Dezember

Donnerstag, 3.12.

Nacariño war ein echter Rotzlöffel heute. Völlig überdreht, er wollte was tun. Na, das konnte er haben. Das Wetter war gut (!), reiten bot sich sehr an. Ich putzte – was sich sehr lohnte und ein wenig hinzog – im Wellness-Angebot heute: Schlammpackung!

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Ich sattelte in der Box, die Tür stand halb auf, die nach außen leider auch. Zack, weg war er. Durch die Tür rausgesprungen und auf und davon. „Ich fang schon mal an“ dachte er sich und trabte Richtung Platz. Brav, der Gute. Ich würde aber gerne gemeinsam…?

Direkt neben dem Platz grasten Pferde. Um da zu zu machen, hatte ich die Litze von der Weide rübergezogen. Sprich: die Weide war offen. Nicht, dass da im Moment ein Pferd rauf soll, aber das hatte Nacariño ja keiner gesagt…

Das ist so der typische Moment – nicht viel Zeit, da ich so gerne beide Jungs noch im Hellen reiten wollte, frech aus der Box abgehauen und dann auf die Weide… – da würden sicher viele einen gewissen Unmut entwickeln. Den spürte ich in mir sehr wohl aufsteigen, aber noch bevor ich bei Nacariño ankam, hatte ich den auch wieder runtergeschluckt. Da gab es nichts einzunorden oder gar zu strafen, bis ich bei ihm war, wäre es eh für alles zu spät gewesen und ich wollte uns ja nicht die Stimmung versauen. Am liebsten wäre mir gewesen, wenn er auf mich zu käme, dafür kaute ich ihm gut hörbar ein Leckerlie vor, aber er musste noch ein paar Mal hin und her traben, wozu das Quartett nebenan ihn natürlich auch noch anstachelte. Es dauerte aber gar nicht lange und ich bekam ihn zu fassen. Er war sich keiner – aber auch keiner! – Schuld bewusst und kam fröhlich mit.

Tja, dann eben angebunden satteln. Das fand er blöd. Selbst Schuld.

Das wurde ein ganz spannender Ritt.  Nacariño kam auf den Platz und war so entspannt wie noch nie. Ich war begeistert. Ich ritt auf Trense, schüttelte ein wenig locker, musste aber gar nicht viel tun, der Hals war weitgehend nachgiebig und beweglich. Nacariño ging einen gleichmäßigen Schritt, schnaubte vor sich hin und fühlte sich sichtlich wohl.
Ich durfte Schulterherein anfragen und schließlich mal die Schulter und mal die Kruppe verschieben, was auf beiden Händen gleichmäßig gut gelang. Er fühlte sich tatsächlich auf beiden Händen gleich (gut) an. Hach nee, wat schön! So bleiben!!

Haha. Meike holte die Pferde rein. Und aus war’s mit der Ruhe und Gelassenheit. Nacariño blies sich auf, drohte zu bocken, was er zwar nicht tat, aber er fühlte sich an, als hätte jemand den Stecker in die Steckdose gesteckt. Und den Schalter umgelegt. Meine Güte! Er setzte etliche Male zu so einem Ferkel-Quieken an (wenn’s groß ist, wird’s ein Wiehern…), was ich versuchte, im Keim zu ersticken. Dazu musste ich phasenweise ganz schön zufassen. Er drohte zu steigen und ich bedauerte sehr, mit ihm noch nicht so weit zu sein, dass ein kurzer, leichter, gezielter Gertenschlag ihn zur Räson bringt. Die Wirkung wagte ich nicht einzuschätzen. Er wurde richtig frech. So frech hatte ich ihn unter dem Reiter noch nicht erlebt – da war keine Angst mehr, nicht das, was er sonst so zeigt unter dem Reiter, da war ein neues Gefühl, was ich neben all‘ der Wachsamkeit und Anspannung, die gerade erforderlich war, sehr wohl wahrnahm und was mich sehr freute – er testete mich auf eine sehr positive Art, die durchaus spüren ließ, wie sehr er mir schon vertraut, aber er wollte es mal wissen. Das war keine Frechheit aus Unsicherheit oder mit einer Erinnerung verbunden, das war etwas zwischen uns beiden, etwas Neues.

Ich trabte. Ich versuchte, mit Raumgewinn zu traben, was er anfangs mit völlig festgehaltenem Rücken kaum zuließ, was sich aber zunehmend verbesserte. Es dauerte gar nicht lange und er wurde wieder nachgiebiger, hörte wieder zu und ließ sich wieder los.

Da waren Momente, da hätten viele aufgehört und gesagt „das macht ja jetzt keinen Sinn mehr, wenn der so drauf ist“ – zumal der Unterschied zu dem schönen Beginn so deutlich war. Für mich war das nichts als eine willkommene Herausforderung, denn genau solche Situationen brauche ich ja mit ihm. Nicht jeden Tag, aber immer wieder mal 🙂

Und tatsächlich wurde meine ruhige Beharrlichkeit sehr belohnt: er fand zurück zu der Anfangs-Stimmung (also fast), ließ sich schließlich im Schritt wieder in alle Richtungen verschieben, und ich bekam die besten Galopp-Reprisen, die wir bislang überhaupt hatten. Ich konnte auf Voltengröße um die Zirkelmitte galoppieren, bekam butterweiche Übergänge in den Schritt, durfte auch einen Hauch aus dem Trab angaloppieren – eine Wonne. Das Antraben aus dem Schritt über ein ganz leichtes Schließen der Waden, das in dem Moment aufhörte, in dem er antrabte; das Angaloppieren über ein gleichmäßiges Umfassen mit den Beinen, das ebenfalls sofort beendet wurde, in dem er den Rhythmus wechselte. Das machte wirklich Spaß! Wir verließen beide sehr zufrieden den Platz.

Zum Dank gab’s eine Wurmkur. Ich ahnte, das er die nicht von sich aus mit Begeisterung fressen würde. Tat er auch nicht. Ich ließ das Halfter mal drauf – und das war auch gut so. Nacariño tat seinen Unmut deutlich kund. Half nicht. Ich war schneller. Und er daraufhin beleidigt. Aber nach ein paar Minuten schmeckten die verdienten Kekse wieder 🙂

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Sonntag, 6.12.

Habe ich nicht beim letzten Mal geschrieben, ich darf diesen einen kleinen gezielten Gertenschlag noch nicht setzen, den ich manchmal gebrauchen könnte, um Nacariño von etwas abzubringen? Er hat offenbar schon wieder gut zugehört. Heute gab er mir das Gefühl, ich dürfte eben diesen kleinen Schlag setzen und so habe ich das dann auch getan. Relativ erfolgreich 🙂

Es stürmte unglaublich. Man sieht es auf einigen Bildern an Schweif, Schopf und den Gräsern und Blättern – alles hat Schlagseite 🙂

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Ich bin ja nun in letzter Zeit oft bei Wind geritten, aber das hier war schon irre.
Nacariño erschreckte sich zwei Mal zu Recht, vermied aber überflüssiges Pseudo-Schreck-Gehampel. Brav, der Gute. Bei diesem Sturm hätte ich wirklich mit mehr gerechnet, aber so langsam wird er hart im Nehmen.

