Am 16. Juni fand in Fuhrberg das von Richard Hinrichs geleitete Seminar
Geraderichten durch gymnastizierende Übungen für Pferd und Reiter
statt. Insbesondere das „für Reiter“ wurde auch ernst genommen, so durften die Teilnehmer an geleiteter Gymnastik teilnehmen, deren Übungen durchaus vor dem Reiten mit dem Pferd an der Hand durchführbar sind.
Der fünfjährige Hannoveraner Herzensbrecher wurde als erstes Pferd von Irene Raab-Hinrichs unter dem Sattel vorgestellt und hier waren gegenüber seinem Auftritt beim letzten Seminar im Mai schon deutliche Fortschritte zu sehen, insbesondere was die Ruhe der Maul-Halspartie und die Galoppade anging.
Bei ihm ging es um den Umgang mit der natürlichen Schiefe und um typische Stellungsschwierigkeiten beim jungen Pferd.
Ein Satz kehrte immer wieder, den Richard Hinrichs von Egon von Neindorff früher oft zu hören bekam: „Erst richten wir gerade und dann reiten wir alles, was wir wollen.“
Er wies auf die Unterschiede in der Literatur und in Überlieferungen hin und ist inzwischen dazu übergegangen, in ihnen die Gemeinsamkeiten zu suchen – und zu finden.
So sieht er „calme, en avant, droit“ (ruhig, vorwärts, gerade) keineswegs als Widerspruch zum allgemein bekannten „Reite Dein Pferd vorwärts und richte es gerade“.
In der Ausbildungsskala der FN kommt Schwung vor Geraderichtung – „wie beim Segeln – wer die Richtung bestimmen will, muss erstmal Fahrt aufnehmen“.
Herzensbrecher trug auf der linken Hand den Schweif vermehrt nach links und auf der rechten Hand gerade, was für eine hohle rechte Seite spricht (aber natürlich auch für schwerwiegendere Dinge, die behandelt werden müssen). Die hohle Seite sei jedoch durchaus veränderbar, so passen sich die meisten Pferde mit den Jahren der Schiefe ihrer Reiter an.
Ein links hohles Pferd z. B. legt den linken Reiterschenkel nach vorn, der Reiter ist hier also in der Verantwortung, bewusst seinen rechten Schenkel vorn zu lassen.
Hinrichs plädierte für kurze Reprisen auf der dem jungen Pferd unangenehmen Hand und für längere auf der angenehmen Hand, um keine Widersetzlichkeiten oder Abneigungen herauf zu beschwören. Das Pferd muss sich vorrangig wohl fühlen und die Arbeit gerne machen! „Trotzdem“ ist kein sachliches Argument…
Danach zeigte Denise Reumschüssel den erst seit 14 Tagen hier beheimateten Lusitano Chingoa, ein 5jähriger mit großer innerer Ruhe und sichtbarer Tendenz zum Stehenbleiben bei jeglicher Gleichgewichtsveränderung. Wo andere Jungpferde ihr Heil in der Flucht suchen, bleibt er lieber stehen, suchte dann aber stets mit vertrauensvollem Blick nach der Antwort auf seine Frage.
Linda Plappert stellte ihren 4jährigen Friesen erst an der Hand, vorwiegend im Schulterherein, vor. Yke sah nun wahrlich jung und unbedarft aus, noch wenig bemuskelt, schon sehr diszipliniert und auch er ausgesprochen vertrauensvoll gegenüber seiner Ausbilderin. Das Bild des „Schmalhannes“ änderte sich von Runde zu Runde, nachdem Linda aufgesessen war. Das war Reiten eines jungen Pferdes, wie es schöner kaum sein kann! Das Pferd wurde in jeder Phase begleitet, immer wurde ihm Hilfestellung angeboten, ohne in irgendeiner Form bremsend oder beengend zu wirken, das Pferd wurde mit jeder Runde schöner, größer, voluminöser. Eine ganz großartige Vorstellung dieser beiden!
