2.-10.5. – Fortbildungsreise nach Portugal

Im September sprach Richard Hinrichs mit an und fragte, ob ich mitkommen möchte – im Mai wäre eine Fortbildungsreise für die „Trainer klasissch-barock“ geplant. Zu denen mit Brief und Siegel lizensierten Trainern des BfkbR gehöre ich nicht, um so mehr freute mich seine Frage und – ja, natürlich wollte ich mit! Ich nahm also in weiser Voraussicht im Mai zwei Wochen Urlaub (wir müssen unseren Urlaub sehr früh einreichen und der genaue Termin für die Reise stand noch nicht fest), aber es klappte tatsächlich und ich hatte genau während der Reise-Zeit Urlaub. Drei Veranstaltungstage waren vom Bundesverband geplant (Donnerstag, Freitag und Samstag), drumrum konnte man sich selbst organisieren. Ich hoffte, ein paar bekannte Gesichter zu sehen und einige neue kennen zu lernen, denn von Veranstaltungen kennt man sich natürlich zum Teil, aber hier war zu erwarten, dass nicht nur Trainer aus Deutschland anreisen würden. Und so war es.

Für die Buchung von Flug und Unterkunft war jeder selbst verantwortlich. Ich erfuhr zu meiner großen Freude, dass Andrea dabei sein würde, so dass ich versuchte, die gleichen Flüge wie sie zu buchen; sie wiederum erzählte, dass sich eine Freundin um eine Unterkunft und den unverzichtbaren Mietwagen für uns kümmern würde, die bereits ein wenig Lissabon-Erfahrung mitbrachte. Perfekt!

Es waren noch Plätze frei, so dass wir Freunde fragen konnten, und so meldeten sich noch zwei meiner Reitschüler mit an. Wie viele Trainer mitkommen würden, wusste ich nicht, ich rechnete mal so mit um die zwanzig. Spannend! 

Am Dienstag startete unser Flieger – Andrea und ich reisten aus Hamburg an, andere aus Köln, und tatsächlich landeten wir fast zeitgleich. Südländische Gelassenheit bei der Ausgabe des Mietwagens… Hier verbrachten wir die ersten gefühlt zwei, drei Stunden.
Danach bewies Agnes echte Fahrkunst – unsere Unterkunft lag in einer sowas von urtümlichen Lissabonner Gasse, steil bergauf und die Spiegel sollte man besser vorher anklappen. Meine Güte! Der „Parkplatz vor der Tür“ erwies sich als echt abenteuerlich, aber dafür ein ungeheuer netter und fürsorglicher Vermieter – immerhin!

Auf der Fahrt fuhren wir an so einigem Lissabonner „marodem Chame“, aber auch an einem ungeheuer beeindruckend bemalten Haus vorbei.

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Die Wohnung verfügte über fünf Schlafzimmer, und da drei von den ehemals geplanten acht Personen abgesagt hatten, hatte jede von uns ein eigenes Zimmer, fast jedes verfügte über eine eigene Toilette und Dusche. Es gab eine kleine Küche und eine wirklich urige Terrasse. Oder war’s ein Balkon? Hmm, beides nicht so richtig. Unsere zwei Mitbewohner reisten später an, wir richteten uns schon einmal häuslich ein und gingen abends noch zu Fuß einkaufen, der Supermarkt war gut erreichbar und hatte lange geöffnet. Touristengebiet war das hier überhaupt nicht, so dass wir nicht nur portugiesisches Gebrabbel um uns herum hörten, sondern auch sehr gut die jede Nacht gegen 1.30 Uhr anrückende Müllabfuhr…

Der erste Blick frühmorgens aus meinem Fenster sah so aus:
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Ich hoffte darauf, ein bisschen mehr von Lissabon zu sehen als bei meinem letzten Besuch, der ja im Regen unterging. Agnes und Andrea weihten mich jedoch in ihre Pläne ein: sie hatten Unterricht bei keinem Geringeren als Luis Valença, dem portugiesischen Reitmeister dieser Zeit. Seine Anlage liegt in Vila Franca de Xira, etwas außerhalb von Lissabon. Die beiden hatten für Dienstag und Mittwoch je eine Reitstunde und eine Einheit Arbeit an der Hand gebucht. Andrea war sicher, dass ich mich dort einklinken könnte und sehr überrascht, dass ich kein Reitzeug mit hatte. Mit Reiten hatte ich nun ehrlich nicht gerechnet, wobei ich langsam schlauer sein sollte – ich saß bei den letzten beiden Reisen schließlich auch unerwartet auf einigen Pferden.
Da es beim Abflug kalt war in Hamburg, hatte ich immerhin Jeans und meine Vaquero-Stiefel mit (darf ich mit spanischen Stiefeln bei Valença auf’s Pferd…?), die sollten es wohl tun. Immer noch besser als in den Vorjahren meine Ritte in Shorts, die sich in blutigen Knie-Innenseiten rächten – ich reite mir doch immer sofort die Knie auf, wenn die Bügelriemen auf dem Sattelblatt liegen. Noch dazu mit nackter Haut, kein Wunder…

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Wir wurden unglaublich herzlich von Luis‘ Tochter Sofia empfangen. Sie zeigte uns den Hof und die Räumlichkeiten und erzählte viele sehr persönliche Dinge über ihre Familie und die Pferde. Natürlich bewunderten wir auch gebührend die lange Wand, die Luis‘ berühmtesten Pferd, „Sultao“, gewidmet ist und sein Leben in Bild und Text darstellt.