Ich ritt wieder einhändig blank, wollte doch so gerne die neue Trense (die „in komplett“ tatsächlich eine Kandare ist) ausprobieren. Die ist aber auch schön!!
Wird allerdings noch in dunkelbraun umgefärbt. Es gab sie nur in natur.

Eine Einstellerin hatte noch einen Moment Zeit zum Fotografieren, und so sind endlich wieder einmal Reit-Bilder entstanden. Da ihre Zeit begrenzt war, war mein Anspruch an Nacariño ziemlich hoch.
Und tatsächlich stellte Nacariño die Lenkung phasenweise in Frage und wurde nach einiger Zeit einmal reichlich fest und frech, aber ich hatte auch relativ schnell relativ viel gefordert, das hatte ich in dieser Form beim ihm noch nie getan. Da hat er mir mal den kleinen Finger gereicht und ich habe mal probehalber den ganzen Arm genommen. Muss ja schließlich wissen, wie sie mit sowas umgehen – und siehe da, er wächst mit seinen Aufgaben! Das hätte er sich noch vor drei Wochen keinesfalls gefallen lassen. Nun spielte er mit, so gut er es eben schon kann. Und das war schon reichlich gut!

Gleich am Anfang bekam ich ein recht ordentliches Schulterherein …

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… und einige Schritte Traversale, die hier viel besser aussehen, als sie sich anfühlten, aber ich glaube, er sieht ohnehin meist besser aus, als er sich anfühlt. Schenkelgehorsam war – zumindest in diesem Moment – da und so entstand diese tolle Momentaufnahme.

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Hmmm, dann könnte doch auch…? Jepp, könnte. Zum ersten Mal bekam ich einige wirklich gute „spanische Schritte“ – mehr als einen winzigen Wink mit der Gerte darf ich schon nicht mehr geben, berühren darf ich ihn im Prinzip auch nicht und mehr als drei Anfragen hintereinander sind nicht drin, dann sind beide Vorderbeine in der Luft. Spääääääter!!

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Das war auch der Moment, in dem ich den kleinen gezielten Schlag ausprobierte. Nacariño zeigte sich keineswegs überrascht oder erschreckt, er nutzte den Moment eher für eine kurze Empörung und stieg probehalber gleich nochmal. Also das Steigen wird dermaßen leicht abrufbar, das werde ich niemals üben müssen. Üben muss ich eher, das abrufbar zu machen, wann ich es will und schnell genug vorwärts zu kommen, wenn ich es nicht haben will. Er setzte das also mal so ganz spielerisch gegen mich ein und ich setzte mal so ganz spielerisch den Gertenschlag dagegen ein und er nahm es an. Ich war ehrlich gesagt ein bisschen überrascht, dass nicht mehr von ihm kam. Das heißt mit Sicherheit nicht, dass er ab nun immer so lässig mit einer klaren Ansage meinerseits umgehen wird, aber dass er es an diesem Tag und in diesem Stadium tat, hat mich echt begeistert!

Mir war danach, mal ein wenig Versammlung anzufragen, um genau zu sein: den Viertakt des Schrittes in einen Zweitakt zu verschieben. Noch genauer: eine Idee von Piaffe.
Ich wollte das so kurz halten, dass Nacariño überhaupt nicht mitbekommt, was er tut – wenn er es denn tut.
Er tat es. Und tatsächlich wurde dieser eine einzige Moment, den ich gefühlt habe, festgehalten.
Diesen Moment gab es so nur dieses eine Mal und er ließ sich nicht wiederholen. Heute nicht. Aber er wird sich wiederholen lassen…
Dieses Pferd wird eine wunderschöne Piaffe bekommen. Wenn er erstmal vorwärts denkt und nicht mehr (nie mehr, bei nichts!) rückwärts, dann wird der traumhaft piaffieren. Keine Ahnung, wann das der Fall sein wird. Aber wenn man vor einem schönen Gemälde steht, fragt man den Maler ja auch nicht, wie lange er dafür gebraucht hat 🙂

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Kurz darauf merkte Nacariño, was er da tat und war sofort der Meinung, dass doch noch gar nicht zu können und sich vorsichtshalber entziehen zu müssen. Schade, er darf es echt nicht mitkriegen 🙂
Er warf also lieber mit den Vorderbeinen um sich und ließ auch dabei echt Talent erkennen. Irgendwann hat er Joyas Bewegungsqualität…

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Ich durfte schließlich im Galopp so richtig zulegen und wieder einfangen, einmal gab ich an der langen Seite vom Stall weg ziemlich Gas und parierte Mitte der kurzen Seite (am Garten!) zum Halten durch. Das gelang auf Pfiff ohne weitere große Einwirkung. Ich wartete, bis er sicher und ruhig stand und auf mich wartete. Dann gab ich direkt das Signal zum Angaloppieren, was ihn noch vor Kurzem zum Davonschießen oder sonst was veranlasst hätte – nun trabte er erstmal und fiel dann irgendwann endlich auch mal in den gewünschten dritten Gang. Ich legte bestimmt fünf lange Seiten zu. Und nicht ein einziges Mal haute er ab, er blieb immer vor den treibenden Hilfen und ließ sich sofort auf Stimme zurücknehmen.
Ich war echt geflasht.

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Später äppelte ich ab, während Nacariño, Dón und Merlin auf dem Platz liefen. Nacariño kam an und legte mir sein Maul ins Genick. Er pustete mir den Hals warm und kuschelte mehrere Minuten an meinem Nacken. Wir drückten uns gegenseitig aneinander und standen da und genossen die Nähe des anderen. So intensiv Nähe gesucht hat er in dieser Form noch nie. Der Moment war einfach nur zauberhaft. Und zeigte mir allzu deutlich, wie zufrieden Nacariño ist. Ach, mein Süßer, ich auch … 

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Montag, 7.12.

Nachdem Nacariño gestern auf Stange ja einmal recht fest, stark und frech geworden war, ritt ich heute auf Trense. Er fing wunderbar an – weich im Hals, jede Fingerbewegung kam durch, er ging entspannt außen herum. Es war annähernd trocken und windstill (!!), also so überhaupt keine Gründe zum Erschrecken. Tat er auch nicht. Bei einem echt massiven Laster auf der Straße fiel mir auf, dass ich Lkw’s und dergleichen schon gar nicht mehr wahrnehme. Er auch nicht.

