wellensittiche
Ich hatte inzwischen in meinem Leben fast 50 Wellensittiche. Hätte ich mich bei allen um Zahmheit bemüht, wäre der Anteil der zahmen vermutlich ziemlich hoch gewesen, denn Wellis gelten allgemein als recht leicht zu zähmen. Ich ließ ihnen aber immer die individuelle Distanz, die sie halten wollten, und so war, grob geschätzt, ein Viertel von ihnen mehr oder weniger zahm. Ein paar waren sehr zahm – also nicht nur futterzahm, sondern mit echtem Wohlfühlfaktor auf der Hand bzw. in menschlicher Nähe. So wie unser Putzi 1978 – der saß auch beim Frühstück dabei und nagte an meinem Brot herum.

Zahm waren natürlich alle meine „Fußgänger“, die aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr fliegen konnten. Diese Vögel suchen häufig wirklich Kontakt zum Menschen, weil sie hier natürlich Hilfe bekommen – ich trug meine von A nach B und wohin sie wollten und nahm die flugunfähigen auch mit in den Garten.

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Nymphensittiche
Als der 17jährige Nymphensittich Grizaj zu mir kam, hieß es, er sei nie zahm gewesen und konnte nach Freiflug nur eingefangen werden, indem ein Handtuch über ihn geworfen wurde. Oh je…
Grizaj gehört zu denen, die von sich aus Kontakt suchen. Er liebt Hirse und traute sich relativ schnell, die aus der Hand zu fressen, nach wenigen Tagen traute er sich dann auch, auf die Hand zu fliegen und dort zu fressen. Ich war sehr glücklich, dass dieser ja nun schon wirklich nicht mehr junge Vogel so schnell so viel Nähe zuließ.
Er überzeugte auch relativ schnell den noch sehr jungen Macchiato davon, dass Hirse aus der Hand kein Problem darstellt.

Grizaj lässt mich auch mit dem Gesicht sehr nah an sich heran und dann singen wir zusammen. Ich ahme seinen Gesang nach und machmal balzt er mich dann regelrecht an – mit Kopfdrehung und immer mehr Gesang.
Zu süß und immer wieder schön!

Meine anderen Nymphies suchen keinen Kontakt und halten eher Distanz. Hirse auf der Hand ist zwar die Riesen-Verlockung, reicht aber nicht bei allen, um die Scheu zu überwinden – völlig unabhängig von Alter oder Vorgeschichte sind sie extrem unterschiedlich, was für mich wieder bestätigt, dass Zahmheit einfach zu einem großen Teil vom Vogel ausgeht (ausgehen sollte) und nicht unbedingt mit der Art zu tun hat, denn es gibt ja wirklich extrem zahme Nymphensittiche.

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Schönsittiche
Unsere Kiki damals (vor 40 Jahren) war flugunfähig und dadurch natürlich sehr zahm. Mit Schönsittichen kam ich dann erst 2013 wieder in Berührung. 
Als bei mir 2016 zum ersten Mal ein Küken schlüpfte, lernte dieses natürlich noch an meinen Fingern klettern und machte hier die ersten Flugübungen. Ich genoss diese kurze Zeit sehr und hoffte, dieser kleine Schönsittich möge zahm bleiben. Aber nichts da – obwohl mit Bezug zur Hand aufgewachsen, kam Tarjous ab der Sekunde nicht mehr in die Nähe einer Hand, sobald das Fliegen funktionierte. Das war in ihrer 6. Woche. Sie suchte den Kontakt von sich aus also überhaupt nicht. Keiner meiner Schönsittiche (mit ihr bislang fünf) suchte Menschenkontakt.

Als ich Cachucha kaufte, saß sie einmal eine Weile auf meiner Hand, bevor ich sie aus dem Transportkäfig in die Voliere entließ. Das hinterließ bei ihr aber keinen bleibenden Eindruck, sie ging danach sofort auf Distanz. Aber immerhin – diesen Moment suche ich bei möglichst allen, die neu zu mir kommen. Ich halte den Arm einfach so lange ruhig hin, bis sie per Zufall einmal drauf sitzen. Dann dürfen sie über die Hand aus dem Transportkäfig klettern – und ab dann das Maß von Nähe selbst entscheiden.