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Luis fragte schließlich, ob wir eine Blick in seine Kostümkammer werfen wollten – „JA!“ – und freute sich sichtlich an unserer ehrlichen Begeisterung. Wir durften aus dem Schrank ziehen und anziehen, was wir wollten und staunten im Kreis. Unglaublich!

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Dann sollten wir auf’s Pferd. Ich war ja nun nicht geplant und so wussten sie nicht so Recht, welches Pferd sie mir geben konnten und als Sofia vorsichtig fragte, ob das auch ein etwas schwierigeres sein dürfe, nickte ich begeistert. Sie zögerte sichtlich und Andrea bekräftigte, dass ich ruhig das „difficulteste horse“ bekommen könne und so lernte ich den großen braunen „Trovador“ kennen, der so um die 14 Jahre alt sein sollte (+/- 3 Jahre…) und bereits abgeritten auf mich wartete. Schade, ich hätte ihn natürlich viel lieber „kalt“ kennengelernt, ihm ging schon ein wenig die Puste aus. Uns wurden knackige Sporen angezogen, alle Pferde gingen auf sichtlich oft gebrauchten Kandaren, an denen ich gerne ein bisschen was verstellt hätte. Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen, wirklich toll war allerdings die Atmosphäre in dieser Halle und der Moment, als ich das erste Mal durch diese Pilaren ritt – also das machte schon ein bisschen Gänsehaut, irgendwas daran, was ich gar nicht genau definieren kann, war toll.
Sofia unterrichtete uns, was sie mit einer ungeheuren Empathie machte, und ich bekam eine halbe Krise, weil ich ihr gut verständliches Englisch zwar verstehen, aber kaum nachfragen konnte, dafür fehlte dann immer irgendein wichtiges Wort.
Sie ließ uns nach einigen Zirkeln Schulterherein und Traversalen reiten und warf immer wieder mal deutsche Worte ein, sehr süß.
Sie ist wirklich ungeheuer herzlich.
Schließlich trabten und galoppierten wir, was in Trovadors Fall so eine Art Pirouette war, die von außen offensichtlich beeindruckend aussah, sich aber schlicht grauenhaft anfühlte. Gefühlt tat diesem Pferd so einiges weh und er mochte einfach nicht mehr. Ich motivierte ihn immer nochmal, aber er tat mir wirklich Leid.

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Andrea und Agnes durften mit ihren hübschen Schimmeln auch etliche Lektionen reiten, also die Pferde, die hier im Unterricht gehen, können schon alle eine Menge, sind aber natürlich nicht so fein, wie man das hier vielleicht hoffen oder erwarten würde, aber das dürfen und können sie auch gar nicht sein, wenn das ihr Job ist, Touristen durch die Seitengänge zu tragen. Diese Pferde sind schon zu bewundern!
Wenn Trovador hier ein schwieriges Pferd ist, dann herzlichen Glückwunsch, ich hatte auf irgendeinen Nacariño-Verschnitt gehofft und wurde schon ziemlich enttäuscht – das einzig „schwierige“ an ihm war, dass er sich sehr auf die Hand legen wollte und schlicht bereits müde war. Er tat mir Leid und in diesem Zwiespalt zwischen dem, was er jetzt eigentlich gebraucht hätte und dem, was er und ich aber tun sollten, ritt ich so, dass ich hoffte, ihm, Sofia und meinem Gewissen halbwegs gerecht zu werden. Gelang nicht so ganz.
Mit solchen Schuhkarton-Boxen müssen die Pferde hier klarkommen…:

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Mittags saßen wir in einem Imbiss in der Nähe. Hier gab es den mit Abstand leckerst-möglichen portugiesischen Nachtisch!
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Zwei Türen weiter gab es ein Reitsportgeschäft. Oh je…
Die Frage nach diesem hatte uns eigentlich überhaupt erst in den Imbiss einkehren lassen, und sowohl in dem Imbiss wie auch in diesem Laden kannte man uns nachher gut – wir kamen wieder. Und wieder… 

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Ich hatte vor einem Jahr in einem anderen Geschäft die hiesigen Amazona-Sättel gesehen und seitdem im Hinterkopf abgelegt. Hier nun war wohl die Haupt-Verkaufsstelle für diese Sättel – reihenweise hingen hier die verschiedensten Modelle.

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Ich fing an zu sabbern. Die Portuguesas taten es mir nicht so an, aber dieser hier…
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Ich fragte nach dem Preis. 700,- Euro. Ja, sowas hatte ich vor einem Jahr auch schon gehört, deswegen waren sie ja im Kopf geblieben. Dieser hier hatte minimale Gebrauchsspuren. Ich wies darauf hin, was aber keinen Effekt hatte. Hmmmm…

Wir wurden erwartet zur nächsten Einheit. Hier kam nun keiner von uns an’s Pferd (Arbeit an der Hand hätte ich mir auch geschenkt, da mein linkes Knie natürlich trotz langer Hose schön wundgescheuert war und ich schnellstens die Hose gegen die Shorts getauscht hatte…), viel mehr saßen wir mit Luis in der Halle auf der Bank in der Ecke, sahen zweien seiner Mitarbeiter zu und er erzählte. Und erzählte. Und erzählte.
Es war toll, ich fand es viel toller als jeder Unterricht hätte sein können, weil er seine Philosophie erzählte und etwas zur Geschichte des Lusitanos und seine persönlichen Gedanken zu der Entwicklung, die die Reiterei so nahm und nimmt. Das war einfach nur großartig!

