8.4. – Extreme Trail

Am 8. April wurde Dón sieben Jahre alt. Und da ich meinen Pferden ja immer was schenke, bekam auch er etwas. Das war etwas größeres und ich weiß nicht sagen, in wie weit er den Tag als Geschenk empfunden hat – da könnten die Meinungen auseinander gehen…
Wir waren in Boklund (Owschlag) auf Roger’s Area und haben uns dem Extreme Trail gestellt!
Wobei man ehrlicherweise sagen muss, dass es bei diesem unserem allerersten Versuch in so eine Richtung wohl mehr ein Soft Trail war. Luft nach oben ist da allemal noch.

Aufmerksam wurde ich auf diese Lehrgangs-Samstage erst kurz vorher, als ich hörte, dass die Nordpferd-Akteure auf der Messe die Gelegenheit haben, 30 Minuten in ein paar Hindernisse des Extreme Trail hereinschnuppern zu können. Daraufhin durchstöberte ich die Homepage von Roger’s Area und stieß auf die Lehrgangstage. Roger und Nicola kenne ich bereits seit einigen Jahren durch das Landesbreitensportturnier in Bad Segeberg, aber so direkten Kontakt hatten wir nun auch noch nicht. Ich meldete Dón an, das Bild vor meinem geistigen Auge, wie er da in seinem ersten Herbst bei mir über die Holzstapel gekraxelt war. Das hielt ich mal für gute Voraussetzungen.

Wir waren zu fünft an diesem Tag, und vier von uns betraten Neuland. Dass die fünfte in der Runde mit ihrem 700-kg-Tinker Erfahrung mitbrachte, war für uns alle gut, denn sie half jedem, der Fragen hatte, wenn Roger und Nicola ihre Augen gerade auf ein anderes Pferd richteten. So war es gefühlt eine Rundum-Betreuung – große Klasse!!

Roger hatte wohl vorher gesagt, er würde heute mal keines der fremden Pferde an die Hand nehmen, davon wussten wir nichts, und so fragten wir uns, was Nicola wohl damit meinte, als sie kurz nach Beginn des Lehrgangs „6 1/2 Minuten!“ rief. So lange hatte er also durchgehalten, dann hatte er das erste angereiste Pferd an der Hand.

Auch Dón musste dran glauben und jetzt bekam ich mal eine Quittung dafür, meine Pferde zu einem solch‘ strotzendem Selbstbewusstsein zu erziehen.
Vermutlich nimmt jeder an, sein Pferd führen, wenden und jederzeit anhalten zu können. Also ich zumindest nahm das an.
Roger belehrte mich (und Dón…) ziemlich schnell eines Besseren, denn hier geht es um absolute Punktgenauigkeit, bis hin dazu, einzelne Hufe genau dirigieren zu können.
Beim Anblick so mancher Hindernisse und vor allem, als wir dann selbst ausprobierten, wurde schnell klar, wie überlebenswichtig das sein kann, wenn einem Holz und Steine und Brücken in dieser Form mal in freier Wildbahn begegnen würden.
„Stell Dir vor, hier liegt ein Knäuel Stacheldraht! Da hängt der drin, wenn der nicht auf Dich achtet und noch einen Schritt weitergeht!“ – „Zeitlupe in der Wendung, nicht beim Führen! Du gehst wie eine Oma!“ – und der Hammer: „Du bist einfach nicht schnell genug!“
Ich! Nicht schnell genug! Der Satz, den jeder meiner Reitschüler von mir kennt… Auf dem Pferd bin ich schnell, aber hier verstand ich mal, wie sich meine Schüler fühlen – am Boden wusste ich hier einfach nicht, wann ich wie reagieren soll, was sie hier wann sehen wollen in welcher Form und welcher Intensität… Puh!

Es war super spannend, Roger mit Dón zu beobachten. Er fasste ihn happig an, was mich überhaupt nicht störte, da Dón ziemlich schnell seine Aufmerksamkeit auf Roger richtete und fragte, was er denn nun genau tun soll. Da merkte ich mal, wie abgelenkt er oft ist – obwohl, nein, stimmt so nicht, weiß ich ja, er ist der Glotzkopf vor dem Herrn, aber hier ging das einfach nicht. Bei dem, was ich mache, nervt das zwar, bringt aber keinen um.
Roger fand also meine volle Zustimmung – da muss ich dran arbeiten!!

