Extreme Trail

Extreme Trail erfreut sich – zu Recht! – immer größerer Beliebtheit. Bei dieser aus den Vereinigten Staaten stammenden und in Europa noch sehr jungen Form des Trainings und Wettbewerbs kommt es vor allem auf das Vertrauen und die Kommunikation zwischen Mensch und Pferd an. Entscheidend ist das harmonische Miteinander, nicht auf die Zeit.

Ich empfinde es als enorme Bereicherung für jede Reitweise, jedes Pferd und jeden Pferdemenschen und finde, jeder sollte es unbedingt ausprobieren!
In Berührung kam ich damit erst im Frühjahr 2017. Wie genau ich darauf aufmerksam wurde, weiß ich nicht mehr, aber als das passierte, war sofort mein Interesse geweckt und ich wollte es ausprobieren. Und so schenkte ich Querendón zu seinem 7. Geburtstag einen Lehrgangstag auf Roger’s Area in Boklund.

Extreme Trail ist darauf ausgerichtet, die Ebene im Gelände zu verlassen. Es gibt in Deutschland inzwischen einige Extreme-Trail-Parks, in denen ein naturnaher Parcours mit entsprechenden Hindernissen genutzt werden kann. Meist beim ersten Mal nur unter Anleitung, was auch durchaus sinnvoll ist!

Hügelige Landschaften hat nicht jeder vor der Tür, aber in einen solchen Park gehören Bodenunebenheiten und Hügel einfach rein. Und dann laden diverse Hindernisvarianten zum Nachdenken, Koordinieren und Konzentrieren ein:  kleine bis massive Baumstämme, Felsen, Stein- und Holzstufen oder Saumpfade auf nachgebildeten Berggipfeln, Schluchten und Wasserstellen wechseln sich ab mit Hindernissen wie Stegen, Brücken, Hängebrücke, dem Balance Beam (ein ca. 50 cm breiter und 8m langer Schwebebalken), Wippe oder Dach.

Die Idee dahinter ist, dem Pferd möglichst viel Freiraum zu geben und die Möglichkeit zur eigenen Entscheidung. Es soll selber denken und überlegen, wie ein Hindernis am besten zu bewältigen ist. Ein Hindernisse sicher, ruhig, entspannt und bei gleichmäßiger Geschwindigkeit mittig zu überwinden, ist das Ziel des Extreme Trail. Offen für alle Reitweisen und Rassen ist dies wirklich etwas, was jeden bereichern kann. So dachte ich ja leichtsinnigerweise, ich kann meine Pferde leicht und sicher führen und lenken und überall anhalten – im April 2017 wurde ich eines Besseren belehrt. Oha! Ja, all‘ das Genannte kann ich im Prinzip, aber mir war nicht klar, wie viel ich dabei den Kopf des Pferdes steuere. Hier sollen, wenn das Pferd denn Steuerung braucht, Schulter und Hinterhand gesteuert werden, und das gerne auch auf reichlich Distanz. Ich fand es mega spannend und betrat damit echtes Neuland. Diese hierzulande so gerne ausgeübten „Horsemanship-Spielchen“ sind mir ja eher zuwider (zumindest in der meist zu sehenden Form), und so war mir diese Art des Führens völlig fremd. Ist es zugegeben noch immer. Ich komme mir mit dem Seil sowas von dilettantisch vor, habe aber immerhin ziemlich schnell die Gerte abgelegt im Extreme Trail, denn die, die sonst beim Führen mein feiner Helfer ist, hilft mir hier überhaupt nicht mehr. Mega spannend…

Die Erarbeitung der Hindernisse beginnt am Boden. Das Pferd wird aus mehr oder weniger großer Distanz am langen Seil an das Hindernis heran geschickt. Bzw. in das Hindernis hinein, denn es gibt auch eine Menge Hindernisse, an denen der Führer ganz außerhalb bleibt. Die Pferde sollen nun die Hindernisse möglichst selbständig bewältigen, ohne in ihren Sinnen und Reflexen als Lauf – und Fluchttier vom Menschen unnötig gestört zu werden. Idealerweise senkt das Pferd den Kopf, beginnt das Hindernis mit Augen, Nase und Hufen zu inspizieren und sich seinen Weg zu suchen. Ziel intensiver Bodenarbeit an den Hindernisse ist, dem Pferd darüber bestimmte erwünschte Verhaltensweisen zuverlässig und abrufbar beizubringen.

Auch später beim gerittenen Extreme Trail sollte darauf, den Parcours mit minimalen Hilfen zu durchreiten, hingearbeitet werden. Die reiterliche Einwirkung sollte sich auf möglichst geringe Gewichts- und Schenkelhilfen beschränken, ein langer, nahezu hingegebener Zügel ist das Idealbild. Lose Zügel geben dem Pferd die nötige Kopffreiheit, sich seinen Weg durch und über ein Hindernis selbst zu suchen.