Das Wetter war so, wie man das in Portugal im Mai erwartet und so verbrachten wir den Abend am Strand von Guincho. War das schön! Ich war bis zum Bauch im Atlantik und hatte nicht übel Lust, noch weiter reinzugehen – und wenn ich das sage, bekennender Warmduscher, dann war das Wasser wirklich warm! Das war ein wunderschöner Abschluss dieses erlebnisreichen Tages.

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Am nächsten Vormittag kamen wir auf die Anlage, als Luis gerade aus dem grünen Mercedes fröhlich winkend an uns vorbeifuhr. Ich meinte später zu ihm, das sei ja die einzig wahre Auto-Marke, worauf er grinste und sagte, der Daimler sei 42 (!) Jahre alt. Tja, so sähe der bei uns ganz klar nicht mehr aus, auch nicht in einer Garage 🙂

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Sofia bewies ein wirklich erfahrenes Händchen – die Pferde waren bewusst und sehr passend für uns gewählt. Agnes hatte mir ihre Jodphurhose geliehen, mein Knie war dick eingesalbt und -gepflastert und so ging es dann auch, zumal ich mein heutiges Pferd längst nicht so zwischen den Knien haben musste und der Bügelriemen hier auch ganz anders lag als in Trovadors Sattel. Der wirklich bildschöne Schwarzbraune (Fast-Rappe), den ich heute reiten durfte, war frischer und gehfreudiger und tat sich mit dem Thema Versammlung längst nicht so schwer. Auch ihn musste ich eher aufrichten als runter lassen, was mir sehr angenehm war. Allerdings musste ich teilweise mit dem Sporn in einer Art und Weise deutlich werden, die mir total widerstrebt – ich hatte gar nicht gesehen, was für Zinken mir da an die Füße gesteckt wurden, das sah ich erst hinterher, um so schockierter war ich, wie resistent er gegen diese Einwirkung war.
Sofia fasste uns alle deutlich mehr an heute, was Spaß machte, sie hatte glaube ich schon Spaß daran, dass sie mit uns so viel machen konnte. Wir ritten schließlich ein kleines Pas de Trois und später noch Einzellektionen. Ich dachte noch so, ich hätte eigentlich Lust auf Serienwechsel (ohne mit dem schönen Dunklen überhaupt einen Wechsel geritten zu sein) und die gedankenlesende Sofia schickte mich prompt in die Serienwechsel.

Auch bei diesem Hengst wurde mir nur wieder deutlich, wie unglaublich leicht und fein ich meine Pferde habe oder mache und dass ich einfach kein Geld mehr ausgeben muss und will für solche Pferde. Die können überhaupt nichts dafür, das sind tolle Pferde, die einen unglaublich harten Job machen hier, und von artgerechter Haltung wollen wir hier ja mal überhaupt nicht reden. Aber ich brauche das einfach nicht mehr, und die Erfahrung war es wert. Was habe ich für großartige Pferde zu Hause… Wer aber einfach mal Lust hat, auf braven Hengsten ein paar Lektionen zu reiten, zu denen er sonst vielleicht nicht kommt, noch dazu in Verbindung mit wirklich wunderbar herzlichem Unterricht, der sollte ruhig mal herkommen!

Wir genossen wieder den tollen Nachtisch im Imbiss und ich stromerte wieder Runde um Runde um „meinen“ Sattel herum. Und beschloss tatsächlich, ihn zu kaufen. Die (so niedliche!!) Verkäuferin Susana meinte „Ich telefonier mal eben wegen des Preises“ und verschwand. Ich war überrascht, hatte ich doch die ganze Nacht auf dem Sattel rumgedacht und hätte ihn – auch mit den kleinen Gebrauchsspuren – für den Preis genommen. Sie kam wieder, grinste mich an und fragte, ob 500,- Euro ok seien? Mir fiel die Kinnlade runter und natürlich war er in dem Moment meiner!!
Nein, war er genau genommen nicht, ich musste ja erstmal den einen oder anderen Geldautomaten leer räumen, da hier keine Kartenzahlung möglich war… 
Aber wir würden Samstag sowieso wieder hier sein, und dann eben mit vollem Portemonnaie. Meins meins meins!!! Freu freu freu!!!

Agnes und Andrea bekamen nachmittags junge Hengste an die Hand und longierten diese unter Anleitung von Luis himself. Ich saß fotografierend und filmend auf der Tribüne und genoss die Atmosphäre – Luis erklärte und half und beide kamen mit den jungen Pferden toll zurecht.

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Nebenbei ritt wieder Charming Boy, der sich gestern schon fast um den Verstand geritten hatte, um uns Mädels auch ja zu imponieren – meine Güte, der hat ein Testosteron-Problem, glaube ich. Unter Luis‘ Augen benahm er sich deutlich kultivierter als gestern, aber das war pures Macho-Gehabe da auf dem Pferd. Wir hatten unseren Spaß. Er ganz offensichtlich auch. Und er saß mal wirklich auf dem schönsten Pferd, das uns dort über den Weg lief…!

