Aguilar-Demotag 15. April

Also, wenn DAS Horsemanship ist, dann mache ich das schon lange 🙂
Mit den heute so oft zu sehenden „Ablegern“ (Auswüchsen??) davon kann ich nur so überhaupt nichts anfangen.
Aber als ich las, dass Vater & Sohn Aguilar in der Nähe zu sehen sein würden, wollte ich diese Chance doch gerne nutzen, nachdem ich schon zu den „Next-Generation“-Veranstaltungen keine Zeit hatte.

Nun war dieser Demo-Tag in Escheburg in der Nähe von Geesthacht ausgeschrieben und ich schätze, es waren gute 120 Zuschauer (!) da. Wir sahen draußen das totale Aprilwetter toben, während drinnen nach dem theoretischen Teil (Arien: „Wenn ich ein Pferd kennenlerne, suche ich erstmal ein Problem. Wenn ich keins finde, mache ich eins. Nur so lerne ich das Pferd wirklich kennen! Nicht, in dem ich den Problemen aus dem Weg gehe!“) einfach gute Arbeit mit Pferden gezeigt wurde.

Arien und Alfonso nahmen abwechselnd erst eine ca. siebenjährige Pintostute an die Hand, die mit riesigen Kulleraugen und schnorchelnd die Bahn betrat angesichts des Publikums und der aufgebauten Dinge – drei sehr unterschiedliche enge Gassen und eine lange schmale Plane. Den Eindruck, den die Besitzer von ihr hatten, widerlegten die beiden relativ schnell („Die will keinen Menschen umrennen. Die will nur weg, aber nicht gegen mich.“) und sie testeten aus, was der Stute Angst macht. Das waren vor allem plötzliche Geräusche und so wurde genau daran gearbeitet. Zuvor jedoch war es wunderbar zu sehen, wie wenig Alfonso machte und wie sehr er der Stute durch seine bloße souveräne Anwesenheit Sicherheit und Vertrauen gab. Es ging ungeheuer schnell, dass die eben noch extremst fluchtbereite Stute seine Nähe suchte und sich leiten ließ.

Das nächste Pferd war ein schier unfassbar schöner isabellfarbener Hengst, ein zehnjähriger Mix aus Connemara und… ähhh… Pinto? Quarter? Sowas in der Art.
Ungeheuer schön, gut bemuskelt, aber auch er mit einem deutlichen Axthieb ausgestattet, wie auch die Stute, und bei seiner ansonsten tollen Bemuskelung wirkte das schon unpassend. 
Auch er erstarrte bereits in der Tür, die Augen wurden groß und größer. Auch dieses Pferd war den beiden unbekannt und das Thema war, dass er sich nichts ins Maul spritzen lässt (Wurmkur). Auch hier beschrieben die Besitzer ein etwas anderes Bild als das, was dann innerhalb weniger Minuten an der Hand von Arien (der sehr behutsam vorging) und Alfonso (der dann mal ziemlich energisch testete, was der Hübsche aushalten konnte) zu sehen war. Das Thema wurde auch zuerst gar nicht angegangen, erst einmal sollte auch dieses Pferd sich durch die engen Gassen wagen. Das war vor allem an den Poolnudeln interessant, jeweils vier kamen dem Pferd auf Bauchhöhe entgegen und da mochte er nicht durch. Arien bewegte sich im Prinzip überhaupt nicht, gab nur über das Seilende Druck oder nahm den weg, und ließ das Pferd darüber seine Entscheidungen treffen.
Als er dann durchging, machte er das verblüffend ruhig und langsam und mit Übersicht.

Danach kam eine monströse Spritze mit Apfelmus ins Spiel, und auch obwohl dem Hengst das Zeug nicht schmeckte, nahm er nachher die Spritze und Hände im Maul und alles Rumgegrabbel an seinen Lippen und der Zunge gut hin.