Ich fragte nach einem lockeren Leichttraben noch einmal beginnende Versammlung an. Er reagierte viel besser als gestern. Er hat ganz klar eine Idee vom Schritte verkürzen, allerdings muss ich ungeheuer schnell reagieren, damit er nach vorne und nicht nach oben denkt. Und wieder durfte ich diesen feinen kleinen Schlag setzen. Das ist überhaupt nicht als „Schlag“ in dem Sinne zu verstehen, sondern wirklich nur eine ganz kurze Gertenberührung, die vom Pferd ganz klar als „Vor!“ umgesetzt werden muss, wenn sie kein zweites Mal (und dann entsprechend unmissverständlich) kommen soll. Auf einmal darf ich das und er nimmt es an. Damit benötige ich in den Momenten, in denen er hoch oder rückwärts denkt, keinerlei Schenkeleinsatz mehr und kann ihn auf den Schnalzer einstimmen, der später diesen Gerteneinsatz ersetzt. Heute hat Nacariño diese Bitte um „Vorwärts – sofort!“ super schnell umgesetzt. Auf einmal fängt er an, seinen Körper geschickt einzusetzen. Im selben Zuge fängt er an, sich loszulassen. Er zeigt immer mehr Bereitschaft, sich loszulassen, sich auf mich einzulassen, sich auf Anforderungen einzulassen. Total großartig.

Und da ich ihn im Trab ja nicht sitzen kann, dachte ich so, probiere ich doch mal, wie weit seine neue Bereitschaft geht, und ob ich ihn so weit verkürzt (versammelt will ich’s noch nicht nennen) antraben darf, dass er mich (er)tragen kann, wenn ich sitzen bleibe.
Das hat derart gut funktioniert, dass er mich wieder echt vom Hocker gerissen hat. Ich trabte verkürzt an, bat ihn, das so zu halten, und er bemühte sich so richtig, meinem Wunsch zu folgen. Er suchte richtig das innere Bild. Und dabei durfte ich ihn dann auch noch mit der Gerte berühren, so dass er anfing, die Hinterbeine mehr zu winkeln. Das fehlt ihm ja gänzlich, er kam ja mit völlig steifer Hinterhand hier an, die überhaupt nichts durchließ. Die Hinterbeine waren jederzeit zum Durchstarten bereit, aber nicht zum Winkeln und Tragen. Und diese Bereitschaft kommt jetzt so langsam. Und wenn ich diese Hinterbeine bestärken kann darin, zu winkeln und zu tragen, dann kann ich den Trab auch sitzen, weil der dann durch den Rücken läuft. Und nicht immer stecken bleibt.

Tatsächlich war das Gefühl nachher so (nachher heißt jetzt hier ungefähr 50 Meter, denn nach ungefähr 60 Metern habe ich das begeistert beendet), dass ich ihn jetzt wiederholt in einen passageartigen Trab bringen werde und aus dem später vorlassen darf. Erst Passage, dann Trab – warum nicht? Ich muss ja mal wieder unter Beweis stellen, dass ich unkonventionell ausbilde 🙂
Und da dieses Pferd mir alles dankt, was nicht der Norm entspricht, gucke ich mal, wie weit ich mit dieser Idee komme!

Er ging hinterher einen super entspannten Schritt und am hingegebenen Zügel außen herum, danach im Stall war er wieder super anhänglich und kuschelig. Er gibt mir mit jeder Faser das Gefühl, dass ich auf dem richtigen Weg bin.

Du wärmst mich auf mit Deinem Wesen
und lässt nicht einen Zentimeter unverschont.
Ja, ich atme Dich,
ja, ich brenn‘ für Dich.
Und ja, Du spiegelst mich,
und jede meiner
Fasern sagt Ja!
Ja zu jedem Tag mit Dir,
ja zu jedem Deiner „Fehler“.
Jede meiner Fasern sagt ja…

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Mittwoch, 9.12.

Zwangspause. Ein grippaler Infekt setzt mich derzeit völlig außer Gefecht.

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Mittwoch, 16.12.

Ich hatte Lust auf einen harmonischen Ritt, schön locker und entspannt. Dachte ich.

Nacariño benahm sich unglaublich daneben. So habe ich ihn noch gar nicht erlebt (zum Glück, denn inzwischen macht mir das nichts mehr aus, ich lachte nur noch). Er sprang in einer Tour weg. Gefühlt ging er keine fünfzehn Meter geradeaus, ohne zu Zucken oder wegzuspringen oder abzuhauen. Er sah überall Gespenster und war absolut unmöglich.

Der witzigste Moment war, als im Wegspringen wegsprang. Ich weiß nicht genau, wie er es gemacht hat (und schon gleich gar nicht, warum) – er schoss los und sprang im selben Satz noch seitlich weg. Ihn überraschte dieses Doppel genau so wie mich, er wollte das wohl in zwei Teile zerlegt haben, war aber schneller, als er dachte. Ich kann das echt nicht beschreiben, aber das war urkomisch. Zumindest, wenn man sowas witzig finden kann, und das tat ich bei jedem seiner ungefähr 174 Sätze, die er heute machte, auch wenn ich schwer auf Hab Acht sein musste. Keine Ahnung, was ihn in gefahren war, aber er beruhigte sich auch bis zum Schluss nicht wirklich. Ich sagte ihm, er kommt nicht vom Platz, bevor er sich nicht ehrlich entspannt. Und ich galoppierte schließlich, als ich denn endlich zum Treiben kam, wieder und wieder an, wenn er zuckte. Das verblüffte ihn schon, obwohl er mich doch langsam kennen sollte. Er wurde ganz schön warm. Was ihn schließlich hörbar atmen ließ, aber entspannen ging noch nicht. Er zuckte wieder, ich galoppierte an. Und nochmal. Und nochmal. Er wirkte langsam genervt, mein Angaloppieren wurde ruppiger, ich berührte ihn wiederholt mit der Gerte, trieb mit überdeutlichen Hilfen, machte mal das volle Abhärteprogramm.
Er hisste so langsam die weiße Flagge und ich sagte ihm, wenn er auf jeder Hand eine Schrittrunde am hingegebenen Zügel geht, darf er vom Platz. Er zuckte nochmal halbherzig, ich hielt die Zügel noch auf „Sicherheitslänge“, aber 0hne Kontakt, und dann durfte er vom Platz.

Auch die kleine Hofrunde war nicht wirklich entspannt, und ich dachte so bei mir, das Zuverlässigste an ihm ist vermutlich seine Unzuverlässigkeit. Zumindest noch!

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Freitag, 18.12.

Ich war zugegeben ziemlich gespannt, wie dieser Ritt verlaufen würde.
Nacariño ist zwar kein Zwilling im Sternzeichen, aber im Herzen wohl doch. Es war überhaupt kein Vergleich zu Mittwoch. Ich glaube, er zuckte nicht ein einziges Mal.
Er ging ziemlich klasse – bis auf wenige Ausnahmen nachgiebig, ich konnte etliche Meter Trab gut sitzen. Bequem wird er glaube ich noch lange Zeit nicht sein, wenn er überhaupt je in dem Sinne bequem wird – im Galopp ja, aber im Trab? Puh… Aber es wird. Ich merke deutlich, dass Kruppe und Hinterbeine beweglicher und elastischer werden und der Rücken immer mehr Bewegungen durchlässt. Und das lässt mich immer besser sitzen.