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Luis erzählte noch den einen oder anderen Schwank aus seinem Leben und seinen Begegnungen mit Nuño Oliveira und wir genossen diese Zeit. Er schenkte uns ein Heft mit dem Titel „My horses best moments“ und signierte meines mit einem wunderbaren Text.

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Der Abschied fiel nicht leicht, aber wir würden ja Samstag wieder hier sein!

Inzwischen waren Annika und Karo gelandet und wir holten die beiden vom Flughafen ab. Damit war unsere WG vollständig und alle Zimmer belegt. Annika kam schon krank an und fuhr noch viel kranker nach Hause – und wir kamen nicht ungeschoren davon. Ich hatte von dem Infekt mehrere Wochen etwas… Was hatte sie da bloß mitgeschleppt??

Es war nun auch vorbei mit dem Portugal-Mai-Wetter… Ab jetzt war es nur noch nass. Dauerregen bei 9 bis 11 Grad… Und die Wohnung hatte keine Heizung. Ich hatte meine Fleecejacke mit, das war’s dann aber auch. Der Koffer war völlig falsch gepackt, aber wer rechnet denn auch mit sowas? Von daher kein Wunder, dass der Infekt sich sehr hartnäckig hielt / hält...

Am frühen, verregneten Donnerstagmorgen trafen wir uns mit den anderen Teilnehmern vor dem alten Kutschen-Museum in Belém, denn nun stand der erste Punkt des vom Bundesverband organisierten Seminarprogrammes an. Ich war überrascht, wie viele dabei waren – vierzig Leute waren wir wohl!
Zuerst ging es in das Pastéis de Belém, das bekannteste Café (bzw. die „Fabrik“) für die portugiesischen Pastéis de Natas. Die schmeckten hier tatsächlich am besten – ich verschaffte mir in den nächsten Tagen Vergleichsmöglichkeiten!
Der Kakao war auch gut, aber die Lautstärke war unfassbar. An einem der erfolgreichsten Tage sollen hier einmal 75.000 (!!!) Natas verkauft worden sein. Meine Güte!
Also ganz klar so ein richtiger Touri-Anlaufpunkt. Haken dran 🙂

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Danach gingen wir zur neuen Reithalle („Picadeiro Henrique Calado“) der Escola Portuguesa de Arte Equestre. Das ist hier alles zu Fuß zu erreichen und liegt gefühlt mitten in der Stadt, obwohl Belém hier auch an das Wasser angrenzt. Das sahen wir heute aber nicht – bzw. nur von oben…
Der Leiter der Hofreitschule, João Pedro Rodrigues, begrüßte uns und ließ uns einen Blick in die im letzten Jahr renovierten Stallungen werfen. Hier wurden bereits einige Pferde fertig gemacht, die uns dann in der Morgenarbeit vorgestellt wurden. Im Vergleich zu dem, was ich im letzten Jahr auf den Plätzen am Palácio Nacional de Queluz gesehen hatte, war ich tatsächlich ein wenig enttäuscht. Gegen Wien und Jerez noch immer eine deutlich solidere Arbeit, deren Fokus ganz eindeutig auf Takt und Rhythmus lag, aber alle Pferde waren über teilweise weite Strecken eng im Hals. Die Arbeit begeisterte durch ihre unglaubliche Ruhe und Klarheit, verlor aber leider durch die Form, in der die Pferde hier größtenteils gingen. Nicht auch noch hier, dachte ich traurig, nicht auch noch hier…
Wir würden noch einmal hier sein und ich hoffte auf einen zweiten, besseren Eindruck.

Mittags trafen wir uns auf einem Rastplatz und João lotste unsere Kolonne in die Wallachei. Wir standen schließlich auf einer großen Weide unter diversen Jungpferden in diversen spannenden Farben. João präsentierte uns liebevoll und stolz seine Jungpferde, danach etliche Stuten mit Fohlen und schließlich im Stall von Pedro Torres im Clube Dom Carlos I in Cascais noch zwei seiner Hengste. Uns war der Besuch eines Stierkämpfers angekündigt worden und ich hoffte, dass es Torres sein würde – er nahm jedoch gerade in München an der Working-Equitation-EM teil. Ländertausch…
Wie viele Pferde von den vielen gesehenen João selbst besitzt, wurde (zumindest mir) nicht klar, wir sahen derart viele verschiedene Weiden und Herden und fuhren so viel hin und her, dass ich ziemlich den Überblick verlor. Schön zu sehen war, mit wie viel Herzblut er jedes Pferd ansah und anfasste. Ein Horseman durch und durch!

