Franco

in meinem Besitz ab 24.12.1986, gestorben am 6.1.1995

* 16.7.1975
Rheinländer / Zangersheide
Braun
Wallach
Stm. ca. 1.65 m
Vater: Fürst Ferdinand v. Ferdinand (Ferrara) a.d. Adelsamt v. Abel
Mutter: Andrea v. Agram (Alkoven) a.d. V.5708

 

1986 begann ich die Ausbildung zur „Bereiterin FN“ im Schleglerhof in Heimsheim. Hier standen diverse bis Kl. S erfolgreiche Dressur- und Springpferde. So auch der elfjährige Franco. Er war eines meiner Berittpferde, was in seinem Fall hieß: Schlaufzügel, 20 Minuten Trab und Galopp auf beiden Händen, hier und da mal ein fliegender Wechsel, fertig. Zurück in die Box, alle vier Beine dick bandagieren. Wohlgemerkt: die Trense hatte keine normalen Zügel. Nur den immer eingeschnallten Schlaufzügel. Sachen gibt’s…
Ich mochte ihn reiten, hatte auch sonst einen Draht zu ihm, versuchte natürlich mal irgendwann in einem unbeobachteten Moment, ihn ohne Schlaufzügel zu reiten und versagte kläglich. Kopf in der Regenrinne, keine Chance.

Ich hatte damals meinen Donni mit nach Heimsheim gebracht, ließ ihn jedoch im Dezember 1986 (erst zwölfjährig…) einschläfern, weil an ihm so ungefähr alles krank war, was möglich war. Meine Eltern schenkten mir daraufhin Franco zu Weihnachten. Wir hatten nicht wirklich darüber nachgedacht, warum ein gesundes, hocherfolgreiches Springpferd im besten Alter so billig war.

Heimsheim, Dezember 1986

Franco trug zwei Brandzeichen: den des Gestütes Zangersheide und den des Rheinländers. Züchter war kein Geringerer als Werner Schockemöhle, der die damals im Springsport hocherfolgreiche Agram-Tochter „Andrea“ tragend an Leon Melchior verkaufte. Francos Vater war der Ferdinand-Sohn Fürst Ferdinand. Also allerbestes Springblut der damaligen Zeit.

Franco war siebenjährig bereits erfolgreich Deutsche Meisterschaften gelaufen im Springen und hatte mehr Besitzer, als in die Papiere passten. Da war ein Anhang dran, sowas hatte ich bis dahin auch noch nie gesehen. Und ich erfuhr noch von welchen, die gar nicht drin standen (der Equidenpass war noch nicht erfunden. Der hätte aber auch nicht gereicht).
Vieles andere erfuhr ich nur, indem es mir passierte. Ich wollte meine Jacke ausziehen und auf die Bande legen und lag beim ersten Versuch im Dreck. Jeder Griff in Richtung Bande ließ ihn abhauen. Er ging nicht rückwärts und wenn doch, raste er mit Tempo 180 zwanzig Meter am Stück rückwärts. Es gab Tage, an denen er sich weigerte, die Halle zu betreten, wenn er eine Stange darin sah. Er kannte keine Weide (mehr) und sprang sofort über den Zaun hinter mir her, wenn ich wegging.

Hätte ich damals schon verstanden, dass sie alle mental kommunizieren, wir hätten uns viel erspart. Ich wusste es nicht (glaubte auch nicht daran) und versuchte vieles auf konventionellem Wege. Und musste mich von ihm eines Besseren belehren lassen. Ich musste Wege suchen und finden, damit wir zusammen kamen. Ich vertat mich oft, fand aber offenbar auch viele Ideen, die für ihn gut waren. Wir gingen viel spazieren und er sprang hinter mir her über Gräben und kleine Stämme. Das machte ich später auch in der Halle mit Stangen. Relativ schnell vertraute er mir in vielen Situationen, so dass ich 1987 die ersten Starts in A- und L-Springen wagte.

L-Springen Heimsheim 1987

Auf Turnierplätzen jedoch reichte unser Vertrauen anfangs noch lange nicht immer. Es dauerte Jahre, bis er unter mir auch Gräben und weite Oxer bedenkenlos sprang. Dann allerdings trug er mich auch durch meine ersten M-Springen.