„Immer auf die Priorität achten – nicht an den Blumen fressen lassen!“
„Erst Kultur, dann Kondition. Muskelaufbau steht beim jungen Pferd nicht im Vordergrund. Keine Kraft gegen den Reiter aufbauen!“
„Viele arbeiten gegen den Hafer an, den sie dem Pferd wohlmeinend geben…“
„Die Pferde brauchen weniger Kondition, mehr Verständnis für die Lektion. Sie sollen den Eindruck haben, die Lektion sei nicht anspruchsvoll. So arbeiten, dass die Pferde mit sich und der Welt im Reinen sind.“
Nun kamen zwei etwas ältere und auch bereits deutlich „modelliertere“ Pferde in die Bahn: der 6jährige Friese Mr. Darcy unter Irene Raab-Hinrichs und der 8jährige P.R.E. Fabuloso unter Denise Reumschüssel. Zeigte Mr. Darcy bereits eine hohe Versammlungsbereitschaft incl. wunderbar gesetzter, aktiver Piaffen, so ging es bei Fabuloso hauptsächlich um die Geraderichtung im Galopp und um Möglichkeiten, wie der Tendenz des Pferdes, die Kruppe hereinzunehmen, begegnet werden kann.
„Ecke eckig reiten!“ (Kruppe raus!)
„Zug am linken Zügel = Kruppe weicht nach rechts. Blockiert die inneren Beine, die äußeren sind frei. Die Kruppe geht zum Ruck und weicht dem Zug.“
„Immer wieder die Ansätze. Das fördert Kraft, dadurch Vertrauen zu längeren Reprisen (und Kondition…)“
Julia Karsupke war mit ihrer 19jährigen Scheckstute Cathleen angereist. Sie stellte ihre extrem vertrauensvolle, schöne Stute gebisslos und später auch mit Halsring und in der Freiheitsdressur vor. Hier ging es nun an den Reiter: Julia wurde gefilmt und konnte im Anschluss ihre Einwirkung im Schulterherein beobachten und direkt verändern, was sofort eine Veränderung im Gangbild der Stute bewirkte und sehr deutlich machte, wie viel Einfluss kleine Sitzveränderungen haben. In der Freiarbeit wurde durch ein deutliches inneres Bild der Linksgalopp massiv verbessert.
Insbesondere wurde „die Reiterschulter parallel zur Pferdeschulter“ unter die Lupe genommen – sofern der Reiter das tut, kommt es nie zu einem Richtungswechsel…
„Ich schließe aus „Fehlverhalten“ meines Pferdes erst einmal auf meine eigene reiterliche Unzulänglichkeit.“
„Den Blick in eine andere Richtung als die Schulter gehen zu lassen wirkt unentspannt“ (im Schulterherein schauen die meisten in die kommende Ecke, lieber den Blick zwischen den Schultern weich nach innen gehen lassen)
„Schlechte Laune wird durch stramme Haltung ersetzt!“
„Eine hohe Hand verkürzt die Tritte – innere Hand tief lassen.“ (in der Wendung)
„Das Pferd folgt der höheren Hand.“
„Die meisten führen die rechte Hand höher. Dadurch entsteht mehr Akzeptanz des rechten Zügels, aber links wird das Pferd fester und mit der Zeit rechts hohl“
Hierzu ein Vorschlag aus dem Publikum: „Die Computermaus mal in die linke Hand nehmen!“ – darauf Hinrichs: „ich bin schon froh, wenn meine Maus auf die rechte Hand reagiert.“
Zwei Stuten aus deutscher Zucht waren als nächstes zu sehen, die mächtige Hessenstute Chessina unter Denise Reumschüssel und die hochelegante Oldenburgerin Soraya unter Nina Schirsching. Letztere brachte, bedingt durch eine Krankheit, bei der anfangs nicht abzusehen war, ob sie je wieder reitbar sein würde, körperliche Probleme und Spannungen mit, denen hier durch klares Umstellen und frisches Vorwärts in den Übergängen begegnet werden sollte. Pferde mit solch deutlichen Problemen werden eher selten in Seminaren gezeigt, und so war es spannend, wie diesem Pferd der Umgang mit Schwächen erleichtert wurde.
