Februar

Es war so durchdringend feuchtkalt, dass ich keine Lust hatte, mich auf’s Pferd zu setzen, und so ließ ich die Jungs mehrfach auf dem Platz laufen. Der war zum Glück in der ersten Februar-Woche nicht gefroren, und kurz bevor der nächste Dauerfrost angesagt war, schenkten meine beiden Jungs mir tolle Momente. 

Ich hatte ja im letzten Jahr irgendwann mal versucht, meine beiden zusammen steigen zu lassen. Das war mal im Ansatz gelungen, aber Nacariño machte sich ja gerne noch blitzartig vom Acker, wenn es ihm zu eng wurde. Zu dicht nebeneinander war beiden nicht geheuer. Das bietet schon Raum für eine Menge Konfliktpotential 🙂

Ich fragte das gemeinsame Steigen also nach langer Zeit mal wieder vorsichtig an.
Beide waren beide sehr in Steige-Laune und ich versuchte, das zu nutzen.
Erst stiegen sie immerhin abwechselnd, wobei sie aber immer weiter auseinander drifteten und sich sehr genau im Auge behielten. Nacariño fragte ein paar Mal einen geringen Zug am Strick an, gab aber immer sofort wieder nach. Er zog nicht ein einziges Mal wirklich weg. Und so traute ich mich, vorsichtig immer ein kleines bisschen energischer und schneller zu werden.
Nachdem sie etwas mutiger und lässiger wurden und meinen Lobgesängen Glauben schenkten, lotste ich sie unauffällig Richtung Zaun, so dass schließlich Nacariño an der Bande stand und Dón innen daneben. Nacariño war das nicht ganz geheuer, aber er wartete erst einmal ab, wie ich mich bewege. Auf ihn musste ich sehr aufpassen, er war auf Hab Acht. Dón stieg derweil lässig ein um’s andere Mal vor sich hin 🙂

Und dann tatsächlich gelang es zum ersten Mal, dass sie gleichzeitig abhoben!
Ich lobte wie verrückt, und so schwer es mir auch fiel, das kein zweites Mal anzufragen, ich beherrschte mich. Die beiden waren sichtlich stolz, Dón mit ziemlicher Arroganz, Nacariño eher nachdenklich. Er überlegte, genoss aber sehr das Lob und Kopf kraulen.
Das wird noch in diesem Jahr abrufbar!

An einem anderen Tag baute ich einen kleinen Spung auf – ich habe zwei große und zwei kleine Springblöcke, der große kam in die Zirkelmitte, mit den beiden kleinen und zwei Stangen ergab sich nun ein sechs Meter breiter Sprung, an dem es nach außen kein Vorbeilaufen gab, aber auch nach innen versuchten sie es gar nicht erst – sie sprangen aus jeder noch so schrägen Lebenslage mit Geschick und Begeisterung.
Dón etwas lässiger und eleganter, Nacariño manchmal etwas übereilt und zu dicht, dann aber mit großem Geschick.

Was für ein Geschenk, junge Pferde mit einem solchen Spaß am Springen zu haben!
Ich freue mich schon wieder so sehr auf unseren ersten Heist-Ausflug!
Irgendwann Ende März Richtung April fahren wir da wieder hin!

Und dann machte Nacariño mir noch ein richtig tolles Geschenk. Seit kurzem gelingt immer wieder mal und immer besser das Kompliment alleine auf die Gerte. Ich muss sein Bein manchmal gar nicht mehr anfassen, manchmal allerdings wird daraus auch ein rasantes Rückwärts, wenn Nacariño es eilig hat und gerade keine Zeit, das Bein abzulegen.

Ein paar Mal gelang es inzwischen aber auch, dass der Griff der Gerte oder der Peitsche das entsprechende Vorderbein am Röhrbein durch Anticken zum Abheben animierte und Nacariño dann auch erstmal mit gewinkeltem Bein nach unten dachte – und nicht gleich wieder in Richtung nach vorne-oben ausholen oder gar Steigen. Das Steigen war dabei inzwischen tatsächlich gänzlich raus. Es wurde nur immer nochmal ein Mix aus wildem Stampfen oder Scharren, nach vorne-oben ausholen oder eben mit gewinkeltem Bein nach unten denken. Wenn ich diesen Moment hatte, legte ich den Griff unter die Fessel, und mit ein bisschen Glück ließ Nacariño sich dann tatsächlich der Gerte entgegen sinken.