  

Ich bekam langsam eine Idee, was wann gewünscht ist (so ähnlich müssen sich Reiter vorkommen, die zum ersten Mal Arbeit an der Hand – oder was auch immer für sie Neues – machen…), die Führung wurde besser, Dón aufmerksamer.

Wichtig war, jederzeit und überall anhalten zu können – und zwar sofort. Nicht einen Meter später. Oder fünf. Oder zehn. Und das idealerweise ohne jegliche Berührung.

Es wurde unglaublich schnell Mittag und damit Zeit, zum Essen zu fahren. Wir hatten uns morgens bei der Begrüßungsrunde Essen ausgesucht, das nun fix serviert wurde und großartig schmeckte. Ich hatte schon nichts „Großes“ – aber mittags warm essen ist nicht meins. Die Portionen waren üppig und mir wurde eine Stunde auf dem Pferd so richtig, richtig schlecht. Ich war kurz davor, abzusitzen. Aushalten… 
Ich verdrängte die Übelkeit so gut wie möglich und tatsächlich ging es eine halbe Stunde später wieder. Ich wollte auch einfach nichts von diesem Nachmittag verpassen!!
Was für Eindrücke!
Im Sattel fühlte ich mich viel wohler. Dón war hochmotiviert und eifrig, und er hatte ja nun in Heist gelernt, dass man Holz überspringt und das tat er hier und da dann auch.
War hier bloß nicht gewünscht – und auf den Punkt überall anhalten konnte ich damit schon mal gleich gar nicht. Oha…

Dón tat sich anfangs extrem schwer damit, auf der Fläche stehen zu bleiben – mit den Vorderbeinen war ja kein Thema, das erinnerte ihn an das Podest, aber ganz?
Das war ihm unheimlich. Aber auch das ließ er schließlich zu.

Schließlich sollten wir die Pferde so dirigieren, dass sie vor der Brücke halten, dann mit den Vorderbeinen drauf stehen, dann ganz, dann rückwärts so runter, dass die Vorderbeine noch einmal drauf stehen, dann ganz runter. Also zwischen allen Etappen stehen bleiben. Dón war rückwärts runter nicht geheuer, ich konnte ihn dabei nicht noch einmal so anhalten, dass er wieder mit den Vorderbeinen drauf stand, aber immerhin, sonst hatte er das gut gelöst! Was ich gar nicht hinbekam, war, ihn über die Brücke zu reiten und so anzuhalten, dass nur die Hinterbeine darauf stehen blieben.

Roger und Nicola waren mit Pferden dabei, konnten jederzeit vormachen, und erklärten geduldig rauf und runter. „Geduldig“ nicht im Sinne von Köpfchen streicheln und in den Arm nehmen, sie hauten uns ganz schön um die Ohren, dass wir alle viel zu zügelabhängig reiten und unsere Pferde viel zu wenig am Schenkel haben – aber diese Deutlichkeit war gerechtfertigt, denn so war es ja nunmal! Immer, wenn etwas gelingt, sofort – sofort – den Zügel komplett fallen lassen. Spannung rausnehmen. Das fiel keinem von uns leicht – außer Madlen, die damit ja bereits vetraut war. Toll an ihrem Tinker war zu sehen, wie ungeheuer behutsam dieses mächtige Pferd sich durch manche Hindernisse tastete, während sie ihm dazu die völlige Freiheit gab. Man sah so schön, was sich entwickeln kann, und hatte nicht nur uns Stümper und die weitgehend „perfekten“ Pferde von Roger und Nicola vor Augen, sondern eben mit Madlen eine „Zwischenstation“. Das war extrem hilfreich und ermutigend. Madlen und Roger reichten sich beim Reiten immer wieder mal die Kamera hin und her, und so sind einige Bilder hier auch von den beiden gemacht.
Vielen Dank dafür!!!