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Bourkesittiche
Ganz anders die beiden Küken, die im März 2020 hier schlüpften. Diese beiden Bourkesittiche wuchsen auch mit Kontakt zur Hand auf, ließen sich streicheln und genossen die Wärme. Ganz viele Bilder zu den beiden gibt es unter Meine Küken.
Diese beiden blieben – und bleiben hoffentlich!! – zahm (sie sind, während ich das schreibe, 11 Wochen alt), sie kommen manchmal von selbst auf Hand, Kopf oder Schulter geflogen, lassen sich noch immer den Rücken streicheln, suchen oft den Kontakt und sind sehr verspielt.

Der Vater der beiden kam mir immer schon mal von sich aus auf den Kopf geflogen, auf die Hand kommt er, wenn es etwas Grünes gibt – die Bourkis sind kolossal scharf auf alles grasartige. Er wurde durch die Küken nochmal deutlich zutraulicher, als er ständig sah, dass die beiden immer irgendwo auf mir sitzen. Seitdem habe ich ihn auch immer auf dem Kopf, auf dem Rücken…
Ihre Mutter war zuvor überhaupt nicht zahm, ließ sich aber während des Brütens Futter hinlegen und dabei berühren. Außerhalb des Brütens sucht sie keinen Kontakt, lässt sich aber inzwischen auch mal mitreißen, wenn sie sieht, dass der Papa oder die Kinder auf mir herumturnen.

Die drei – Papa und die Kids – sind meine derzeit zahmsten Vögel, und es ist natürlich enorm hilfreich, dass die anderen sehen, mit welcher Selbstverständlichkeit die drei auf mir herumturnen.

Ich habe aber noch einen fünften Bourki, einen 8jährigen Hahn, der seit 7 Jahren bei mir ist, und er suchte lange keinen Kontakt. Er haut nicht panisch ab und ist in meiner Nähe sehr entspannt, aber er hält eine bestimmte Distanz. Erst im Frühjahr / Sommer 2020, als ich allmorgendlich mit der Obstschale auf dem Schoß in der Voliere saß, kam auch er mal auf den Arm geflogen. Das machte er nach kurzer Zeit recht lässig, aber auch nicht jeden Tag. Wenn einem diese Zahmheit reicht, würde ich die Bourkis schon als relativ leicht zähmbar bezeichnen.

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Glanzsittiche
Bei mir leben ein Hahn und eine Henne. Große Zahmheit sagt man ihnen nicht nach, und tatsächlich hält der Hahn auch bewusst Distanz, kommt aber schon mal vorsichtig in die Obstschale, die ich jetzt, wo die Tage wärmer werden, morgens eine halbe Stunde auf meinen Beinen stehen habe, um die Vögel, die morgens so heiß auf den ersten Obstsalat sind, in meine Nähe zu holen. Wer will kann kommen, wer nicht will, bekommt halt erst später was. Darauf lässt sich mein schöner Blauer sehr vorsichtig ein und so hat er auch schon einmal meine Hand berührt.

Als seine Partnerin starb, holte ich für ihn eine zweijährige Henne, die ohne viel Menschenkontakt bei einem Züchter lebte. Der hatte nicht erkannt, was mir nach zwei Minuten klar war – die Kleine ist nahezu blind. Ich wusste es nicht, als ich sie aus der Transportkiste holte (in Corona-Zeiten hatte ich sie mir per Tiertransport liefern lassen, ohne sie vorher „in echt“ gesehen zu haben), wunderte mich nur, dass sie so gar keine Anstalten machte, von selbst aus der Kiste zu kommen. Sie ließ sich schließlich mit der Hand herausnehmen und da fielen mir ihre grauen, leeren Pupillen auf.
Lōua ließ sich anfangs also auf die Hand nehmen, was ich in den kommenden Tagen täglich übte, damit es nicht verloren ging, je mehr sie mit der Umgebung vertraut wurde – und sie fand sich hier unglaublich schnell zurecht und hielt den Finger natürlich nicht mehr für nötig.
Sie ist erst kurze Zeit hier, wird aber wohl soweit zahm bleiben, da sie es phasenweise wirklich zu genießen scheint, auf dem warmen, weichen Finger zu sitzen. Aber sie bestimmt die Dauer des Genusses 🙂

