29.10. – Themen Tag „Durchlässigkeit, Losgelassenheit, Schwung“

Diesen Themen-Tag durfte ich auf dem Möschenhof durchführen, und auch wenn das Wetter heute nicht sooo schlecht war, waren wir doch alle sehr dankbar, uns windfrei unter Dach aufhalten zu können.

Leider war sehr kurzfristig mein Gastpferd ausgefallen – ich hatte mir ein möglichst undurchlässiges, wenig biegsames, am liebsten auch noch faules Pferd (wobei das ja meist zusammenhängt…) gewünscht.

Nun musste ich auf ein Pferd von uns zurückgreifen, und die zeigen natürlich nicht so deutlich, worauf ich hinaus wollte, aber Ersatzpferd Navarre konnte dennoch schön einige Dinge beisteuern.

Normalerweise fange ich mit Theorie an, habe allerdings bei den letzten Malen festgestellt, dass es den meisten leichter fällt, konkrete Fragen zu stellen, wenn sie auch Pferde sehen oder gesehen haben und die Begriffe schon klarer sind. Also wollte ich heute noch einen Theorie-Teil ans Ende hängen – daraus wurde allerdings nichts, weil wir die ganzen Fragen schon an den Pferden „abarbeiten“ konnten und die Teilnehmer hinterher in der Abschlussrunde mit relativ kleinen Augen dasaßen und mit so viel Input, dass manche zwar noch etwas von ihren eigenen Pferden erzählten, zu viel mehr aber nicht mehr in der Lage waren 🙂

Den Anfang machte Dón. Er war sehr aufgeregt beim Aufsitzen, so dass ich, als ich schließlich oben war, erst einmal auf eine gewisse Ruhe seinerseits wartete, dann wieder ab- und noch einmal aufsaß. Das zweite Mal gelang deutlich ruhiger und ich erklärte, dass ich erst einmal generell für eine positive Grundstimmung zu sorgen habe, insbesondere in ungewohnter Umgebung.

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Dón war fleißig und machte sehr gehorsam mit. Ich bat jeweils zwei Teilnehmer an seine Seiten. Sie legten ihre Hände unter meine Wade und ich ließ sie im Gehen fühlen, wie mir die Beine an’s Pferd geschwungen werden, wenn ich nichts dagegen unternehme, und wie alleine das schon zu einem triebigen Pferd führen kann. Dón verleitet ja gerne dazu, sich treiben zu lassen und seine Körperbewegungen provozieren das geradezu.

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Er demonstrierte danach sehr gut sichtbar, wie negativ es sich auf den Bewegungsablauf auswirken kann, wenn man sich das Pferd zu tief strecken lässt. Bei ihm war gut zu sehen – und zu hören! – wann er sich noch in positiver Grundspannung bewegte und wann er auseinander zu fallen drohte, wann er über die Muskulatur trug und wann über das Skelett.

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Die Teilnehmer wünschten sich, dass ich ihn sich bis auf Buggelenkshöhe dehnen lasse, da dies doch „die korrekte Höhe“ sei? Es war gut zu sehen, dass dies ein ungefährer Richtwert sein mag, aber nicht in jeder Situation für jedes Pferd die richtige Höhe. Navarre kam später mit dieser Höhe sehr gut zurecht, Dón fiel hier schon auseinander. Er konnte sich schlicht nicht tragen mit der Nase auf Buggelenkshöhe, seine Grundspannung reichte nicht aus. Das ist allerdings ja nicht an allen Tagen gleich, so dass hierfür vom Reiter das entsprechende Gefühl entwickelt werden muss.

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Um den Teilnehmern ein Gefühl dafür zu geben, wie es ist, in bestimmten Haltungen zu laufen, ließ ich sie durch die Halle traben – mal aufgerichtet, mal „in Dehnung“, mal mit aktiveren Beinen, mal lässig.

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Sie sollten ausprobieren, zu kauen und gleichzeitig den Hals festzumachen oder wie lange man einen Widerstand im Hals aufrecht erhalten kann, wenn man den Hals biegt. Gerade beim Laufen gab es echte Aha-Erlebnisse.