Nach der Pause kam eine braune Stute in die Bahn, die wohl unter dem Reiter zwar galoppiert, aber nur im Gelände. In der Bahn wird sie heiß und heißer und schnell und schneller und Arien fragte, wie jedes Mal, das Publikum nach Tipps und Vorschlägen („Ich will ja auch jedes Mal etwas lernen!“). Die Stute sah aus wie ein brauner Friese (hoffentlich trete ich damit jetzt niemandem auf die Füße…) und so galoppierte sie auch. Ungeheuer viel Aktion, mega aufwendig, an der Longe an der Hand der Besitzerin (auf viel zu kleinem Kreis) hektisch und im Kreuzgalopp. An der Hand von Alfonso auf größerem Kreis dann auf beiden Händen im Handgalopp und ruhiger, unter Arien dann über Seitengänge und geschickte Schnalzer anfangs unsicher, dann nach dem ersten gelungenen Anspringen mutiger in mehreren Galoppreprisen, die sehr kurz gehalten und sehr gelobt wurde. Kein Wegrennen, keine Hektik, das war super gelöst.

Und dann ritten beide noch – Alfonso eine Quarter-Stute in wunderschöner Falbfarbe, aber derart muskelbepackt, dass sie – sorry – wie ein Masthähnchen im Endstadium aussah. Gefühlt konnte dieses Pferd vor Kraft kaum laufen, die Vorderbeine standen bei der breiten Brust einen halben Meter auseinander. Mächtig überbaut, auf’s Feinste frisiert, sehr aufmerksam und willig. Alfonso schwärmte in den höchsten Tönen von ihr und davon, wie gut sie ausgebildet sei, und unter dem Reiter wurde sie dann auch immer elastischer und beweglicher. Alfonso saß zum zweiten Mal drauf und ritt sie sehr fein und gefühlvoll.

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Arien hatte seinen Lusitanohengst an der Hand, 14 Jahre alt und seit 7 Monaten bei ihm.
Ein unfassbar schönes Pferd – wenn man sich vorstellen kann, wie er aussehen wird, wenn er 100 kg mehr drauf hat. Im Moment recht rippig und wenig bemuskelt, aber das wird sich verändern, das ist klar. Ein traumhaft schönes Pferd!
An der Hand sehr eifrig und fein, unter dem Reiter (Arien ritt ohne Sattel und mit Bosal) bewegungsfreudig, aber feinst händelbar.

Die beiden ließen sich noch Garrochas geben und zeigten zu schöner Musik ein spontanes Pas de deux. Sehr ruhig, sehr sinnig, Alfonso nachher noch dynamisch – sehr schön.

Das war einfach alles gut anzuschauen und gut anzuhören, Arien plädierte am Ende noch dafür, die Dinge viel positiver zu sehen, negatives nicht zu kommentieren (auch nicht auf facebook…), dafür positives um so mehr zu honorieren. Mir ging das Herz auf bei diesen Sätzen.

Weitere schöne Sätze, die überwiegend im Theorie-Teil fielen:

Wir können ein Verhalten nicht entfernen, nur tauschen

Bei Problemen haben wir zwei Möglichkeiten: damit beschäftigen oder ignorieren

Wir müssen lernen, Probleme anzugehen und zu lösen

„Was machst Du als erstes, wenn ein Problem auftaucht?“
„Ich suche nach dem Grund.“
„Wirklich?? Wenn das alle täten, wären mein Vater und ich arbeitslos!“

Wir sollten versuchten, ein Problem (des Pferdes) zu finden, dass zu 100 % auf Verhalten beruht. Nicht medizinisch, nicht erlernt, nicht trainingsbedingt.
Wir fanden keins.

80% des Verhaltens macht der Charakter aus (kann verändert werden),
20% das Temperament (kann nicht verändert werden)

Bei Problemen…
…ergründen:
Was ist erlernt?
Was ist medizinisch?
Was ist Verhalten?
Was beruht auf der Pferd-/Mensch-Beziehung?

Und dann kam genau mein Satz, den ich selbst schon so oft gesagt habe (aber noch nie von einem anderen gehört habe):
Du sagst, was. Das Pferd darf sagen, wann!

Wenn nur alle, die behaupten, sie machen „Horsemanship“, das hier Gesehene tun und leben würden, dann hätte die Pferdewelt keine Probleme. Und die Pferdehalter auch nicht. Und damit die Pferde auch nicht. Und es passt in alle, ALLE Reitweisen. Ausnahmslos!

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