M-Springen in Kiel-Landgraben, 1991

Er konnte anfangs vor Oxern den Urin nicht halten und pinkelte im Parcours (im Galopp…) vor den Sprüngen, wenn die für ihn weit aussahen. Später erfuhr, dass er mit Strom (!!!) gesprungen worden war und dies wohl ein typisches Anzeichen solcher Pferde ist. Er verweigerte anfangs hartnäckig Wassergräben; nach einiger Zeit wagte er zwar den Absprung, ließ sich dann aber schlicht über dem Sprung fallen, so dass wir einmal etliche rot-weiße Stangen zertrümmerten, die den Oxer über dem Wassergraben bildeten. Der Parcoursdienst konnte den nun nicht wieder aufbauen und so ritt ich (war nicht erlaubt, aber bot sich gerade an) den Trümmerhaufen einfach nochmal an – und Franco sprang.
Ab dem Tag verweigerte er nie wieder einen Wassergraben.

M-Springen, Kiel-Landgraben 1991

Nach der Bereiterprüfung 1988 nahm ich Franco mit nach Velbert. Hier arbeitete ich ein Jahr und gab viel Kinderunterricht. Unter anderem machte ich hier auch einen Reitabzeichenlehrgang, in dem Franco einige Reiter zu ihrem Reitabzeichen trug.

Liebling aller Kinder – Reitabzeichenlehrgang Velbert 1989

Nach einigen Jahren konnte ich ihn auch immer häufiger ohne Schlaufzügel reiten. Schließlich ging ich (inzwischen längst in Schleswig-Holstein sesshaft) mit ihm ein paar Jagden und auch Geländeritte und Vielseitigkeiten.
Wir wurden Kreismeister im Springen und sammelten diverse Schleifen.
Unsere Beziehung wurde aber oder gerade auch außerhalb der Turnierplätze immer inniger und vertrauter. Viele blieben einfach mal an der Halle stehen und sahen uns zu, weil unser leichtes, vertrautes Zusammenspiel seinen ganz eigenen Reiz hatte.

endlich auch ohne Schlaufzügel – 1991

Bei Franco lernte ich, um 28 Ecken zu denken, sofort (und doch noch oft zu spät) eine Forderung zurückzuziehen, wenn er Angst bekam und panisch wurde, und er belohnte mich so sehr dafür. Was er wirklich für mich bedeutete, verstand ich erst in den Jahren nach seinem Tod. Ihn zu verlieren war furchtbar und es dauerte über ein halbes Jahr, bis ich seinen Tod halbwegs weggesteckt hatte. Sein wirkliches Vermächtnis jedoch war mir da noch überhaupt nicht bewusst. Ich wage zu behaupten, dass er der Auslöser dafür war, wie ich heute mit Pferden arbeite und umgehe. Er war der Wegbereiter.
Ganz unglaublich war auch – und auch das habe ich erst nach seinem Tod richtig erkannt – dass er Menschen innerhalb von Sekunden in gut und schlecht unterteilen konnte. Und er hatte immer Recht. Vielleicht sogar in gut oder schlecht für mich – entweder ließ er jemanden an sich ran oder er drehte sich weg. Hätte ich das mal früher verstanden, es hätte mir vieles erleichtert 🙂
Ich habe bislang kein Pferd mehr kennengelernt, das diese Fähigkeit so stark besaß.

Pause…

Mit ihm ritt ich schließlich Lektionen wie Traversalen, Zweierwechsel (auf einem freien Feld einmal 29 am Stück…) und Ansätze zur Passage.
Er war ungeheuer beliebt bei Reitschülern aufgrund seiner sanften, freundlichen Art und seiner Leichtrittigkeit. Franco war einfach ein Genuss.

.