Ich fragte nachher verkürzten Schritt an – und bekam ihn. Ich denke, er wird mal eine wunderbare Verschiebbarkeit im Schritt bekommen. Das großartigste Pferd, das ich kenne, ist dabei Fàscino – eine derartige Bandbreite im Schritt kenne ich bei keinem anderen Pferd. Es reizt mich schon sehr, so etwas (annähernd) noch einmal unter dem Sattel zu haben, und Nacariño fühlt sich langsam so an, als könnte er ähnlich gut werden im Schritt. Das wäre natürlich toll. Das Verkürzen fühlte sich super an und ich tastete mich jedes Mal behutsam genau bis an die Grenze heran und brach ab, direkt bevor er meinte, nach oben ausweichen zu müssen.
Er kam nicht ein einziges Mal hoch – auch nicht in den paar Spanischen Schritten, die ich anfragte und die unter dem Sattel immer besser werden. Alles noch nicht in Serie, oft nur ein Bein und das bei jedem dritten, vierten Schritt – aber das inzwischen in einer teilweise großartigen Qualität! Das wird in einem Jahr ganz anders aussehen – und in zwei und drei Jahren erst… 🙂

Ich war so richtig, richtig zufrieden. Er auch.

Er hatte neue Privilegien – inzwischen darf auch er frei auf dem Hof laufen. Er bleibt in meiner Nähe bzw. kommt auf Ruf und hat bislang den Hof nicht auch nur ansatzweise verlassen. Und wie bei allen meinen Pferden – je weniger Freiheiten sie sich nehmen, um so mehr bekommen sie! 

Einen Tag wollte ich die Pferde reinholen, er stand mit Merlin ganz hinten am anderen Ende. Ich rief, er guckte. Merlin graste weiter. Ich rief nochmal mit meinem typischen „Ja, komm! Komm schnell!“ – und auf einmal startete er durch und kam mit gespitzten Ohren und leuchtenden Augen auf mich zugerast, da ging mir echt das Herz auf. Merlin kam dann irgendwann auch, aber da war nun ganz klar ich wichtiger als die Pferde-Gesellschaft. Was für ein Gefühl…

Danach durfte er frei laufen, während ich Dón in die Box brachte. Dabei hatte ich Merlin an der anderen Hand, er „wohnt“ aber ja in dem anderen Stall. Ich kam also mit Merlin wieder raus und fragte den am Rand grasenden Nacariño „Willst Du mit?“ – und da macht der kehrt, bockt einmal, schüttelt den Kopf und kommt hinter uns her gerannt. Merlin fand das ziemlich aufregend und tänzelte erschrocken neben mir herum. Nacariño heftete sich an unsere Fersen und kam komplett mit bis zu Merlins Box, die am Ende der Stallgasse liegt. Er wartete und kam dann mit mir mit in seinen Stall.

Er wird auf jeden Fall der Nächste, der auch im Gelände (oder am Meer…) frei mitlaufen wird. Mal sehen, wann ich das wage, denn so ganz ungefährlich ist es nicht, wenn er seine Freudensprünge macht und dabei vielleicht mal ein Bein in Richtung meines Reitpferdes ausrutscht. Sein Spiel und nicht böse gemeint, aber er ist noch ziemlich heftig mit dieser neu gewonnenen Freiheit. Aber keine Frage – er wird frei mitlaufen! Großartig… Und so spannend, diese Entwicklung zu sehen. Ach, zu schön!

Oh, einen anderen Tag muss ich noch erzählen. Wir waren zu zweit im Gelände. Wir ritten an einer Weide vorbei, auf der ein paar Fjordis und Haflinger stehen. An diesem Morgen lagen sie. Sah toll aus im Morgendunst. Unsere Pferde schnallten bloß nicht, dass da Pferde liegen – bis die, direkt neben uns, aufstanden und zum Zaun kamen. Unsere beiden erschreckten sich dermaßen, dass sie losschossen. Navarre ließ sich nach wenigen Metern parieren, Nacariño startete durch. Auf Asphalt. Das Ganze fühlte sich einige Sekunden sehr eklig nach echtem Durchgehen an. Ich wusste, dass nach der Kurve die Durchgangsstraße kommt und sah uns da schon raufbrettern. Ich wusste in diesen Sekunden wirklich nicht, wie ich ihn hätte halten sollten. Er ging schlicht durch. Auf dem nassen Asphalt hatte ich auch nicht allzu viel Chance, hart zuzufassen. Ich war bloß heilfroh, dass ich hinter mir hörte, dass Navarre nicht mitkam.

Es dauerte gute dreißig Meter (wenn überhaupt), dann konnte ich anhalten. Tatsächlich war das also sehr kurz und zackig gegangen, aber dann ließ er sich parieren. Hierfür hatte ich so krass, wie ich mich nur traute, zugefasst – und er nahm es an. Er schlidderte noch ein Stück und parierte schließlich durch. Da war es dann doch mal wieder gewesen, das gute alte, lange vermisste Adrenalin. Holla die Waldfee. Das war nicht witzig. Aber kann ja auch nicht immer witzig sein. Puh…!

Ich ritt etliche Male hin und her an den Pferden vorbei bis Ruhe einkehrte. Dann ritten wir weiter.

Auf dem Weg trabten wir noch ein Stück nebeneinander her. Und plötzlich zog Nacariño auch hier an, Bretthals, totes Maul, er zog los. Ich fasste rechts zu, drehte ihm regelrecht den Hals um (Kraft gegen Kraft, holla!), und so bekam ich ihn nach gut zehn Metern zu fassen. Das waren nun mal deutlich zehn Meter zu viel. War ich vorhin noch froh, dass es nur dreißig waren, war ich hier der Meinung, dass er sich diese zehn nicht hätte erlauben dürfen. Hmm, das war unschön. Zumal es sich sehr nach einem echten Test seinerseits anfühlte. Er hatte sich nicht erschreckt, er probierte es plötzlich einfach aus.

Ich würde diesen unfairen Zweikampf nicht überall gewinnen, hier war beide Male auch eine gewisse Portion Glück dabei gewesen – bei der ersten Nummer allemal. Also ganz klar könnte dieses Pferd wirklich haltlos durchgehen. Wenn es denn wollte. Gefühlt will er das nicht wirklich, beim ersten Mal war es der Schreck, beim zweiten Mal ein echter Test. Rotzlöffel!!

Der Ritt danach war der oben beschriebene vom Mittwoch. Na, wenn das seine Antwort auf so eine Gelände-Runde ist, dann aber herzlichen Glückwunsch 🙂

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Sonntag, 20.12.