Das hatte an drei oder vier verschiedenen Tagen geklappt – mal besser, mal schlechter – und dann kam das große Geschenk (nicht, dass das nicht schon ein großes gewesen wäre!).
Nacariño dachte sofort auf die erste Gertenberührung nach unten – er bot es schon an, als ich mich in Position stellte, da ging sein Kopf schon in die Richtung. Brav, der Gute!!
Ich bekam dann mehrfach ein Kompliment nur auf Gerte – auf beiden Seiten!
Und dann war er so heiß drauf, dass es sich plötzlich ergab, dass ich aus Versehen unter seinem Bauch auch das äußere Bein erwischte, er winkelte beide an und kniete.
Ich lobte ihn wie verrückt, fütterte (Futterlob ist die große Ausnahme…), er blieb ein paar Sekunden im Knien und stand entspannt wieder auf. Ich knuddelte ihn wie verrückt.

Und fragte nochmal, jetzt bewusst mit dem Versuch, das zweite Bein zu berühren.
Und bekam prompt wieder ein Knien, jetzt noch ruhiger, noch überlegter, noch länger.
Jippie!!!

Das gelang noch ein drittes Mal, Nacariño hatte verstanden. Ich kriegte mich gar nicht wieder ein vor Freude, kuschelte und knuddelte meinen tollen Weißen. Dón kam angerobbt und buhlte um Aufmerksamkeit – er versuchte, mir die Mütze vom Kopf zu ziehen, zog an meinem Kragen, schnappte sich die Peitsche. Zu süß! Als ob eine kraulende Hand für jeden nicht reicht! Mit sowas lassen meine tollen Jungs mich die Kälte glatt vergessen…

An einem anderen extrem frostigen Tag nahm ich die beiden gar nicht aus der Box – die ist ja groß genug, um darin auch ein bisschen was machen zu können. Das allerdings machte ich zum ersten Mal. Ich schnappte mir jeweils eine große Möhre und ging abwechselnd zu beiden rein, um etwas mit ihnen zu machen, sie sahen daraufhin mit großem Interesse beim jeweils anderen zu und waren sehr begeisterungsfähig. Das war schon witzig 🙂

Ich wollte doch so gerne gucken, ob das Knien abrufbar wäre. Und ob ich für das Kompliment tatsächlich keine Hand mehr brauche.
Nacariño hatte bei Dón zugeguckt und begrüßte mich schon fast im Kompliment, es war jedenfalls klar, dass er meine Erwartungshaltung teilte. Er trug kein Halfter, mit wäre es vermutlich einfacher gewesen. So krabbelte ein ungeheuer motivierter und begeisterungsfähiger Nacariño immer wieder rückwärts und hatte es viel zu eilig, um in Ruhe ein Bein abzulegen. Dennoch bekam ich einmal – nur mit Gertenberührung – ein tolles, lang ausgehaltenes Kompliment links.
Ob sich rechts das Knien abrufen ließ? Ja! Tat es tatsächlich! Zwar auch wieder mit etlichen Runden rückwärts / seitwärts und einfach zu wenig Ruhe, aber als er dann kniete, tat er es sicher und ausgiebig. Ich lobte wie verrückt, die Möhre war hochverdient.

Danach guckte Nacariño auch bei Dóns zweiter Runde sehr interessiert zu, sah, dass der steigen durfte und wollte dann unbedingt auch. Durfte er! Er kam vor Begeisterung fast auf mich zugesprungen, versuchte einen Bocksprung neben mir, er war echt witzig drauf. Ein tolles Knieen bekam ich nochmal, da war schon fast eine Idee zum Ablegen spürbar. Ich hoffe, er spürte es auch 🙂

Am Valentinstag schien endlich mal wieder so richtig die Sonne!
Die schaffte es zwar nicht, den Platz aufzutauen, aber so ging ich endlich mal wieder eine Handpferde-Runde ins Gelände. Was für eine schöne Runde! Was für ein schönes Licht!