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Für den Abend war ein gemeinsames Abendessen mit den Bereitern angekündigt. Darauf freute ich mich riesig und war etwas enttäuscht, als dann nur zwei kamen. João Pedro Rodrigues und Paulo Sérgio Perdigão, den wir auf der Anlage von Pedro Torres kennengelernt hatten, saßen am langen Mitteltisch. An unserem Tisch blieben zwei Plätze frei und die Lautstärke im Raum ließ ahnen, dass wir nicht viel verstehen würden von den Fragen und Antworten. Hmmm… 
Doch die Tür ging nochmal auf und weitere Bereiter kamen dazu – João Quintas und Carlos Tomás setzten sich zu unserer riesigen Freude an unseren Tisch. Später kam noch Gonçalo Soares dazu und setzte sich mit an den mittleren Tisch.
Wir durften alles, alles fragen. Und es waren teils extrem persönliche Fragen, die wir stellten – wir wurden immer mutiger und den beiden war die Freude anzumerken, sich mitzuteilen. Das alles fand auf englisch statt. Es war wunderbar – zwar viel zu laut im Raum, das nervte, aber die Einstellung zu den Pferden und zu der Art, wie sie diese ausbildeten, wurde uns auf eine so wunderbare Weise näher gebracht und so von Herzen vertreten, das war einfach toll. Insbesondere João Quintas ließ uns den einen oder anderen Blick in seine Seele werfen. Ein tief beeindruckendes Erlebnis!

Am Freitagmorgen trafen wir uns wieder im Picadeiro Henrique Calado zu dem speziell für uns gestalteten Seminar-Vormittag, der uns die Arbeit der Bereiter und den Ausbildungsweg der Hengste näher bringen sollte. Wieder durften Fragen gestellt werden. Und nun bewiesen die Bereiter Mut und Rückgrat: sie waren am Abend beim gemeinsamen Essen mehrfach auf die recht eng gehenden Pferde angesprochen worden. Auch an unserem Tisch. Und anstatt Ausreden zu suchen oder das abzuwiegeln, gingen sie sowohl gestern Abend, aber noch viel beeindruckender heute darauf ein – von sich aus.
Die Arbeit, die wir hier sahen, war genau so umwerfend, faszinierend, ehrlich, akkurat wie das, was ich im letzten Jahr in der Morgenarbeit gesehen hatte. Da war es wieder – sauber und korrekt  gerittene Pferde, mit ungeheuer viel Gefühl und Souveränität ausgebildet.

Vor den Zuschauerreihen lag eine Holzplatte und ich ahnte, was kommt – wenn ich eines nicht mag, ist es eine Piaffe auf einer Platte, weil ich das bislang nie „in schön“ erlebt habe. Nirgendwo hört man Taktunreinheiten besser. Auf Sand sieht man sie nicht so, auf einem Brett hört man sie natürlich und ich finde, das macht eine schöne Piaffe kaputt. Meins ist das also gar nicht, allerdings fiel mir ein, dass ich im letzten Jahr bei der Morgenarbeit ein Pferd im Terre á Terre auf der Platte gesehen – na, mehr gehört – hatte, und das war der Hammer!
Wenn im Terre á Terre der Takt ein wenig variiert, macht das nichts, in einer Piaffe ist es einfach nicht schön.

Hier nun aber erlebten wir tatsächlich den echten Zweitakt einer Piaffe und ich wünschte mir dieses großartige Geräusch als Klingelton auf meinem Handy… Das war toll!!!

Zuvor gab es eine theoretische, mit Bildern unterlegte Wanderung durch die Jahrhunderte und die Entstehung des Lusitanos. Wir saßen nicht oben auf der Tribüne, sondern unten direkt in der Halle. Für dieses Seminar waren noch mehr Teilnehmer angereist, wir saßen in drei Reihen an der kurzen Seite.

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Arbeit an der Hand, ausgezeichnet gerittene Pferde und Schulen über der Erde wurden gezeigt und von uns genossen. Was für traumhaft schöne, beeindruckende Bilder!

Anschließend ging es erst in das alte, dann in das gegenüberliegende neue „Museu Nacional dos Coches“. Im alten Kutschenmuseum bewunderten wir die ehemalige Reithalle, in der jetzt alte Kutschen stehen.

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Hier gab es auch diverse „Kleinigkeiten“ zu bestaunen.

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Völlig anders kam das sehr moderne, neu gebaute Kutschenmuseum auf der anderen Straßenseite daher. Noch mehr Kutschen? Hmmm… Das schlechte Wetter ließ uns doch reingehen – und was wir dann sahen, haute uns schlicht um. Was für eine Sammlung! Unglaublich! Hier wurden und werden diverse Kutschen restauriert. Sowas habe ich überhaupt noch nie gesehen. Der Besuch lohnt sich wirklich!

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Am Samstag trafen wir uns wieder bei Valença. Luis erwartete uns mit einem Regenschirm und begrüßte uns wie jahrelange Freunde herzlich und einfach nur liebenswert. Alle Seminarteilnehmer durften das Sultao-Museum und die Kostümkammer bewundern. Danach begann das Programm in der neueren Halle, die an der kurzen Seite offen ist und an zwei Seiten von Tribünen eingerahmt ist. Eine wunderbare Halle, deren offene Seite aber bei diesem fürchterlichen Wetter leider so überhaupt nicht zur Geltung kam. Luis erklärte, Beamer-unterstützt, die Entwicklungsgeschichte des Lusitanos und des Stierkampfes und den Ausbildungsweg seiner Pferde. Diesen zeigte er dann auch – wir sahen mit verschiedenen Pferden den Weg von der Longenarbeit über die Arbeit an der Hand zum gerittenen Pferd und er selbst demonstrierte noch mit einem Schimmel ein paar Schulen auf und über der Erde. Eingeleitet wurde die Demonstration durch die Vorstellung zweier sehr unterschiedlicher Lusitano-Typen, so dass er damit auch auf die Entwicklung einging, die die Zucht nimmt. Hier und da warf er natürlich witzige Geschichten ein, er ist einfach auch ein Erzähler, vor allem aber wirklich mit Leib und Seele ein Pferdemann. Die Pferde, die wir hier sahen, machten einen anderen Eindruck als die, die wir als Lehrpferde kennengelernt hatten, aber das ist ja auch nur zu verständlich, denn die Pferde, die an diesem Vormittag in der Halle waren, dürfte man kaum einem Reit-Touristen in die Hand drücken. Etwas mehr als 50 Pferde stehen hier, und ich finde es absolut bemerkenswert, dass auf dieser räumlich extrem begrenzten Anlage alles möglich ist: große Show-Stars neben Pferden, die etliche Unterrichtsstunden unter wildfremden Reitern brav absolvieren.