Ines war da und so gibt es wieder einmal Fotos! Sie hatte Nacariño noch nicht „live“ in Bewegung gesehen und ich bat ihn, sich so zu zeigen, wie er einmal wird, nicht so, wie er ist – daraufhin meinte er, eine gewisse Mischung kriegt er hin 🙂

Und die kriegte er hin. Tatsächlich gibt es ein paar Bilder, die lassen ahnen, was da mal kommt. Was hier einzelne, kurze Phasen sind, möchte ich natürlich über längere Strecken abrufbar machen. Ich habe ihn so angefasst wie noch nie, zum ersten Mal angefragt, ob er über eine Diagonale im Trab freier werden kann, was er beim ersten Versuch mit Festmachen und Abhauen beantwortete. Weit kam er allerdings nicht – ich fing ihn sofort wieder ein, stellte klar, dass er nachgibt (und zwar sofort!) und wagte es etwas vorsichtiger noch einmal. Und da trat er tatsächlich großartig an – das fühlte sich gut an, aber nicht so gut wie diese Zehntelsekunde auf dem Foto. Ich hatte so gehofft, dass Ines diesen Antritt erwischt hat – und das hat sie! Lechz, was für ein Bild…!

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Ich fragte generell viel mehr nach gewinkelten Hinterbeinen, als ich es bislang gewagt habe. Er ließ es zu, machte mit, so gut er es eben kann. Und er scheint langsam, aber sicher Spaß daran zu bekommen, sich zu bemühen. Das geht jetzt ganz vorsichtig los.
Es ist zu spüren, dass er überlegt, ob er sich einfach mal so aus Gewohnheit widersetzen soll oder vielleicht doch erst mal ausprobieren, ob er das vielleicht kann, was ich da anfrage. Und die Überlegung wird immer häufiger spürbar. Er scheint langsam Spaß daran zu finden, mal aus sich heraus zu gehen, beweglich zu sein, Beweglichkeit auszuprobieren. So brauche ich das!
Sie können zwanzig unerwünschte Bewegungen machen, die ignoriere ich und versuche sie umzuleiten in die eine gewünschte, die dann wie verrückt gelobt wird.
Untersage ich alle unerwünschten Bewegungen, bekomme ich sehr wahrscheinlich auch die gewünschte nicht – und wenn doch, dann mit Pech ohne Ausstrahlung oder mit einem Ausdruck von Unwohlsein, schlimmstenfalls wirkt es erzwungen.
Ich kann also gut den ganzen „Bewegungs-Beifang“ hinnehmen, um den einen „Fisch“ darin zu fangen, auf den es mir ankommt. Und diese Momente werden spürbar mehr.
Das ist etwas, was so vielen fehlt, die schon im Geiste bei dem Endprodukt sind, wie es einmal sein soll, und die ganzen vielen kleinen Verzweigungen auf dem Weg dorthin nicht wahrnehmen und nicht schätzen können. Das frustriert Pferde natürlich – würde es uns im Übrigen auch. Motivation heißt, das Gefühl zu haben, so ungefähr alles zu dürfen und dabei kaum irgend etwas falsch machen zu können. Wenn sie dieses Gefühl haben, gehen sie irgendwann aus sich heraus – und das macht diese herrliche Ausstrahlung aus, diese Ungezwungenheit bei höchster Leistung, dieser Spaß am gemeinsamen Tun.
Und das wird auch dieser verrückte Weiße noch verstehen – bewegliche Hinterbeine kriegt er ja langsam 🙂

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Und so bekam ich auch mehrere schöne Vorderbein-Hebungen:

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Und da er dabei nicht ein einziges Mal nach oben dachte (also nicht mit beiden Beinen gleichzeitig), durfte er danach tatsächlich beide Beine gleichzeitig heben. Er zeigte sich überrascht – und er soll auch mal nicht glauben, dass das jetzt zum Standard-Repertoire gehört! Steigen will sich verdient werden 🙂
Er machte es toll und vorsichtig und fühlte sich unglaublich sicher an dabei:

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Und dann hat er ja seit kurzem etwas Neues entdeckt…
Er fühlt sich wohl dabei, mir den Kopf auf die Schulter zu legen. Einfach zu süß…!

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Das Tollste aber kam nach dem Reiten: Ich war morgens mit Fàsci in der Halle gewesen und hatte meinen Hänger noch am Auto gelassen – jede Chance nutzen!
Also Halfter drauf und doppelt langer Strick dran und auf zum Hänger.
Die Krippe war wahrlich vorweihnachtlich gefüllt mit einer Menge Brot und Äpfeln und Leckerlies, damit Nacariño sich hier mal etwas länger aufhält.
Hoffte ich.

Er stellte ohne großes Zögern seine Vorderhufe auf die Rampe – und da blieb er dann.
Ich hatte die Trennwand nur noch ein Stück zur Seite geschoben, aber nicht mehr ganz breit gestellt. Auch das muss ja irgendwann gehen. Vielleicht war es also das, vielleicht auch nicht – er machte seinen Hals fest, hängte sich mit halb geschlossenen Augen in den Strick und stand da. Ich stand an der Krippe und hatte Zeit.

Noch bevor ich anfangen wollte, ihm gut hörbar ein Stück Brot vorzukauen, richtete er seinen Blick auf mich und überlegte. Ich übte sachte Zug aus, er überlegte weiter.
Guckte ein wenig rechts und links und dachte nach. Ich machte immer wieder sanft Zug, nie ganz fest, nie ganz locker. Und plötzlich hatte er ein Einsehen und kam in den Hänger. Die Vorderbeine waren drin, die Hinterbeine ließ er mal noch auf der Rampe. So kam er aber nicht ans Futter. Er dachte wieder nach, ich hielt Kontakt und ließ ihn machen.
Als ich das nächste Mal einen wirklich winzigen Zug ausübte, kam er ganz rein.
Und dann stand er da, fraß vor sich hin, ging tatsächlich zum ersten Mal auch nicht mit etwas im Maul wieder rückwärts, sondern blieb da stehen. Das wirkte sehr entspannt.
Ich streichelte und kraulte und lobte.

Die Krippe war wirklich voll, er fraß in Ruhe vor sich hin und ich streichelte entspannt weiter.
Und da er so gar keine Anstalten machte, rückwärts zu gehen, folgte ich mal wieder einer plötzlichen Eingebung und nahm ganz behutsam das Halfter vom Kopf.
Er guckte sich kurz um, fraß dann aber weiter. Und dann ging er irgendwann doch ein bisschen zurück und stand nun – völlig frei – halb drinnen, halb draußen. Er guckte sich einmal nach hinten um, ich blieb an meinem Platz und lockte ihn mit einem Apfel.
Er dachte eine gute Minute nach – und dann kam er wieder ganz rein und fraß weiter! Boah, habe ich mich gefreut!!
Ich ging dann ganz langsam raus, er fraß weiter, ich ging um den Hänger rum und kam von hinten auf die Rampe, kraulte seine Kruppe und wartete.
Er kam mir ganz langsam und entspannt rückwärts entgegen und blieb auf der Rampe nochmal stehen. Ich ging langsam weg und ließ ihn machen. Er ging runter und zum Gras.

So ein entspanntes Verladen hatten wir noch nie und das Größte war natürlich, dass er ohne Halfter wieder zurück kam und so lange ruhig im Hänger stand.
Freu freu freu!!