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Durch Spannungswechsel setzte ich Dón bewusst einem gewissen Stress aus und ließ die Teilnehmer beschreiben, was sie sehen. Dóns Gesichtsausdruck veränderte sich mit der Konzentration, und wir unterhielten uns darüber, wann wie viel Stress provoziert werden darf, wann Stress positiv ist, wann negativ, und welche Auswirkungen das auf die Losgelassenheit hat. Denn nachdem ich Dón aus der vermehrten Grundspannung entließ, ließ er sich wieder los, konnte die Spannung aber besser halten. Diese Dinge sind bei ihm natürlich wirklich gut zu sehen.

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Wir kamen noch einmal zurück auf faule Pferde und feine Hilfen und nun verwirrte ich Dón total, als ich auf die Frage, wie ich denn ein faules, triebiges Pferd dazu bringe, (wieder) auf feinere Hilfen zu reagieren, demonstrierte, wie ich ein solches Pferd erst einmal dazu bringe, ohne Schenkelhilfe anzutreten. Dón dachte bei meinen Gertenbewegungen, er müsse mal wieder etwas aushalten – und tat das auch.
Er blieb einfach stehen und hielt das aus. Nicht Sinn der Übung, aber brav 🙂
Dennoch wurde deutlich, worauf bei einer solchen „Umschulung“ zu achten ist.
Und natürlich ging es um Bügellänge und Schenkellage und so 🙂

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Er bewies also eine gute Mischung aus schöner Durchlässigkeit, variabler Losgelassenheit und beginnendem Schwung – mehr Schwung geht bei ihm auf Kosten der Losgelassenheit, die sich aber inzwischen aufgrund des Vertrauens immer wieder schnell herstellen lässt.

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Wir redeten im Stall weiter, während ich Dón wegbrachte. Die Teilnehmer stellten tolle und mutige Fragen, das machte richtig Spaß.

Navarre war nun der, der eine große Losgelassenheit mitbringt, dafür aber (noch) zu wenig Schwung. Schwung muss hier ständig gefördert werden. Er allerdings bewies eine ungeheure Durchlässigkeit im Körper, die manchen Teilnehmern zum ersten Mal so richtig deutlich machte, was „durchlassen“ heißt – er ließ meine Bewegungen durch sich durch, ich seine durch mich und so kam ich, ohne viel mehr tun zu müssen als meine eigene Spannung zu verändern, an Tempounterschiede heran. Das war bei ihm kolossal deutlich zu sehen und zu fühlen.

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Und nur über Schwung ist der bei ihm ja noch immer relativ kurze Hals durch das Reiten verlängerbar. Gefühlt war der Hals am Ende 20 cm länger als am Anfang.

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Diese Durchlässigkeit ging allerdings nur bis zum Genick, da blieb sie oft stecken. Navarre kaute übermäßig auf dem Gebiss herum und lenkte sich damit selbst von der eigentlichen Anforderung ab. Genick, Ganasche und Kiefer waren also nicht ganz so nachgiebig und durchlässig wie der Rest des Körpers.

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In den Stehpausen kaute Navarre extrem auf dem Gebiss herum. Und so lenkte ich ihn einmal ein paar Minuten am Stück von diesem Gekaue ab, indem ich ihn im Trab vorwärts schickte und seinen Hals so schnell beschäftigte, dass er gar nicht mehr zum Kauen kam. Er war verwirrt, aber konzentriert, beim Halten danach dachte er nach, kaute aber immer noch.
Ein direkter Erfolg trat an diesem Tag also nicht ein.

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Der Erfolg kam tatsächlich am nächsten Tag, als Nic und ich zusammen auf dem Platz zu Hause ritten und Navarre in den Stehpausen mit völlig ruhigem Maul entspannte. Großartig!

Er war also das Pferd mit der am besten sichtbaren Durchlässigkeit des Körpers (Genick kommt noch…), der Schwung braucht, aber schon eine gute Losgelassenheit mitbringt.