Nachdem Dón und ich am 8. April 2017 allererste Erfahrungen gesammelt hatten, erfuhr ich von halbstündigen Trainingseinheiten auf der Messe NORDPFERD 14 Tage später. Wer ohnehin mit Pferd auf der Messe war, durfte teilnehmen. Ich meldete uns beide also an und erlebte hier eine fürchterliche halbe Stunde, in der ein sagenhaftes Unwetter auf das Zelt niederging, in dem Roger auf kleinstem Raum einen Extreme-Trail-„Park“ hingezaubert hatte. Hagel und Starkregen drückten sich unten durch den Zeltrand und Dón war kaum noch Herr seiner Sinne.
Roger übernahm zum Glück und meinte später grinsend: „DAS war Extreme Trail“.

Und die beiden hatten mich überredet, im Mai an der „German Open Extreme Trail Challenge“ teilzunehmen. Haha!! Aber man wächst bekanntlich nur mit seinen Aufgaben, ich nannte also die leichteste Klasse (es gibt vier Schwierigkeitsgrade: Easy, Medium, Solid und Extreme. Alles jeweils am Boden und geritten) am Boden und geritten und auch noch „bitless bridle“, wovon ich annahm, es hieße gebisslos, um etwas später festzustellen, dass es „ohne Kopfstück“ heißt. Also nix Sidepull, was ich inzwischen besaß, sondern Halsring… Hoppla. Man wächst nur… Und so weiter.

Es war ein aber sowas von wunderbares Turnier mit einer traumhaften Atmosphäre! Was war ich im Nachhinein froh, mir das angetan zu haben! Ich fühlte mich in allem als der totale Neuling, eine Situation, die ich so überhaupt nicht mehr kannte und sehr witzig fand. Dón machte seine Sache prima. Ein ausführlicher Bericht zu diesem tollen Tag mit vielen Bildern ist hier zu lesen.

Im Juli genossen wir noch einen Trainingstag in Boklund und das war’s dann erstmal wieder mit Extreme Trail, zu viele andere Sachen lenkten davon ab.

Bis Nicola mich ganz unaufdringlich (Ironie!) fragte, ob ich nicht wieder an der „German Open Extreme Trail Challenge“ teilnehmen wolle, im Jahr 2018 erstmalig auf der Messe HANSEPFERD. Und ich würde auch Medium hinkriegen, aber klar!

Dón hatte allerdings verinnerlicht, dass man von einer Wippe mittig abspringt. Wir hatten zwar eine Brücke gebaut, die als Wippe genutzt werden konnte, aber wirklich entspannt war das Verhältnis zwischen Dón und dieser Brücken-Wippe nicht.

Aber – der Sinn von Extreme Trail zeigte sich nun deutlich. Ich hatte noch einmal wieder so viele Ideen bekommen, was man üben und einbauen kann und baute aus allen möglichen Dingen Hindernisse und achtete sorgsamer darauf, wie ich führe – bloß das mit der Distanz, das hatte ich bis April 2018 wieder vergessen. Als es mir wieder einfiel, stellte ich fest, dass auch Dón das komplett vergessen hatte. Diese Distanz fiel mir echt am schwersten. Dennoch – das Befassen mit den Dingen, die ich durch Extreme Trail kennengelernt hatte, bereichern einfach immer wieder den Alltag. Dóns Angst vor der Wippe verlor sich nach dem Stallwechsel nach Quickborn (eine Woche vor der Messe…), denn hier stand eine sehr breite Wippe, mit der ich Dón nun so vertraut machte, dass er innerhalb weniger Tage „Dón, the Wipper“ wurde – er wippte nach anfänglichen hysterischen Anfällen und verblüffend gelenkigen Sprüngen von der Wippe runter mit Begeisterung. Hier lernte sogar Fàscino mit seinen 26 Jahre noch wippen! Auch anfangs sehr skeptisch 🙂

Auf der HANSEPFERD machte Dón dann wieder in der halbstündigen Trainingseinheit am Freitag aus jedem Hindernis einen Sprung (oh Mann…), um sich dann am Samstag jedoch in seinen vier Prüfungen jedes Mal zu steigern. Auch hierzu gibt es natürlich einen ausführlichen Bericht mit vielen Fotos!

Fazit also: eine Bereicherung für alle und jeden! Teile aus dem Extreme Trail kann man immer und überall einfließen lassen; der bewusste und ruhige Umgang mit den Hindernissen ermöglicht in anderen (schwierigen) Situationen eine bewusste und ruhige Herangehensweise. Unbedingt ausprobieren!

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