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Mittwoch, 23.12.

Haua ha. Das wilde Weiße hat alle Register gezogen. Es stürmte, dann fing es noch an, zu regnen, was sich phasenweise wie Hagel anfühlte, Merlin buckelte nebenan rum und Tanja war mit einem ebenfalls hochgradig kernigen und zur Widersetzlichkeit bereiten Flamenco auf dem Platz. Die ersten zwei Runden waren noch ganz schön, aber dann schlug das Wetter um, wurde schlagartig ungemütlich, der Wind fegte über den Platz und als Flamenco da einen Satz machte, gab es kein Halten mehr. Ich hatte dummerweise gerade (warum auch immer) nur einen Zügel in der Hand und bekam den zweiten nicht zu fassen. Keine Chance. Nacariño schoss los wie angestochen (was für eine Kraft… Wenn das abrufbar wird, springt der lässig M-Parcours…), Flamenco stand quer, so dass ich einen Schlenker machen musste und nicht mehr um die Kurve kam – und dann schoss Nacariño raus auf den Asphalt. Hossa. Blöd. Verblüffend war nur, dass er sich hier nach fünfzehn Metern (Sliding ohne Stop) relativ problemlos anhalten ließ. Ich sah uns schon auf dem Acker…

Also wieder auf den Platz und da habe ich ihn für diese Nummer einmal kurz angefasst. UPS!
Für solche Spielchen war er gerade nicht zu haben. Jetzt drehte er richtig auf, wurde heiß, bekam Kulleraugen, prustete rum wie ein Drache und hatte eine permanent absprungbereite Hinterhand. Bei allem Respekt – fühlt sich geil an, diese Kraft… 🙂

Er tobte nochmal los. Und nochmal. Und nochmal. Ich kam um die Kurven, forderte ihn zu mehr Grundspannung im Trab heraus, galoppierte mehrfach an und hielt ihn in Action.

Sein kindischer Quatsch ließ relativ schnell nach. Nach gefühlten zwanzig Minuten (wenn überhaupt) durfte ich treiben und loslassen, er entspannte sich. Flamenco war inzwischen auch friedlich und von Merlins Gebuckel ließ Nacariño sich nicht mehr anstecken.

Meine Güte, die Jungs sind aber auch drauf im Moment!
Na denn – schöne Bescherung…! 🙂

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Freitag, 25.12.

Mir war nach einhändig blank. Nacariño war nach einer Mischung aus albern und frech und im Zweifel mal lieber dagegen sein. Ich wollte schon auf Trense umschnallen, ließ es dann aber doch und ritt weiter. Es gab sehr gute Momente direkt neben ziemlich blöden, in denen er gegenan zog und fest wurde, aber das hielt immer nicht lange an und wechselte ab mit ganz leichten Phasen, in denen er sich toll trug und in schöner Grundspannung ging. Besser wurde es mal wieder erst nach einigen Galopp-Zirkeln. Die tun ihm immer gut und lassen mich zum Treiben kommen, auch wenn er davor noch extrem abschussbereit ist. Der Galopp löst das normalerweise, fühlt sich aber oft brenzlig an, wenn er noch so witzig drauf ist. Wir hatten Spaß!
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Ich überlegte anfangs noch, ob ich nicht so kurz vor Jahresende noch irgendwas Neues machen könnte, dachte ein paar Sekunden auf der Garrocha herum, verwarf das aber wieder, weil er damit möglichst nicht abhauen sollte, weil ich dann loslassen müsste und das will ich nicht. Na gut, dann eben heute nichts Neues und lieber entspannen und zum Treiben kommen. Und Hinterbeine winkeln. Hach, er kann so schön sein…:
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Er winkelte immer wieder sehr gut, auch über mehrere Meter. Die Strecken werden länger, seine Bereitschaft, Last aufzunehmen, wird größer. Und so entstand noch einmal ein toller Moment (lechz…):
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Da er sich nach und nach löste und besser benahm und beim Spanischen Schritt brav nach vorne dachte, durfte er steigen. Er verwendete das einmal gegen mich, worauf ich ihm drohte, dass er den Frack voll kriegt, wenn er das nochmal macht (ich war mir nicht sicher, ob ich diese Drohung wahr machen würde. Aber sie reichte auch so). Einmal drehte er im Steigen um und einmal kam er so hoch, dass er wenig wackelte, aber im Grunde weiß er wohl, was er da tut. Fühlt sich jedenfalls ganz schön gut an. Findet er auch. Das muss ich mal wieder eine Weile weglassen. So richtig dran ist das ja wirklich noch nicht. Macht aber Spaß… Ach ja, da geht die Disziplin schon mal verloren. Und ich weiß schon, wer irgendwann die nächste Laufcourbette geht…:
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Und irgendwie hatte sich die Stimmung verändert, war viel verspielter, er war gehorsamer, drohte nicht mehr abzuhauen, und so überkam es mich spontan und ich ließ mir von einer Einstellerin die Garrocha holen. Ich bat sie, erstmal neben mir herzugehen. Direkt in die Hand nehmen wollte ich sie nicht, er sollte erst einmal das Geräusch hören und sie neben sich sehen, bevor er mir damit stiften geht.
Die Garrocha wurde ihm also gezeigt, er schaltete schon mal auf Rückwärts um und machte sich startbereit zum Abhauen, ich redete auf ihn ein, lobte, streichelte, ließ ihn gucken. Und er guckte. Und staunte. Und wusste nicht so Recht, wohin mit sich.
Also bat ich ihn, die anzuschubsen und hinterher zu laufen. Die Einstellerin ging langsam los, Nacariño folgte erst sehr vorsichtig, schließlich mutiger, schließlich stupste er die Garrocha im Gehen an und fand Gefallen an dem neuen Spiel.

Dann zog die Einstellerin die Garrocha schließlich hinter sich her, damit Nacariño das Geräusch hören konnte. Das fand er kurz unheimlich, dann lief er auch hier brav mit.

Großes Lob! Das Gefühl war gut. Wie es ja bei ihm oft so ist – auf einmal stimmt das Gefühl. Ich ließ mir die Garrocha also geben. Und berührte Nacariño erst einmal am Kopf und Hals und an den Ohren, weil genau diese Berührungen ja kommen würden in der Bewegung. Er nahm es gelassen hin.

Wir gingen los, es gab einen kurzen Schreckmoment, als die Garrocha zum ersten Mal die Kruppe berührte, aber nach der Sekunde war auch alles wieder gut.

Ich wurde mutiger, Nacariño auch. Ich ließ ihn einen Kreis um die Garrocha drehen, konnte fast sofort eine Hand auf die Kruppe legen und die Garrocha auf der Schulter haben, während er sich leicht und sicher auf kleinem Kreis lenken ließ. Und da war es wieder – dieses Glücksgefühl bei den ersten Garrocha-Momenten!

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Und dann drehte er sich etwas zu klein. Und stand der Garrocha plötzlich gegenüber. Das erschreckte ihn dann doch so, dass ich loslassen musste. Schade eigentlich!

