Schulen über der Erde

Als solche werden alle Übungen bezeichnet, bei denen beide Vorder- oder Hinterbeine gleichzeitig den Boden verlassen und das Gewicht nur noch auf dem anderen Beinpaar ruht (da sie für die folgenden Übungen zum Teil interessant sind, werden hier Pirouette und Carriere mit aufgeführt):

Es gibt drei Varianten der Pirouette, die je nach unterschiedlicher Nützlichkeit geritten wird:
Die gestandene Pirouette ist zu vermeiden, da sie die Spurtschnelligkeit und damit die Ringfertigkeit des Pferdes behindert und die Hinterhand schleppen läßt.
Die kleine Pirouette ist die schönste Zier eines gerittenen Pferdes und die große Pirouette der immer wieder notwendige Beweis der Durchlässigkeit.

Als „Arbeitspirouette“ bezeichnet man eine noch nicht vollständig gesetzte, auf größerem Kreis gerittene Pirouette, in noch größerer Form ist es dann eine Travers-Volte im Galopp.

Pirouette: Lusitano Negócio am Langen Zügel, Hannoveraner Fàscino unter dem Sattel, Negócio mit Halsring an der Hand

Die Passade ist eine Bahnfigur, die in verschiedenen Tempi des Galopp geritten wird. Es handelt sich um eine Art langgezogene Acht an der Bande entlang und wird von den Meistern so geritten: Im Tèrre á Tèrre beginnt am Anfang der langen Seite die Passade, das Pferd springt sodann in der Carriere an, um am Ende der Bahn wieder ins Tèrre á Tèrre aufgefangen und in drei bis sechs Sprüngen einer halben Pirouette in Courbetten gewendet zu werden. Aus dem Zweitaktgalopp der Courbette springt das Pferd dann wieder in die Carriere, wobei es die Hand gewechselt hat. Am Ende der Bahn folgen Tèrre á Tèrre, halbe Pirouette in Courbetten und Carriere und so fort.
In der Wiener Hofreitschule ist die Passade ebenfalls eine Bahnfigur, jedoch wie folgt: Renvers parallel zum (aber nicht auf dem) Hufschlag, vor der Ecke eine halbe Volte in der Traversbewegung, auf dem Hufschlag zurück im Travers.

In der Levade wird das gesamte Gewicht des Pferdes von der Hinterhand getragen, während sich die Vorhand in einem Winkel von ca. 35 Grad vom Boden erhebt. In dieser Stellung verharrt das Pferd für einen Augenblick.

Levade an der Hand - P.R.E. Joya

Levade an der Hand – P.R.E. Joya

Levade unter dem Reiter: links P.R.E.Joya, rechts Hannoveraner Fàscino

Levade am Langen Zügel – links Hannoveraner Fàscino, rechts P.R.E. Joya

In die Pesade (auch Pessade) erhebt sich das Pferd schneller und (deutlich) höher als in der Levade – in einem Winkel von weit über 45 Grad zum Boden.
Waldemar Seunig bezeichnete die Pesade als “mißlungene Levade”…
Diese Übung wird im französischen Saumur als Courbette bezeichnet, hierbei allerdings erreicht das Pferd durchaus auch mal einen Winkel von bis zu 90 Grad zum Boden…

Pesade: P.R.E. Joya am Langen Zügel, Hannoveraner Fàscino frei

Gestandene Kapriole: Das Pferd streicht mit den Hinterbeinen möglichst weit nach hinten/oben, während die Vorderbeine am Boden bleiben.
Diese Übung wird im französischen Saumur als Croupade bezeichnet.
Zu früheren Zeiten äußerst nützlich im Nahkampf…

Alles der Natur abgelauscht: Tinker Black Nose in der gestandenen Kapriole

Als Carriere bezeichnet man den harten Ansprung zum starken Galopp:

00_car
Auch die Carriere ist, wie alle Schulsprünge, der Natur abgelauscht –
Hannoveraner Fàscino auf der Weide
Lusitano Negócio, Carriere freihändig mit Banderillas
P.R.E. Joya, ausdrucksvolle Carriere (hier schon eine Vorstufe zum Hankensprung)

Das Erheben der Vorhand beim Durchparieren nennt man Falkade:

Hannoveraner Fàscino – Übergang von der Carriere in die Falkade (von rechts nach links)

Im Tèrre á tèrre (auch Redopp) springt das Pferd einen flachen Galopp mit wenig Raumgewinn in zwei Takten, eine Art Schaukelgalopp. Die Vorder- und Hinterbeine setzen zeitgleich auf, können jedoch leicht seitlich versetzt voneinander auf den Boden kommen. Tèrre á Tèrre kann auch seitlich gesprungen werden.