Nacariño war albern, aber entspannt. Zumindest noch im Schritt und Trab, das war problemlos. Beide waren unternehmungslustig, aber gehorsam. Nacariño schnappte mal nach Dón, alberte mit mir rum, schüttelte immer mal wieder den Kopf, zog aber überhaupt nicht. Der Gehorsam der beiden zeigte sich dann im Galopp so richtig – da fiel mir auch erst auf, dass ich wohl verdammt lange nicht mehr mit Handpferd im Gelände war… Ich hatte beide auf Trense, das ging super. Im ersten Galopp ging Nacariño etliche Meter am durchhängenden Zügel neben mir. Großartig!

Im zweiten Galopp wurde er kerniger, zog schon mal, aber nicht heftig, und dann machte er eine Serie von Bocksprüngen und Auskeilern, bei denen ich nur froh war, dass er sie von uns weg machte. Er schien wirklich aufzupassen – ihm traue ich durchaus zu, dass er im Übermut auch Richtung Dón keilt, tat er aber nicht. Er keilte mächtig aus, aber immer deutlich von uns weg. So darf er das gerne! Zwei ganz schöne Temperamentsbolzen, aber so toll händelbar! Und das nach relativ langer Pause und in einer Zeit, in der sie ohnehin wenig Bewegung haben. Echt klasse, die beiden. Das ist ein toller Gehorsam – er nimmt ihnen nichts von ihrer Bewegungsfreude. Das machte so viel Spaß!

Wir kamen hochzufrieden und entspannt nach Hause – was für ein schöner Nachmittag!

Das typisch norddeutsche Februar-Wetter hielt uns vom Reiten ab.
Einmal nahm ich Nacariño an den Langen Zügel – wie lange war das denn her…?
Er machte es prima, ging sogar auf beiden Händen im Schritt Travers, für Traversalen legte ich eine erste Idee. Viel mehr ging nicht, der Boden war deutlich schwerer, als er aussah. Ich nahm also einen Zügel ab und Nacariño an die Hand. Er machte einige schöne Polka-Schritte, zwar sehr unterschiedlich, aber relativ ruhig.
Ich fragte – nur gedanklich – extrem behutsam einen einzigen Piaff-Tritt an. Nacariño fuhr sofort seine Spannung hoch und ich sah zu, dass ich einerseits in meiner Idee blieb, ihm andererseits aber auch genügend Raum bot, um sich nicht bedrängt zu fühlen. Das ist ein extremst schmaler Grat bei ihm.

Nacariño machte gut mit, er gab sich Mühe, konnte aber nicht so ganz aus seiner Haut. Er setzte zu einem Tritt an, und alleine das Winkeln eines einzigen Hinterbeines belohnte ich schon mit sofortigem Abbruch. Nacariño rieb in einer Übersprungshandlung mit einer Energie seine Oberlippe an mir, dass er mich fast umwarf. Das ließ ich ihn immer wieder machen, obwohl es echt nicht angenehm war und er mir einmal auch fast die Brille von der Nase schlug. Ein bisschen schmerzfrei muss man schon sein, wenn man bei diesem Pferd Spannungen rauslassen will.

Ich setzte vielleicht so acht oder zehn Mal an. Tatsächlich wurde Nacariño ruhiger, seine Übersprungshandlungen wurden schwächer. Ich bekam zwei Mal zwei schöne Tritte, die ich sehr, sehr lobte. Nacariño fing an, mir zu glauben, dass es um mehr gar nicht geht und das fand er aushaltbar. Damit entspannte er sich enorm. Das war wirklich erfolgreich – auch wenn das von außen bestimmt nicht so aussah 🙂 
Aber Nacariños Stimmung war es, was es für mich erfolgreich macht, nicht wie es jetzt aussieht. Ich weiß, wie es irgendwann aussieht!