„Durch Ausfallen (lassen) kommt man (wieder) zum Treiben.“
„Der größte Meister kann aus dem Marmor nur das herausholen, was im Marmor drin ist. Der Unterschied liegt darin, was der einzelne im Marmor sieht.“
Richard Hinrichs demonstrierte mit dem Lusitano Untado, wie ein Pferd durch kurze, klare Ansgen zu enorm viel mehr Schulterfreiheit und Ausdruck kommen kann.
„Starkes Stellen belastet das innere Vorderbein, äußere Schulter hebt sich mehr, vorwärts geht verloren. Beim Umstellen also immer die innere Schulter heben.“
„Mit (zu) viel Innenbiegung in die Traversale = die innere Schulter hängt und die Traversale verliert Charme und Ausdruck. Die Traversale mit dem inneren Vorderbein beginnen!“ (dazu ein Zitat von Oskar M. Steensbeck: „Wer’s nicht kann, soll’s lassen…“)
„Das Pferd kann nur auf den Gedanken des Reiters kommen, wenn der auch einen klaren Gedanken fasst.“
„Schultern anheben macht Platz für alles, was von hinten kommt.“
Nach der Mittagspause, die wieder ein hervorragendes Spargelessen im Bio-Spargelhof Heuer beinhaltete, war noch einmal der junge Chingoa zu sehen, nun an der Longe und mit einem größtenteils passiven Reiter. So sehen hier die ersten Schritte eines jungen Pferdes unter dem Reiter aus und Chingoa zeigte sich wiederholt vertrauensvoll und fragend, gut unterstützt von Irene Raab-Hinrichs an der Longe und Denise Reumschüssel im Sattel.
Aus der Vorstellung des 15jährigen P.R.E. Amando unter Richard Hinrichs und des 18jährigen Lusitanos Nuha unter Irene Raab-Hinrichs wurde ein Pas de deux zu Musik – bis hin zu Serienwechseln und Pirouetten zeigten sich diese beiden so unterschiedlichen Pferde in der dann doch klein wirkenden Halle herrlich aufeinander abgestimmt. Richard Hinrichs ließ es sich nicht nehmen, danach an der Hand noch Amandos Paradelektion zu demonstrieren, bei der es auch sehr auf eine gute Geraderichtung ankommt: die Kapriole.
Eine weitere Lektion, die reeller Geraderichtung bedarf, demonstrierte Carina Fuhrmann mit ihrem schönen 14jährigen P.R.E. Marino an der Hand und unter dem Sattel: die Levade. Der barocke Schimmel zeigt großartige Piaffen und Levaden, und dies mit sichtbarer Begeisterung. Zeitgleich stellte Denise Reumschüssel den 9jährigen Kladruber Rappen Horus vor.
„Eine Vibration der Gerte kann bewirken, daass das Pferd die Kruppe dagegen stellt. Wenn man das nicht will – Gerte dranlassen.“
„Am Platz bleiben in der Levade – ein Schritt seitlich und Pferd kommt mit beim Wieder-Auffußen.“
„Nicht dem (gemütlichen) Pferderhythmus anpassen. Durch schnelleres Treiben den Rhythmus vorgeben. Wir reiten in die Zukunft!“
„Jugendlich treiben, nicht so greisenhaft!“
„Zulegen wirkt geraderichtend.“
„Passage-Schritt-Übergänge verbessern die Feinmotorik, freies Vorwärts nach der Passage fördert den Zug nach vorne.“
„Ein Hohlkreuz ist besser als gar kein Kreuz!“
Den Abschluss dieses von schönen Pferden, guten Reitern und spannenden Momenten angefüllten Tages bildete Richard Hinrichs, der seinen 18jährigen Kladruber Favory Ravella am Langen Zügel präsentierte. Er wies auf die Vor- und Nachteile verschiedener Zügelführungen hin. So wirke die Wiener Führung eleganter und lässt mehr Biegung zu, die breite Führung verleiht mehr Stabilität.
Schließlich ließ er Ravella zur Musik tanzen.
Vielen Dank dem gesamten Fuhrberger Team für einen großartigen Tag!
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