*****    FÜR FRANCO    *****

1991
So lange schon wollt‘ ich’s niederschreiben,
nun soll’s nicht länger beim Vorhaben bleiben.
So vieles, was ich Dir sagen will –
so vieles, was ich für Dich fühl‘!
Wir haben zusammen schon so viel erlebt,
sind zusammen auf Wolken geschwebt,
haben auch manch‘ bösen Streit gekriegt –
Du hast am Ende immer gesiegt.
Du hast mir gezeigt, was Gefühl sein kann,
erinnerst mich tagtäglich daran.
Zeigst mir nun seit über sechs Jahren
dass auch unsere Streits immer wichtig waren.
Ohne sie und die vielen Unstimmigkeiten
im täglichen Umgang und vor allem beim Reiten
konnte mein ganzes Verhältnis zu Pferden
nie das, was es jetzt ist, werden.
Mit keinem ging es so auf und ab;
kein Pferd, über das ich so nachgedacht hab‘.
Nie aufzugeben – es hat sich gelohnt,
Du hast mich dafür reichlich belohnt.
Wenn ich die Augen schließe, stehst Du vor mir.
Meine Stimmung richtet sich meistens nach Dir.
Wenn ich mal müde oder traurig bin
hältst Du oft den Kopf still zum Kuscheln hin.
Umgekehrt das gleiche Spiel –
daß ich oft Deine Laune fühl‘.
Wir sind so vertraut und ich glaube daran,
dass nichts dies Vertrauen erschüttern kann.
Und dass – was sollte auch immer passieren –
wir uns nie mehr ganz verlieren.
Natürlich wünsch‘ ich Dir noch ein langes Leben
und dass wir noch viel zusammen erleben.
Noch weiß ich nicht, wie es irgendwann ist,
wenn Du mal nicht mehr bei mir bist.
Doch alles, was wir uns gegeben,
lässt Dich in mir immer weiterleben.
Du hast mich verändert, weil ich Dich ließ;
gabst mir das Gefühl, zu gewinnen, ohne dass Du verlierst.
Du konntest mich ändern durch die Liebe in mir;
der Sieg letztendlich gehört immer Dir.
Kein Pferd bisher, welches ich so geliebt –
Franky, danke, dass es Dich – und uns – gibt!

1993
Bis hier schrieb ich wenige Wochen bevor
ich Dich fast durch eine Kolik verlor.
Ich hab‘ Dir das noch nie vorgelesen
und fast wär’s dafür zu spät gewesen.
Denn völlig unvorhersehbar
war Dein Ende so bitter nah.
Der Kampf in der Klinik, die Angst um Dich,
das Wissen darum, allein schaffst Du’s nicht.
Die Ärzte hatten Dich aufgegeben;
und dann doch noch die Chance zum Überleben…
Ich glaube, in diesen schweren Stunden
haben wir noch mehr zueinander gefunden.
Es geht mir immer noch unheimlich nah,
wie furchtbar knapp es in der Nacht um Dich war.
Im Moment ist jeder Tag mit Dir
für mich ein Geschenk, und ich bin dankbar dafür.
Dankbar, Dich nicht verloren zu haben;
dankbar für die Zeit, die wir jetzt noch haben.
Natürlich wird’s irgendwann doch so weit sein –
irgendwann lässt Du mich wohl allein.
Doch ich habe eine Erfahrung gemacht
als ich dachte, Du kommst nicht zurück nach der Nacht:
Ich war Dir mit dem Gefühl so nah,
spürte, wie es Dir ging und was mit Dir war.
Und sollten wir wieder vor der Entscheidung stehen,
werde ich den letzten Weg auch mit Dir gehen.
Und ein Gedanke macht es nicht ganz so schwer –
„trennen“ kann uns sowieso nichts mehr …

1995
Nun ist es vorbei. Ein bitteres Ende.
Du gibst Dich gänzlich in meine Hände.
Ist Deine Zeit auch zu Ende mit mir,
meine noch lange nicht mit Dir.
Nun wird sich zeigen, ob ich Dich erkannt,
ob ich Deine Lehre richtig verstand.
Ich durfte durch Dich so viel erleben;
Du hast mir so viel mitgegeben.
Ich denke, ich habe Dich so sehr geliebt,
dass etwas von Dir in mir weiterlebt.
Mein Bestreben wird sein, das weiterzugeben,
was Du geschafft hast, mir vorzuleben.
Ich kann nur nichts mehr formen an Dir –
doch Du noch immer so vieles an mir.
Du bist mir so nah und fehlst doch jetzt schon so sehr;
der Abschied fiel so furchtbar schwer.
Vieles wurde mir durch Dich erst bewusst,
und ich hoffe, Du weißt und hast immer gewusst,
wie wichtig Du warst und immer noch bist –
es wird lange dauern, bis diese Wunde sich schließt…

Es hat lange gedauert. Sehr lange. Franco wird immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben. Ihm habe ich einen Großteil meiner jetzigen Art, mit Pferden umzugehen, zu verdanken.

. DANKE, FRANCO .

Dressur Kl. A
Sportstafette  (1 Platzierung)
Stafettenspringen  (3 Platzierungen)
Mannschaftsspringen  (2 Platzierungen)
Springen Kl. A  (4 Siege, 12 Platzierungen)
Springen Kl. L (2 Siege, 10 Platzierungen)
Springen Kl. M
Kreismeisterschaft Springen (1 Sieg)
Geländeritt Kl. A
Vielseitigkeit Kl. A
Kreismeisterschaft Military
Staffelritt
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