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Hoodedsittiche
Diese seltenen und extrem reaktionsschnellen Sittiche würde wohl kaum jemand als „leicht zähmbar“ bezeichnen. Ich auch nicht, und so dachte ich bei dem ersten Paar, das ich mir kaufte, auch überhaupt nicht darüber nach, da sie von sich aus extreme Distanz zum Menschen hielten.
Der Hahn starb, und die 7jährige Henne war alleine. Sie rief und rief und ich suchte verzweifelt nach einem neuen Hahn, was sich echt schwierig gestaltete, fand ihn aber schließlich. Das Glück währte nicht lange – er ging nach 10 Tagen ein. Und wieder trauerte und rief meine arme Henne, während ich wie verrückt suchte. Ich ahmte ihren Ruf nach, schließlich riefen wir uns gegenseitig und dann fing sie an, mich gezielt zu rufen, wenn sie mich sah oder hörte. An direkten Kontakt war noch nicht zu denken, aber wir „unterhielten“ uns.
Ich fand drei junge Geschwister und nahm alle drei, da die Geschlechter noch nicht erkennbar waren. Mit denen konnte sie überhaupt nichts anfangen und nun fing sie an, von sich aus deutlich Kontakt zu mir zu suchen. Niemals zur Hand, aber sie forderte regelrecht ein, dass ich ihr das Gesicht hin hielt, und sie knabberte dann an Nase und Lippen.

Schließlich konnte ich den Vater der drei Geschwister übernehmen und kaufte ihn natürlich sofort. Die beiden interessieren sich bloß leider nicht füreinander, Colette sucht weiterhin regelmäßig Kontakt zu mir.
Seit Kurzem hatte ich ja nun begonnen, morgens die Obstschale auf meinen Schoß zu stellen und einfach eine halbe Stunde zu warten, wer sich so nah rantraut, um sich etwas zu holen. Da landete Colette dann auch schon mal auf meinem Arm, bekam dann aber Angst vor der eigenen Courage und haute wieder ab. Der junge Wind erwies sich schnell als der mutigste des Jungvolks und zog die anderen dadurch natürlich mit, so dass schon am zweiten Tag alle Hoodies zu der Obstschale auf meinen Beinen kamen. Dies kann also eine ziemlich ideale Art sein, auch die „schwer zugänglichen“ zu zähmen bzw. zumindest ihnen ein bisschen Vetrauen zur menschlichen Nähe zu geben. Vater Zafir und Sohn Fire schickten sich, ohne es wirklich zu merken, über meine Hand hin und her. Ich muss allerdings wirklich erstarren und die Atmung einstellen, so lange die Hoodies da sind. Bei der kleinsten Bewegung sind sie weg – noch. Ich denke, das entspannt sich, wir haben ja den ganzen Sommer Zeit!

Wind landete sogar einmal auf der Hand, in der die eigentlich für Ziegensittich Jinda bestimmte Himbeere lag. Die interessierte ihn überhaupt nicht, er tapste eine Weile auf den Fingern herum und flog dann zur Obstschale.
Das sind die Momente, die wirklich glücklich machen – diese scheuen Vögel kommen in dem Wissen, jederzeit weg zu können. Mal sehen, wie viel Nähe sie mit der Zeit zulassen, aber diese noch ganz taufrischen Anfänge sind schon mal einfach toll!

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Ziegensittiche
Die Himbeere war, wie gesagt, für Jinda bestimmt. Sie habe ich aus einem Jahr reiner Wohnungshaltung übernommen, in der auf Kontakt offenbar kein Wert gelegt wurde. Sie und ihr Partnervogel hatten Angst vor der Hand und hielten Abstand zum Menschen.
Jinda ist unglaublich agil und ständig in Bewegung. Aber auch neugierig, wie wohl so ziemlich alle Ziegensittiche. Sie liebt Himbeeren, und so hielt ich, während die Obstschale auf meinen Beinen stand, daneben eine Himbeere gut sichtbar hin und wartete. Tatsächlich holte sie sich die Himbeere nach reiflicher Überlegung gleich am ersten Tag, am zweiten Tag ließ sie sich schon etwas mehr Zeit auf der Hand. Hätte man das mit ihr von Anfang an gemacht, wäre sie eine von den ganz zahmen. Aber auch so sehe ich da eine große Chance, dass sie ihre Scheu vor dem Menschen und ihre Angst vor der Hand weitgehend ablegt.
Zwei Wochen später blieb sie auch mal auf der Hand sitzen und naschte die Himbeere dort. Gänseblümchen findet sie auch total klasse, auch dafür kommt sie zur Hand geflogen.