Hannoveraner Fàscino im Tèrre á Tèrre

Das Mezair ist die zierlichste Gangart des Schulpferdes – wie Tèrre á Tèrre, nur erhabener und langsamer – in der es vorwärts, seitwärts und rückwärts paradieren kann, ohne die Fähigkeit zu verlieren, jederzeit zum Verteidigungssprung oder der beschleunigenden Carriere bereit zu sein. Hier fußen Vorder- und Hinterbeine genau nebeneinander auf.

Im Repoulon vollführt das Pferd eine Wendung um die Vorhand in 2-Takt-Sprüngen. Anderen Quellen zufolge wird dies als Redopp bezeichnet, die Pirouette im Tèrre á tèrre um die Vorhand; das Repulon ist ebenfalls eine Bahnfigur im Tèrre á tèrre mit Pirouetten und Carriere, wie die Passade auch.
Für viele der „alten“ Lektionen sind verschiedene Begrifflichkeiten vorhanden, was sicher auch mit der Schwierigkeit von Überlieferungen, Übersetzungen und dem Deuten des damals noch raren Bildmaterials (meist einzig in Form von Kupferstichen) zusammen hängt.

Die Sarabande ist ursprünglich ein kreuzförmiger Talisman, nach der man schon im Mittelalter einen Tanz in Kreuzform benannte. Die Sarabande in der Reitkunst wird von allen Meistern mit großer Ehrfurcht beschrieben. Das Pferd geht in taktreinen Courbetten zunächst einige Meter vorwärts, dann einige Meter rückwärts, dann einige Meter zur Linken, dann zur Rechten und anschließend rückwärts und wieder vorwärts, um wieder dort anzukommen, wo es die Sarabande begonnen hat (damit beschreiben die Hufspuren des Pferdes letztlich ein Kreuz).

Vielen Dank an Christin und Wolfgang Krischke (Fürstliche Hofreitschule Bückeburg), die mir bei den Lektionen-Beschreibungen mit Rat und Tat zur Seite standen!

Fàscino beherrscht – sicherlich als einziger For-Pleasure-Sohn weltweit…? – neben sämtlichen „regulären“ Lektionen (außer Einerwechsel): Tèrre á Térre, Mezair, (die „alte“) Courbette, Carriere, Falkade, Pesade, in Glücksfällen auch Levade, gestandene (und nicht ganz so sicher gesprungene) Kapriole und einige Galoppsprünge rückwärts (extrem reizvoll!!). Zudem ist er in der Lage, in ungeheurer Vielfalt Lektionen miteinander zu kombinieren, so z. B. Carriere aus der Piaff-Pirouette oder eine Galopp-Pirouette eingebaut in eine Passage-Traversale…

Joya zeigt großes Talent für Terre à Terre und alle Varianten von 2-Takt-Sprüngen und generell für alle Bewegungen auf der Hinterhand – so auch für die Laurcourbette:

000_laufcourbetteP.R.E. Joya – Laufcourbette an der Hand, am Langen Zügel und frei.
Rechts Laufcourbette unter dem Reiter, Paris 2012
(ein Reiter der Real Escuela Andaluza del Arte Ecuestre)

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Merke: je versammelter die Lektion geritten werden soll, um so größer muß in Pferd und Reiter die Vorwärts-Idee sein! Eine Versammlung, die über den Zügel erzielt wird, ist keine Versammlung. Versammlung kommt immer aus der Kraft der Hinterhand. Somit macht eine Verstärkung im Prinzip auch erst Sinn, wenn die Versammlungsfähigkeit gegeben ist. Der beste starke Trab kommt aus der Passage – und sollte sich auch jederzeit in diese zurückführen lassen.
Ein Pferd, was dieses Verkürzen und Strecken seines Körpers im Gleichgewicht beherrscht und sich auf „kleinstem Raum tummeln“ kann bei leichtester Zügelverbindung (oder ohne…) – das ist für meinen Begriff das „klassisch“ ausgebildetete Pferd.

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