Und dann kam ja nochmal so ein echtes Nacariño-Ding. Ich hatte den Hänger dran und dachte, dann kann er da ja auch nochmal eben hochgehen. Lilly hatte zuvor ein super Verladetraining absolviert, dabei allerdings kein Stückchen Möhre mehr übrig gelassen. Ich wollte also vom Beifahrersitz eine Handvoll Möhren holen, führte Nacariño da hin, beugte mich ins Auto, und da – wer denkt denn im Ernst auch an sowas!!?? – spüre ich nur noch die geballte Energie hinter mir und sehe im Augenwinkel einen über die offene Autotür springenden (!) Nacariño, der mir dabei natürlich die Longe durch die Finger zog (nicht so schlimm) und fast die Autotür umnietete (viel schlimmer). Die Autotür knackte bedenklich, blieb aber dran, der Finger knackte nicht, blieb auch dran – aber dann lief so richtig Blut. Stört mich ja nicht so sehr, ich steckte mir die Möhren in die Tasche und ging Nacariño hinterher, der inzwischen wild schnorchelnd über den Hof galoppiert und im Stall angekommen war. Nic hatte ihn eingesammelt und meinte bei einem Blick auf meinen Finger (sie kann zum Glück auch Blut ab) „Lass laufen“. Das tat ich auch und nahm Nacariño mit zum Hänger. Dafür musste er nun aber auch gleich alleine raufgehen, wer sich so benimmt, kann nicht erwarten, auch noch hochgeführt zu werden. Davor sackte mir aber erst nochmal der Kreislauf weg, ich setzte mich auf die Rampe, Nacariño stand brav davor und wartete. Schließlich stand ich wieder auf und schickte ihn hoch. Er wollte erst nicht, suchte den Kontakt zur Longe und rechnete aus, ob die lang genug zum Abhauen ist, ich ruckte kurz dagegen und damit ließ er das sein. Brav.
Er ging nicht im ersten Anlauf vollständig hoch, aber im Endeffekt zwei Mal, beide Male alleine und er wartete oben brav. Damit ließ ich es gut sein.

Der Finger hätte für manche zur Ohnmacht gereicht, überall um den Hänger waren Blutstropfen. Ach, da muss man auch mal durch. Nicht anstellen – heilt wieder!

Ende Februar ergab sich endlich noch einmal ein Tag, an dem ich reiten konnte – der Platz war zwar völlig unter Wasser, aber mir war danach, ins Gelände zu gehen. Und zwar nicht mit Handpferd, sondern mit jedem einzeln. Wie lange hatte ich nicht auf Nacariño gesessen? Verdammt lange jedenfalls. Und ich rechnete mit einer Menge Blödsinn seinerseits. 
Er überraschte mich total. Er war super. Na klar kernig und echt bereit zum Buckeln und Abhauen – aber er tat es nicht. Er war ungeheuer leicht und fein an den Hilfen, ging auf dem Weg zum Möschenhof lässige Zick-Zack-Traversalen im Schritt und Trab und dieser Trab ließ sich erstaunlich gut sitzen. Ich fragte vorsichtig ein paar Spanische Schritte an und bekam die auch, ohne dass er nach oben fragte. Ich war echt begeistert.

Und dann wollte ich angaloppieren. Hoppla! Sein höchst dynamisches Angaloppieren war nicht zu sitzen, auch nicht die Sprünge danach. Er knallte mir dermaßen was ins Kreuz, da war kein Rankommen. Er ließ sich halten, aber dieses Galoppieren war unmöglich.
Ich parierte wieder durch und fragte immer nochmal ein Angaloppieren an. Es wurde besser, aber wirklich zu sitzen war das nicht. Verrückt – sonst immer der Trab und nun der Galopp… Was dieses Pferd mit seinem Rücken machen kann, ist unglaublich.

Wir bekamen aber nachher noch schöne Galoppmomente und dann sprang Nacariño plötzlich und unerwartet einen fliegenden Wechsel. Einfach so!
Ich versuchte natürlich, das noch einmal auszulösen, aber es gelang mir nicht. Schade, aber immerhin war er einen gesprungen!
Insgesamt war das ein verblüffend toller Ritt gewesen. Die kantigen ersten Sprünge lasse ich mal außer Acht, aber alleine, dass sich ein dermaßen kerniger Nacariño so leicht hatte handeln lassen und so wunderbar fein zu führen war, war gigantisch.

Ach, feiner feiner Junge! Hoffentlich kann ich jetzt bald mal wieder etwas regelmäßiger etwas mit den Jungs machen. Der Frühling naht!

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