Die drei Ziegensittiche, die ich früher hatte, waren ähnlich aktiv und neugierig, aber auch überhaupt nicht zahm. Sonrisa ließ sich mal dazu hinreißen, Sonnenblumenkerne aus der Hand zu nehmen.

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Sperlingspapageien
Sonnenblumenkerne sind – neben Hirse – für die meisten Vögel auch ein großer Anreiz, auf die Hand zu kommen!
So auch für meinen kleinen Sperling Qasir, der erst 13jährig aus dem Tierheim zu mir kam. 
Für Hirse kam er von Anfang an auf die Hand, etwas später knabberte er an Lippen und Haaren. Ihm war anzumerken, dass er guten Kontakt zum Menschen gehabt hatte (er sollte zuvor lange Zeit bei einer älteren Dame gelebt haben), er ahmt sogar teilweise Schnalz- und Küsschengeräusche nach und sucht zwischendurch wirklich Kontakt.
Ich fand eine tatsächlich nahezu gleichaltrige Henne für ihn, die die letzten 6 Jahre Wohnungsvogel mit Partner war, aber hier offenbar genügend Gründe kennengelernt hatte, von Menschen Abstand zu halten.
Das tut sie auch weiterhin, an sie ist kein Rankommen. Bei diesen beiden scheint die Vorgeschichte also eine große Rolle zu spielen. Und der Tierheim-Vogel ist der deutlich zutraulichere als der aus Privathand, also auch hier darf man nicht pauschalisieren!
Qasir ist inzwischen so zahm, dass er meine Haare zerwühlt, an Lippen und Ohren knabbert und auf Zuruf angeflogen kommt. Er ist phasenweise regelrecht aufdringlich und frech. Und man sollte diese kleinen Schnäbel nicht unterschätzen! 

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Greifvögel
Ich hatte schon mehrfach die Gelegenheit, Greifvögel auf dem Arm zu haben. Dies sind natürlich in menschlicher Obhut gehaltene Vögel, die aber dennoch Freiflug genießen – also wirklichen Freiflug, draußen, über Kilometer. Sie haben so viel Bezug zu ihrem Menschen, dass sie zurück kommen. Wollen sie das nicht, haben sie die Chance, in Freiheit zu bleiben – und manche tun das auch. Die, die ich kennengelernt habe, waren mit so liebevollem Menschenkontakt aufgewachsen, dass sie auch den Kontakt zu wildfremden Menschen genießen konnten.
Was für ein großartiges Erlebnis, diese Vögel so nahe bei sich zu haben!


Kordillerenadler (Aguja) „Azul“


Harris Hawk „Lancelot“


Afrikanischer Flecken-Uhu „Shari“

Mehr Begegnungen mit Greifvögeln und Eulen sind hier zu sehen.

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Wildvögel
Unsere draußen lebenden Gartenvögel sollen natürlich überhaupt nicht zahm sein. Aber es gibt Momente, da kann man sie berühren, wobei das leider meistens heißt, dass ihnen irgend etwas passiert ist und sie im Zweifel gerade dabei sind, ihr Leben auszuhauchen. Wirklich zahme Wildvögel haben in der Natur meist keine guten Überlebenschancen.
Dennoch gibt es auch Wildvögel, die durchaus Kontakt zum Menschen suchen. Bei uns suchte im Frühjahr 2020 ein Rotkehlchen immer wieder Kontakt zu uns. Es folgte mir eines Tages ins Wohnzimmer, flog da entspannt ein paar Runden, fand dann aber auch wieder raus.
Kurz darauf sah ich im Garten ein zweites Rotkehlchen und freue mich nun, dass unser Kleines jetzt offenbar mit der Familienplanung beschäftigt ist 🙂

Ich hatte einmal eine Singdrossel im Wohnzimmer, die versehentlich durch die Terrassentür hereingeflogen war und nun etwas verwirrt unter dem Tisch saß und nicht wusste, wohin mit sich. Ich machte die Tür weit auf und bei dem Versuch, sie behutsam in Richtung Tür zu bugsieren, ließ sie sich mehrfach berühren. Sie fand schließlich wieder nach draußen.