Nach der Vorführung wurden wir in einen Saal geleitet – es war angerichtet. Meine Güte! Was für eine Verköstigung! Auch hier so liebevoll, so schön gemacht, es gab etliche verschiedene Gaumenfreuden und hier kam man ins Gespräch, Sofia und Luis gaben bereitwillig Auskunft und hatten sichtlich Freude an dem Zusammensein, obwohl hier schon ganz andere Planungen anstanden – in der nächsten Woche wurde zahlreicher Besuch erwartet, die Anlage wurde an allen Ecken und Enden auf Hochglanz gebracht, und so taten uns Valenças um so mehr Leid, denn die heftigen Regengüsse ließen natürlich alles absaufen, auf diese Wassermassen sind diese Böden einfach nicht eingestellt. Das sickert hier nicht so weg, das steht erstmal…

Der Abschied fiel überaus herzlich aus. So willkommen fühlt man sich wirklich nicht überall, und das bei den Unmengen an Menschen, mit denen die es hier zu tun haben!

Wir hatten das riesige Glück, dass João Mimoso mitgereist war, denn ohne ihn wäre hier so einiges schwieriger oder unmöglich geworden. Der geborene Portugiese führt mit Anne Woelert in Frankfurt eine Reitschule. João hatte bei Luis Valença gelernt und hier großartig gedolmetscht.

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Der nächste Programmpunkt wurde von mir mit Hochspannung erwartet – der Besuch eines Stierkämpfers stand auf dem Plan. Hatte ich vorher noch gedacht, dass es sich hierbei um Pedro Torres handeln könnte, hörte ich nun, als ich João nach dem Namen fragte, so ein typisch portugiesisches Kauderwelsch aus Sch-Lauten. Ich verstand nix.
Ist ja nun aber auch nicht so, dass ich mich in der portugiesischen Stierkampfreiterszene auskennen würde. Egal – ich war gespannt!

Dem klaut schon mal keiner seine Pferde. Bis wir schließlich alle diese sowas von versteckte Anlage, an der so ziemlich alle Navis scheiterten, denn es gab keine Adresse, nur Koordinaten, erreicht hatten, versank Portugal – und eben diese Anlage – bereits im sintflutartigen Regen. Aber schließlich waren wir alle da – bei António Maria Brito Paes. Wir flohen in den Stall – und standen den mit Abstand schönsten Lusitanos gegenüber, die wir bislang gesehen hatten. Nichts gegen die Altér Reals der Hofreitschule, aber hier standen unfassbar schöne Pferde verschiedenster Farbschläge, unter anderem der dunkle Palomino „Florito“, eines seiner derzeit besten aktiven Stierkampf-Pferde, und der aus der Zucht seines Vaters stammende lackschwarze Rappe „Éfoso“, der in seiner Box eine Show aus Black Beauty, Fury und Blitz abzog, dass es nur so eine Wonne war (aber erst ab mindestens fünf Zuschauern, die er allerdings auch leicht anzog). Uns gingen die Augen über. Was für eine Qualität, was für Gesichter! Und das in Boxen, die für hiesige Verhältnisse durchaus als groß zu bezeichnen sind, luftig, mit Zwischengittern, so dass sich alle Hengste sehen können, das Ganze U-förmig um einen Innenhof herum angelegt, also das war schon eine großartige und durchdachte Anlage.

Wir durften einen Blick in die Sattelkammer werfen – die verfügte über einen Kamin, in dem ein Feuer brannte, um das Sattelzeug trocken zu halten. Wohnzimmer-Charakter zwischen Unmengen Lederzeug, so könnte mein Wohnzimmer auch aussehen 🙂
Die offenen Strom- und Gasleitungen in der gegenüberliegenden Ecke muss man vielleicht auch nicht überbewerten. Schluck…!