Da lag sie nun und ich ließ Nacariño darüber gehen. Er stellte sich an und wollte nicht und ich pflaumte ihn an, das sei jetzt einfach nur eine Holzstange und da geht er jawohl rüber! Jetzt! Sofort! Na gut… Er tappte da ein paar Mal rüber und ich ließ mir die Garrocha erneut geben. Und weiter ging’s. Nun musste ich nicht nochmal loslassen, ich passte aber auch auf, dass er nicht so schnell drehen konnte, dass er der Stange gegenüber stand. Vielmehr machte ich das jetzt ganz bewusst, nachdem er wieder ein paar sehr brave Runden gegangen war: ich fing an, ihn bewusst unter der Garrocha zu drehen, was ich so anfange, dass ich die Stange mehrfach von rechts nach links über den Kopf hebe, den Kopf dabei berühre, die Stange hier und da mal still halte und wieder weiter bewege, so dass er merkt, dass die an beiden Kopfseiten auftauchen kann. Und tatsächlich durfte ich kurz danach unter der Garrocha wenden… Nun war sie auf der anderen Seite, da hatte ich durchaus auch mit einem Erschrecken gerechnet, kam aber nicht. Grins!!!

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Nacariño fand sichtlich Gefallen an diesem neuen Spiel(zeug). Er entspannte sich immer mehr und ließ mich einfach machen. Und so stimmte das Gefühl plötzlich wieder und ich trabte ein kleines Stück und galoppierte an. Ich zog die Garrocha mit und schließlich konnte ich einen kleinen Zirkel galoppieren und die Garrocha stehen lassen.

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Ich war geflasht, ich war selig, ich grinste im Kreis. Ich sprang runter und nahm Nacariños Kopf in den Arm, wir kuschelten eine ganze Weile und er fühlte sich sichtlich wohl. Ich war nur noch begeistert. Da hat er mir ja wieder eine Sternstunde geschenkt, der Süße!

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Montag, 28.12.

Ich ließ Nacariño und Dón auf dem Platz laufen und dachte, mache ich doch mal Doppel-Longe mit den beiden. Holte also zwei Kappzäume, Longen und eine Peitsche und nahm die beiden mit in die Mitte. Nacariño ging vorne und wurde nach zwei Runden von Dón so genervt, der ihn von hinten echt drangsalierte, dass er gar nicht so Recht wusste, wohin mit sich und wie sich wehren. Sein Mittel der Wahl ist dann ja die Flucht, und die ergriff er. Dón hinterher. Ich musste loslassen und dann fegten die beiden mit den Longen zwischen den Beinen über den Platz, da hätten die meisten schon wieder Schnappatmung gekriegt.

Irgendwann konnte ich sie wieder einsammeln, verschob einen zweiten Umlauf auf später und longierte sie einzeln. Nacariño war noch einen Moment wild und drohte, noch einmal abzuhauen (während ich versuchte, die schlamm- und dreckgetränkte Longe zu halten…), was ihm nicht gelang, ich nahm ihn kürzer und da wollte er nur noch steigen, anstatt sich von mir wegtreiben zu lassen, ich wurde energisch, und dann, als er auf dem Kreisbogen lief, war er die Wonne pur an der Longe – ganz fein, auf feinste Signale wechselte er die Gangart, er entspannte sich, schnaubte, ließ sich los, trabte und galoppierte ganz weich und elastisch – zu schön anzuschauen! 

Danach wusch ich erstmal die Longen… 🙂

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Mittwoch, 30.12.

Ich wollte auf’s Pferd, unbedingt, und so fuhr ich richtig früh zum Stall und ritt vor der Arbeit heute mal vier Pferde. Und keinen in Hetze, wie schön!

Die vier waren allerdings allesamt echt durchgeknallt. Alle zuckten und sprangen in der Ecke weg, der eine mehr, der andere weniger. Also Dón weniger und Nacariño mehr 🙂

Er schoss gefühlte 2.368 Mal davon. Ich hatte ihn ja in letzter Zeit durchaus schon mal ausgebremst und angefasst, danach war mir heute überhaupt nicht. Mir war nach locker flockig lang und tief, schade nur, dass keinem Pferd danach war. Zumindest nicht am Anfang.

Nacariño ging anfangs nicht auch nur ansatzweise in Richtung kurzer Seite – ich nahm es hin und ließ ihn, wie er wollte, weil er sehr deutlich spüren ließ, dass er in rasantem Tempo zurück kommen würde, sollte ich ihn zwingen, da hoch zu gehen. Also ließ ich ihn unten rumdümpeln, da war schon Strom genug drin, er drohte, sich kurz zu machen und in die Luft zu gehen, wenn ich auch nur darüber nachdenken sollte, ihn anzufassen.

Ich sehe ja bekanntlich immer das Gute in so ungefähr allem, und hier war es, dass er mit seinem ganzen Körper ganz andere Bewegungsmöglichkeiten bekommt. Er kann sich inzwischen ganz anders zusammen ziehen und anspannen. Die Anspannung jetzt war zwar mehr negativ als positiv, aber darauf lässt sich ja langsam schon mal positive Spannung machen. Und das Zusammenziehen ist auch positiv, wenn ich es nutzen kann, noch verwendet er es zwar phasenweise gegen mich und es fühlt sich immer wie die Vorstufe zu Steigen, Bocken, Abhauen oder ähnlichem an, aber so ist das nun mal – alles hat zwei Seiten, so auch diese sich entwickelnden Fähigkeiten bei einem Pferd, das schon mal gelernt, sich gegen einen Reiter zur Wehr zu setzen.

Er will sich aber eigentlich gar nicht zur Wehr setzen und ich wollte davon heute sowieso nichts wissen, also ließ ich ihn machen. Lösen und diese zehn Minuten Schritt am Anfang, das wird total überbewertet. Ich löste im Galopp, im Schritt war da nichts zu wollen. Das hätte ihn nicht gelöst. Trab leider auch nicht. Galopp ist sein Mittel der Wahl, wenn er derartig unter Strom steht. Ich ließ die Zügel leicht durchhängen, obwohl er echt mit Speed abging und immer so ein leichtes Bocken androhte, aber das kratzte mich alles irgendwie nicht. Ich sah nur zu, dass wir auf dem Platz blieben und hoffte, er würde um die Kurven kommen. Die waren schon rasant teilweise. Ich sah ihn schon schräg unter den Zaun abglitschen. Mir wäre beim Zugucken vermutlich mulmig geworden. Aber ich musste ja nicht hingucken. Ich saß ja drauf.

Mein linkes Bein rebellierte so langsam gehen das im-Bügel-stehen und so setzte ich mich halt hin bei diesen Renntouren. Das ging mal, mal nicht, aber so langsam wurden Nacariños Starts überschaubarer, fühlten sich fast an wie Zeitlupe, und das konnte ich dann auch sitzen. Klingt jetzt unlogisch – in Zeitlupe abhauen – aber tatsächlich fühlte es sich so an. Er sprang zwar nach vorne, aber immer weicher. Der Zügel hing durch, ich kraulte ihm beim Wegrennen noch den Hals und so entspannte er sich nach und nach immer mehr.