Eine Amsel, die gegen unsere Scheibe geflogen war, konnte ich nach ein paar Stunden wieder in die Freiheit entlassen – und damit war erst nicht zu rechnen, sie war völlig benommen. Etwas Wasser und Wärme taten ihr aber gut, und sie erholte sich zum Glück.

Leider nur eine Nacht lang beherbergte ich eine Kohlmeise, die zuvor bei Eiseskälte vehement Einlass begehrte – sie machte an der Fensterscheibe mit massivem Klopfen auf sich aufmerksam. Sie fand sich im Haus sofort zurecht, wärmte sich am Deckenfluter auf, nahm das Futter, dass ich ihr hinstellte, und sah mit mir fern. Sie machte überhaupt keine Anstalten, wieder nach draußen zu wollen und schien Menschenkontakt zu kennen.
Der Verdacht, dass sie in Menschenhand groß geworden war, erhärtete sich, als ich ins Bett wollte und oben Licht anmachte. Sie flog mir einfach so voraus und suchte sich oben einen Schlafplatz.
Morgens hatte ich nicht viel Zeit und fand sie nicht – aber mittags, als ich zurück kam. Ich fand sie leider tot und das nahm mich wirklich mit.
Wenn sie wirklich in Menschenhand groß geworden war, war sie der Dezemberkälte draußen im Zweifel nicht gewachsen, und ich wusste ja auch nicht, wie lange sie schon draußen war und verzweifelt an verschiedene Fensterscheiben geklopft hatte. 
Ich hatte mich so auf mehr Zeit mit ihr gefreut, aber es war uns nicht vergönnt.

Etwas ganz Besonderes war mein kleiner Spatz, der mit ca. 10 Tagen aus dem Nest gefallen war und hier, in direkter Nähe zu Hunden und Katzen, keine Chance gehabt hätte. Ich päppelte ihn auf und erlebte mit großer Freude sein Heranwachsen. Drei Wochen schafften wir, dann lag er völlig unerwartet plötzlich morgens tot am Boden. Meine Tierärztin hatte mich vorgewarnt, dass es vier von fünf nicht schaffen, und ich hatte so gehofft, dass er „ein Fünfter“ war… Leider nicht. Aber diese drei Wochen waren beeindruckend.

Etwas Besonderes war natürlich auch der Moment, in dem ich ein Grünfinken-Pärchen auf der Hand haben durfte. Wobei der Moment selbst gar nicht witzig war – die beiden waren zuvor gemeinschaftlich mit Tempo gegen unsere Wohnzimmerscheibe geknallt und lagen nun japsend und zappelnd auf der Terrasse. Es wirkte unwahrscheinlich, dass die beiden überleben würden. Ich nahm sie auf die Hand, pustete sie an, wärmte sie und ließ Energie durch die Hände fließen.
Sie kamen, als sie sich schließlich etwas mehr bewegten, in einen Käfig zur Beobachtung, und als sich beide tatsächlich so weit erholt hatten, dass sie wieder flatterten und auf einer Stange sitzen konnten, wurden sie in die Freiheit entlassen.
Ich bin meinem Mann sehr dankbar, dass er diesen Moment festgehalten hat. Hätten die beiden nicht überlebt, hätte ich keine Freude an dem Bild – so aber natürlich schon!

Und das hier war zwar nicht meine Gans, aber es war ein tolles Gefühl, dieses „Küken“ einmal auf dem Arm zu haben. Da schon ganz schön schwer! Sie lebte leider nur bis kurz vor Weihnachten, hatte bis dahin aber wenigstens ein schönes Leben draußen unter Artgenossen.
Und selbstverständlich stand sie nicht auf meinem Weihnachtstisch.

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