In der Stallgasse durften wir ganz genau hinsehen, als eines seiner Pferde nur für uns mit dem vollen Stierkampfpferde-Outfit herausgeputzt wurde. Das Einflechten und die Technik, die Bänder in der Mähne zu befestigen, wurde uns genau gezeigt.
Einer seiner Stall-Jungs humpelte auf Krücken und mit einem Gipsfuß in die eine Box, in der ein angebundenes Pferd wartete, stellte die Krücken in die Ecke, hievte sich irgendwie mit einem Hechtsprung auf den Hocker und stand schließlich einbeinig auf eben diesem und begann, die Mähne einzuflechten. Hart im Nehmen…

António zeigte uns in seiner Halle (zum Glück hat er eine Halle!) verschiedene Pferde in diversen Lektionen und auch in der Arbeit mit dem „Pseudo-Stier“, der von einem seiner Jungs durch die Bahn gerollt wurde. Beeindruckend hier vor allem, dass sein Leben im Zweifel ja wirklich von seinen Pferden abhängt und wir somit das vermutlich ehrlichste Reiten gesehen haben, denn wenn er bei der Ausbildung seiner Pferde für einen Showeffekt schummelt, kann dies im nächsten Kampf das Ende für sein Pferd oder ihn bedeuten. Man mag über Stierkampf denken, wie man will, hier wurde deutlich, wie viel Wert er auf absolute Durchlässigkeit und echtes, ehrliches Reiten legt, bei dem er das Pferd als wirklichen, mitdenkenden Partner auf seiner Seite haben muss.
Die Pferde waren wirklich der Hammer. Unglaubliche Bewegungen, unglaublicher Gehorsam, aber ein guter Gehorsam – stolze, selbstbewusste, strahlende Pferde!
João leistete auch hier großartige Übersetzungsarbeit, die nicht einfach nur eine Übersetzung dessen war, was António uns vermitteln wollte, sondern viel mehr, da João ja selbst mit dieser Reiterei in diesem Land groß geworden war und somit nicht nur Worte übersetzte, sondern auch ein Gefühl, eine Leidenschaft vermitteln konnte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich irgend jemand der Faszination dieses Tages entziehen konnte.

Er wollte uns doch so gerne noch die Arbeit am echten Rind zeigen… Das wäre eine junge Kuh gewesen, die er bei dem Wetter aber auf der Weide gelassen hatte. Für diese Demo, die leider im Freien stattfand, musste nun ein 19jähriger (!) schwarzer Stier herhalten, der von einem Helfer in die Bahn geschoben wurde, stehen blieb, uns ansah und zu fragen schien, ob wir denn wohl alle nicht ganz klar im Kopf sind.
Bei dem Wetter??

Diese Show wurde so witzig – António ließ seinen Schimmel nur so mit den Lektionen spielen, ritt in strömendem Regen Spanischen Schritt, Serienwechsel, Piaffe, Passage und Pirouetten, während sein Helfer versuchte, den Stier mit Hilfe eines Regenschirmes ein wenig in Bewegung zu setzen, was den überhaupt nicht beeindruckte. Er stand da, guckte hier und da mal dem Pferd hinterher und wartete ab, wann das ein Ende haben möge.
Wir standen in einem Raum daneben, sahen aus den Fenstern und lachten uns scheckig. Das Pferd machte seine Sache großartig, der Stier durfte wieder zurück in seine Unterkunft (das waren die schnellsten Schritte, die wir von ihm sahen), und António kam zu uns und wurde mit großem Applaus empfangen.
Auch hier war äußerst liebevoll der Tisch gedeckt worden, mein klarer Favorit war eine Orangen-Gebäckrolle und ein fantastisch schmeckender Milchreis. Der war auch als erstes leer.
Man unterhielt sich, António und seine Frau waren herzlich und fröhlich und ich hatte das Gefühl, dass António sich unter uns so richtig wohlfühlte und sich freute, nicht Stierkampf-Gegnern gegenüber zu stehen – wobei die Teilnehmergruppe möglicherweise geteilter Meinung war, was den Stierkampf angeht, aber es wurde nicht thematisiert und niemand griff ihn an oder stellte dazu blöde Fragen, sondern sein gutes, ehrliches Reiten wurde ehrlich honoriert, gelobt und bis zu einem gewissen Grade bewundert – und das zu Recht. Das war ganz, ganz großes Kino, was uns hier geboten worden war!

Wir fuhren beseelt von so vielen schönen Eindrücken nach Hause und zogen uns um für den Abend – João hatte über seinen Vater in einem Fado-Restaurant Tische und ein Essen für uns bestellt. Fado! Au ja! Ich war so gespannt…
Der Sänger war toll, aber leider sang er zum Einen viel zu wenig – alle halbe Stunde mal zwei Stücke, und auch das nur vier oder fünf Mal – und zum Anderen ging seine wunderbare Musik leider im lauten Gequatsche ein wenig unter. Hier hätte ich mir ihm gegenüber mehr Respekt in Form von Klappe halten und zuhören gewünscht…

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Es wurde allerdings noch ungeheuer witzig. Ich machte so ein bisschen die Runde, nutzte die letzte Chance auf einen kurzen Smalltalk mit bekannten und mir noch nicht so bekannten Mitreisenden, und fand mich schließlich an einem Tisch mit den beiden Süddeutschen Betina und Kirsten wieder. Ich brauche ja bekanntlich keinen Tropfen Alkohol, um mich dennoch zu benehmen, als hätte ich einen im Tee, und so tanzten wir schließlich und lachten und erzählten. Es war einfach zu und zu lustig. Was für ein wunderbarer Tag, was für ein krönender Abschluss!