Und dann ergab es sich irgendwie, ich kann gar nicht genau sagen, wann das umschlug, auf einmal passierte es einfach – ich bekam ein ungeheuer versammeltes Angaloppieren. Ich lobte ihn wie verrückt – er wusste nicht genau, wofür, freute sich aber und wurde kompromissbereiter. Ich durfte ein wenig Form und Haltung vorgeben. Und fragte dieses Anspringen noch einmal an. Und bekam es. Und dann bekam ich bestimmt fünf, sechs Mal dieses ungeheuer versammelte, erhabene Angaloppieren. Er war groß, er war rund, er fühlte sich mächtig an – das war grandios.

Dazwischen stieg er dann an anderer Stelle plötzlich mal und drehte sich dabei, ich weiß nicht, was er da falsch verstanden hatte, gefühlt hatte ich gerade nichts versammeltes gefragt, und so legte ich behutsam die Gerte ans Fell, was er sofort mit einem weiteren Steigen und richtig frech beantwortete. Ich legte die Gerte mit etwas mehr Druck nochmal an, wohl wissend, dass alles, was er mir als „Schlag“ auslegen könnte, voll nach hinten losgehen würde. Er machte ein paar interessante Hüpfer und ließ sich dann wieder nach vorne treiben. Das war der einzige Zwischenfall (haha, von den 2.368 Abhauern abgesehen), ansonsten durfte ich nachher treiben und loslassen und ihn lang machen, auch im Trab zog er dieses Mal schon viel besser nach vorne als beim letzten Mal.

Und dieses Gefühl bei den Angaloppier-Momenten, das war unschlagbar! Scheiß auf das immer und immer wieder abhauen, frech sein, rennen – diese Momente sind es, die ich, wann immer ich darf, fordern und fördern werde und irgendwann ist nämlich Schluss mit abhauen, frech sein und rennen, und dann wird er so schön!!!

Ich kann warten.
Sagt die, die eigentlich nie auf irgendwas warten kann und immer alles sofort haben muss.
🙂

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Donnerstag, 31.12.

Das Wetter war morgens so ungemütlich, dass ich erstmal wieder nach Hause fuhr und alles mögliche erledigte. Nachmittags, als der Regen aufgehört hatte, kam ich nochmal wieder und holte Nacariñ0 und Dón auf den Platz. Die waren griffig, nachdem beide dem Vernehmen nach morgens durch den Stromzaun gegangen waren. So wurde ich denn auch begrüßt mit den Worten „Deine Pferde bringe ich nicht mehr raus, das musst Du selbst organisieren. Die waren nicht gemeinsam zu führen, ich musste die einzeln holen, und dann sind sie durch den Zaun und haben alles kaputt gemacht. Nacariño hat nach meiner Tochter geschlagen.“ Was mir natürlich zum Jahresende gehörig die Laune verhagelte und ich mir so weder vorstellen konnte noch wollte. Nacariño ist alles andere als ein 08/15-Pferd und dementsprechend kann er so auch nicht behandelt werden, und wenn er wirklich nach jemandem geschlagen haben sollte, dann wird es dafür einen triftigen Grund geben. Und sei es nur der Frust, den die Pferde inzwischen schieben, weil sie viel zu wenig rauskommen und oft (zu) lange Fresspausen haben.  Einen Tag zuvor sollen beide mit weithin sichtbaren Erektionen Alarm gemacht haben – auch sowas ist in meiner Gegenwart noch nie auch nur ansatzweise passiert.
Dinge, die die Welt nicht braucht.
Was tun??

Als ich die beiden dann nachmittags – gemeinsam natürlich –  zum Platz brachte, wurde gerade mit großem Gerät und zwei laufenden Treckern Holz in Kleinteile zerlegt. Es lärmte und krachte, sie mussten querwärts schräg dicht zwischen diesen beiden Treckern durch – und es war sowas von überhaupt gar kein Problem. Lämmer geradezu.
Auf dem Platz dann ein sehr deckfreudiger Dón, der Nacariño enorm bedrängte und von ihm einiges auf den Frack bekam, was ihn aber nicht wirklich störte. Ich versuchte, Nacariño bei mir zu behalten und Dón wegzuschicken, was Nacariño aber nicht verstand und so haute er natürlich erstmal mit ab. Dón bedrängte ihn wieder. Ich trennte die beiden wieder und erklärte Nacariño, dass ich Dón von ihm fernhalten könne, er muss sich dafür aber schon darauf einlassen, bei mir zu bleiben, auch wenn ich Dón gegenüber energisch werde. Das tat er schließlich und nach kurzer Zeit begriff er, dass er in meiner direkten Nähe Ruhe vor Dón hat. Der regte sich denn auch langsam ab, aber griffig waren sie dennoch beide. Es wurde schon ein bisschen geknallt, aber das kratzte beide nicht sichtlich.

Ablenkung war angesagt. Ich holte das Podest und das war dann aber wirklich zu süß – in Null Komma Nichts standen sie drauf – und zwar beide! Sie drängelten sich geradezu um das Podest und standen in den verrücktesten Bein-Konstellationen drauf, gerne auch über Kreuz, Hauptsache beide!
Das war echt toll, ich konnte sie rauf und runter stellen, wie ich wollte, sie machten begeistert mit. Und entspannten sich immer mehr.
Als ich mit Dón wegging und mit ihm alleine etwas machte, stellte Nacariño sich selbst auf das Podest und stand da und guckte uns zu. Großartig.

Mein Kopf fuhr weiter Karrussel. Die Pferde kommen derzeit super wenig raus, haben dann nichts zu fressen, werden immer genervter, und da eine Weile kein Strom auf den Zäunen war, nehmen sie die Litzen, wenn denn jetzt mal Strom drauf ist, offenbar nicht immer so ernst, wie sie sollten. Das noch über ein paar Monate bis zur Weidesaison?
Na, herzlichen Glückwunsch. Das geht nicht. Und das ist auch nicht das, was ich für meine Pferde will und wie es sein sollte. Weit davon entfernt. Ich grübelte von rechts nach links und wieder zurück.

Kurz vor Mitternacht trafen wir uns bei den Pferden, die größtenteils total cool waren.
Dón wanderte ein wenig und bestaunte den bunten Himmel, hier wurde gefühlt direkt vor der Tür geknallt und das nicht zu knapp. Eine halbe Stunde (!) Ramba-Zamba, dann noch eine Viertelstunde schwächer, dann ließ die Knallerei endlich nach. Nacariño war der mit Abstand unruhigste, er konnte überhaupt nicht stillstehen und war echt überdreht. Aber auch kam ein wenig zur Ruhe, als es weniger wurde. Ich legte Heu nach und wünschte den beiden noch eine gute Nacht, in der Hoffnung, dass sie noch ein wenig Schlaf finden würden. 

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