Sehr witzig war auch Australien Cattle Dog „Elan“ – er machte von sich aus alles vor, wenn die Pferde vor einem Hindernis glotzten und schnorchelten. Das war zu niedlich!

Eine spannende Anforderung waren dann die Stufen. Jede sollte natürlich wieder einzeln genommen werden können. Dazwischen immer am durchhängenden Zügel stehen und entspannen. Es dauerte einen Moment, aber das bekamen wir schließlich hin.
Und zu meiner großen Freude konnte Dón sogar einen Moment auf der oberen Palette stehen bleiben – noch nicht völlig entspannt, aber er wagte es! 

  

Und dann – unsere erste Wippe!
Ich ahnte, dass Dón springen würde, sobald die kippt, und er folgte natürlich brav meinem inneren Bild und sprang 🙂
Tatsächlich merkt man da oben das Kippen im Prinzip gar nicht. Hätte ich gar nicht gedacht, dass davon so wenig beim Reiter ankommt.
Die beiden Wippen waren relativ schmal, und so mochte schon nicht jedes Pferd überhaupt gerade da rüber laufen, damit hatten wir alle ein bisschen zu tun. Klar wollten wir alle mit dem Zügel nachhelfen, und so gab es hier einige interessante Bilder.

Später ging die Dón die Wippe ein, zwei Mal ziemlich relaxt.

So kann das dann später mal aussehen – die Wippe in der Schwebe halten:

Dann fing Dón plötzlich doch wieder an zu springen und sprang dann auch mal eben wieder über alles. Bevor sich eine gewisse Frustration ausbreiten konnte, hielt ich an, ließ ihn los und wurde mir mal kurz darüber klar, was er hier und heute schon alles geleistet hatte.

Das war auch ständig Rogers und Nicolas Credo – kleine, kleinste Schritte! Loben! Freuen! Spannung raus! Lächeln! Unsere Pferde leisteten hier wirklich eine Menge.
Und es war für sie ja so neu wie für uns.

Nicola demonstrierte mit ihrem 24jährigen Tassilo, dass das Ganze auch „falschrum“ funktioniert:

Die Pause war gut, Dón signalisierte, wieder „da“ zu sein. Und so probierte ich noch ein bisschen was aus, jetzt schon ständig darauf bedacht, immer anhalten und die Zügel fallen lassen zu können. Idealerweise nach jedem einzelnen Schritt. 

Dies ist ein vertiefter, ganz schlängeliger enger Weg:

Und dies etliche Meter Holz und Stein:

  

Roger zeigte uns noch mit der 9jährigen Virginia die neue Hängebrücke. Auf die durfte keiner von uns, und ich persönlich bedauerte das auch kein bisschen, als ich sah, was passierte, als Virginia den ersten Huf darauf setzte. Da war klar, warum man jederzeit anhalten können muss und sich das Pferd nicht mehr für Untergründe interessieren darf. Das Ding schwankte in alle Richtungen. Virginia war tatsächlich zum ersten Mal auf dieser Brücke und machte das ganz großartig. Von uns wollte keiner 🙂

Ich fragte, ob ich denn aber noch über die „normale“ Brücke dürfe, die reizte mich schon sehr, und ich durfte. Die hatte ich auf einem Bild vorher im Internet gesehen und ab dann war mir klar, dass ich da rüber wollte.

Von oben hatte ich sie noch nicht gesehen, die war nicht einsehbar, und die Fläche sah ziemlich glatt und schmierig aus. Dón guckte einen Moment, ging dann aber sehr gehorsam darüber. Und wie immer – jederzeit anhalten können!

Doris, Julia und ich bekamen noch ein Gruppenfoto mit den Metall-Cowboys, und dann ging ein langer, ereignisreicher Tag zu Ende. 

Ich war todmüde. Die Rückfahrt ging zum Glück sehr flüssig voran, ich schätze mal, auch Dón hat gut geschlafen. Wobei der mich am nächsten Tag höchst erwartungsvoll begrüßte und fragte, was wir denn heute machen?? Da enttäuschte ich ihn aber damit, dass er frei hatte und nur schön geputzt wurde.

Was für eine tolle Erfahrung!
Wir waren ganz bestimmt nicht zum letzten Mal hier!

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