Das waren also die drei Tage des Seminar-Programms gewesen, morgen hatten wir noch einen Tag zur freien Verfügung, Montag früh ging der Flieger nach Hause. Annika flog total krank nach Hause und hatte Karo und mich richtig satt angesteckt. Das wusste ich allerdings am letzten Tag noch nicht, an dem wir – in weiten Teilen zu Fuß – Lissabon erkundeten. Wir machten so richtig Kilometer und sahen wirklich viel von der Stadt. Das Wetter spielte so einigermaßen mit. Am Tejo-Ufer war es ungeheuer windig und frisch, in den vielen Gassen ging es aber.

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Ich wollte unbedingt auf den Aussichtsturm. Und diesen Moment genoss ich wirklich – die Aussicht ist einfach der Hammer hier. Man kann einmal ganz rum gehen und auf alle Teile Lissabons herunterschauen. Einfach toll. Teuer, wie so vieles hier, aber das lohnt sich!

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Abends im Bett sah ich die Fotos auf der Kamera durch, wie jeden Abend. Und wie jeden Abend löschte ich die nicht so guten. Und dann rutschte mir der Finger ab. Ich sah nur noch „Alle löschen“ und zog blitzartig die Speicherkarte aus dem Fach – zu spät.
Das Löschprogramm bei dieser Kamera ist bescheuert, diverse Klicks für das Löschen eines Bildes, aber nun reichte dieser eine Ausrutscher für das Löschen der gesamten Karte… Wer mich kennt, mag ahnen, was in dem Moment in mir vorging. Das Schlimmste war wohl, dass ich die einzige war, die am Samstagmorgen in der Hofreitschule hatte fotografieren dürfen. Das war dort ganz klar verboten, aber die Bilder waren so schön, dass ich fragte, ob ich nicht vielleicht doch und nur für die Gruppe und nicht zum Veröffentlichen… Ich durfte. Andere Bilder mögen sich wiederholen lassen – diese nicht. Mir war wirklich so richtig nach Heulen zumute.

Ich ließ die Speicherkarte draußen, packte die gut weg, hoffte, dass sich vielleicht doch noch etwas retten ließe. Es war der letzte Abend, die Koffer waren gepackt, beim Flug nicht fotografieren zu können, konnte ich verschmerzen. Ich hatte sowieso keinen Fensterplatz bekommen, also egal. Nun wollte ich auch nach Hause…

Am Montagmorgen stehen Andrea, Karo und ich am Flughafen, wir hatten online eingecheckt, die beiden sind fertig, ich stelle meinen Koffer auf’s Band, halte der Mitarbeiterin Ticket und Ausweis entgegen, sie guckt hin und her und her und hin und schließlich mich an und sagt „Ihr Ticket ist für morgen“. Da verstand ich, wo der Ausdruck herkommt, dass einem alles auf dem Gesicht fällt. Mir fiel alles aus dem Gesicht. Wann und wie das passieren konnte – ich habe keine Ahnung. Ich war fassungslos.

Umbuchen ging nicht, Flieger voll, auch der nach Bremen. Und nun? 
Mein Handy hatte nur mit W-Lan Internet-Empfang, aber SMS schreiben konnte ich immerhin. Eine aus unserer Truppe hatte bis Dienstag gebucht. Sie smste ich schließlich an, ob ich irgendwie bei ihr unterkommen könne und sie antwortete fast sofort, das sei kein Problem. Wir hätten dann am nächsten Morgen denselben Flieger.
Ich fuhr also mit dem Taxi nach Belém, sie hatte tatsächlich eine kleine Wohnung mit zwei Schlafzimmern – mehr Glück konnte ich doch in diesem Moment gar nicht haben! Nicht dass ich auf diesen Tag noch Lust hatte, ich wollte nach Hause zu meinen Tieren, aber nun war es eben, wie es war. Machen wir das Beste draus…
Das war dann, dass wir im Regen ins Oceanário gingen. Das war tatsächlich sehr schön und entschädigte ein wenig. Zuvor hatte ich mir noch eine neue Speicherkarte gekauft und konnte hier zumindest Bilder machen. Wir stromerten noch ein wenig durch Lissabon, mit ihr war das absolut großartig, sie findet sich einfach zurecht mit Buslinien und wo was ist – da wäre ich ja grenzenlos verloren, sowas liegt mir ja überhaupt nicht.

Im berühmten ältesten Café Lissabons glichen wir unseren Blutzuckerspiegel aus, saßen allerdings ungünstig, so dass der kalte, feuchte Wind mir jedes Mal in den Nacken pfiff, wenn die Tür aufging. Und die ging permanent auf. Ich merkte schon, dass ich krank werden würde.

Am Dienstagmorgen klappte alles gut, wir bekamen schnell ein Taxi zum Flughafen, dort lief alles glatt, und dann waren wir in der Luft. Ich freute mich auf zu Hause.

Vier Wochen nach der Reise erst schrieb ich diesen Bericht fertig, weil ich die Hoffnung auf meine Fotos nicht aufgeben wollte. Und tatsächlich habe ich meine Speicherkarte wiederbekommen, die eine Reitschülerin ihrem Onkel gegeben hatte. Er hat es hinbekommen. Alle Fotos konnten gerettet werden!!!

So weit gesund war ich inzwischen auch wieder, obwohl der Infekt fies war und sich lange gehalten hat – also wenn ich gefragt wurde „Und? Wie war’s in Portugal?“ dann konnte ich das nicht in einem Wort, ja nichtmal in einem Satz beantworten…

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