Der Dritte im Bunde war natürlich Nacariño. An ihm konnte ich im Schritt zeigen, was ich mir unter Nachgiebigkeit vorstelle – nämlich, dass das Pferd alleine auf einen einzelnen „Wink“ des Ringfingers seinen absolut weichem Hals stellt / biegt / beugt.
Absolut weich heißt nun nicht lasch, sondern eben nachgiebig. 
Das macht Nacariño seit einiger Zeit absolut großartig. So konnte ich ihn über den nur über den Zeigefinger gelegten Zügel bitten, im Genick nachzugeben.

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Im Trab und vor allem im Galopp war bei ihm gut zu sehen, dass er hier noch mehr Halt vom Reiter erwartet und sich nur über kurze Strecken selbst tragen kann. Das allerdings tat er dann auch.

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Ich zeigte und erklärte, warum ich bei seinem furchtbar zu sitzenden Trab auf deutlich mehr Versammlungsidee Wert lege und welchen (schlechten) Einfluss auf den Bewegungsablauf leichttraben haben kann.

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Nacariño schenkte mir wieder so ein elfengleiches Angaloppieren links – und, im Gegensatz zu zu Hause hielt er das zum ersten Mal eine halbe Zirkelrunde durch. Ein Sprung nach dem anderen leicht und ohne Hand. Ich freute mich wie verrückt, das fühlte sich wirklich gut an. Auch rechts bekam ich sehr gute Sprünge, insgesamt gab Nacariño sich eine unglaubliche Mühe.

An ihm wollte ich allerdings auch noch demonstrieren, wie ich mir Durchlässigkeit auf Stange vorstelle. Im Stall hatte ich wieder jeden, der wollte, das gebrochene Gebiss und die Stange in die Hand nehmen und die Wirkungen fühlen lassen. Große Augen, wie immer…

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Hier nun durften alle ihre Finger unter Nasenriemen und Kinnkette legen und auch hier direkt fühlen, wie sich ein Anzug des Gebisses anfühlt. Und auch hier wieder – Erstaunen, erkennen und verstehen, dass eben doch nur jedes Gebiss so scharf ist wie die Hand, die es führt. Diese genauen Erklärungen zu den einzelnen Gebissen und vor allem das Fühlen-dürfen sorgen jedes Mal für Aha-Erlebnisse.

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Nacariño demonstrierte Nachgiebigkeit zu beiden Seiten und damit Schenkelgehorsam.

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Dieser ist erst möglich, wenn das Pferd nachgiebig ist, sonst kann es auch dem Schenkel nicht auf leichte Hilfe weichen oder sich von ihm einrahmen lassen. Das hatte Dón schon gezeigt, indem ich ihn gegen die Bewegungsrichtung gestellt (Schulterherein) weichen ließ, Nacariño zeigte dies nun in die Bewegungsrichtung gestellt und gebogen in Trabtraversalen.

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Seine Versammlungsbereitschaft wuchs durch das freie vorwärts, das ich ihm wiederholt im Trab und Galopp gönnte, und so waren wiederholt ein paar richtig gute versammelte Tritte dabei. In diesen Momenten hatte er die geniale Kombination der drei Tagesthemen Durchlässigkeit, Losgelassenheit und Schwung.

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Dass iberische Pferde nicht zwingend frei von Trabverstärkungen sind, stellte mein schöner Weißer ebenfalls mit energischen Tritten unter Beweis 🙂

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Zudem ließ ich ihn einmal auf der linken Hand aus der Schritt-Pirouette angaloppieren und bekam dabei zum ersten Mal zwei echte Pirouetten-Sprünge.
Ich stoppte sofort, lobte ihn wie verrückt und sprang runter.

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Besser kann er kaum gehen… Alle drei Pferde hatten einen schönen Beitrag geliefert zu Durchlässigkeit, Losgelassenheit und Schwung, jeder auf seine Weise und mit seinen eigenen Stärken und Schwächen. Die Teilnehmer hatten tolle – und viele! – Fragen gestellt und saßen nun etwas ermattet bei einem letzten Stück Kuchen.

Das war der letzte Themen-Tag für dieses Jahr. Vielen Dank allen, die 2016 dabei waren – es war toll mit Euch!

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