6.8. – St.-Peter-Ording

Ich war aufgeregt. Wieder eine Premiere, und auf diese war ich so heiß… Wir hatten es schon verschoben, Wetter passte nicht, Gezeiten passten nicht, niemand konnte mitkommen – und für das erste Mal war eine helfende Hand schon etwas, worauf ich ungerne verzichten wollte.
Plan A vor ein paar Monaten war, mit Dón an die Nordsee zu fahren.
Plan B vor einigen Wochen war, kurzfristig zu entscheiden, wer mitkommt.
Plan C nach Eutin und nach den ersten Galopps mit Handpferd war, beide mitzunehmen.
Und da gab es nun auch kein Zurück mehr – ich wollte mit beiden hinfahren! So oft kommen wir da nicht hin (Wetter muss passen, Gezeiten müssen passen, und frei haben muss man dann auch noch) und es ist schließich auch eine zweistündige Fahrt. Und man hält sich auch lässig zwei, drei Stunden dort auf. Da ist so ein Tag schon weg!

Nun aber sollte es endlich losgehen und ich war ganz schön unter Strom.
Nic und Tanja kamen mit Navarre und Flamenco mit, für alle war es die Premiere, bis auf Navarre, der war mit seiner Vorbesitzerin schon mal hier gewesen.

Was dann kam, hatte ich so nicht erwartet – allerdings hatte ich auch nicht erwartet, beim Aussteigen Kite-Surfer über Kite-Surfer zu sehen…
Hier waren noch nie, wenn ich da war, Kiter!! Warum jetzt??
Mir ging echt der Ar… auf Grundeis.
Ich starrte den bunten Himmel über dem Wasser an und ahnte, dass es blöd war, mit beiden gleichzeitig herzufahren. Umkehren kam natürlich überhaupt nicht in Frage. Einen auf dem Hänger zu lassen aber auch nicht, ebenso wenig wie einen von beiden Karo in die Hand zu drücken – Nacariño würde sich im Zweifel nicht halten lassen und bei Dón hatte ich nun auch so keine Idee, wie er sich verhalten würde.
Karo war zum Glück mitgekommen, ich war ihr so dankbar dafür, und noch viel dankbarer bin ich ihr für diesen Schwung toller Bilder, die entstanden sind…!

Diese herrlichen Bilder werden mich mit der Zeit vergessen lassen, wie unfassbar anstrengend die erste Stunde war. Heute, am Tag danach, tut mir schlicht alles weh. 
Aber – das gibt sich wieder, die tollen zwei Stunden, die dann kamen, bleiben in Erinnerung!

Dón war auf 2000 Volt, kaum dass auch er die ersten Kiter sah. Er starrte da hin beim Fertigmachen und konnte kaum stillstehen. Nacariño wirkte dagegen verblüffend ruhig und festigte an diesem Nachmittag sehr erfolgreich seinen Ruf als „Mr. Cool“, die Rolle, in der ich Dón ja eher gesehen hätte, aber der wurde phasenweise geradezu panisch. Er alleine wäre ja nun nicht so schlimm gewesen, aber so, mit einen unternehmungslustigen, aber zum Glück echt gehorsamen Nacariño daneben, war ich einige Male echt in Wohnungsnot. Dón glotzte sich anfangs fürchterlich an den Drachen und Segeln fest, ich sah zu, dass ich die eine große Wasserfläche am Anfang ausnutzte und ihn ablenkte.
Es war überhaupt kein Problem, beide ins Wasser zu reiten, sie gingen sofort rein und auch zuvor schon in jede Pfütze, hier ist der Grund aber ja auch immer bestens zu sehen, was den Pferden natürlich Sicherheit gibt.

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In diesem „See“ herrschte allerdings Strömung. Ohnehin war es happig windig. Ich empfand es nicht als in dem Sinne kalt, aber frisch war’s schon. Mir wurde allerdings ziemlich schnell warm. Dón zog in Richtung Meer überhaupt nicht, in Richtung Strand aber auch nicht so richtig, denn da bewegten sich Menschen, er wusste nicht, wohin er abhauen sollte, wohin statt dessen gehen wusste er aber auch nicht, aber stehen ging ja mal gleich überhaupt gar nicht. Ich war heilfroh um meine vorab verkürzten Bügel, die im Zweifel einen Abflug verhinderten. Schließlich find Dón an, über Algen zu springen.
ALGEN! SPRINGEN!!!! Mit was für Sätzen! Nicht so ein kleiner grüner Teppich, nein, nur wenn die so groß wie ein, zwei Hände waren. Dann konnte er da unmöglich drauftreten oder einfach drüber gehen, er übersprang sie. Dank der Strömung sah ich die aber meist erst im selben Moment wie er. Er sprang los, Nacariño fragte sofort, ob das eine Aufforderung sei, nein, war es nicht, und so war ich ganz gut in Bewegung da oben. 
Puh!! 

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Dón wurde panisch, wenn Navarre und Flamenco auf ihn zu kamen, er wurde panisch, wenn irgendwo in seiner Nähe (Nähe = 100 bis 200 Meter…) ein Drachen oder ein Segel bewegt wurde oder sich gar in die Lüfte erhob, er wusste überhaupt nicht mehr, wohin mit sich. Nacariño, von dem ich ja durchaus Quatsch erwartet hätte, hatte einen großen Anteil daran, dass Dón sich nach und nach beruhigte und entspannte. Er war so unglaublich cool, ging überall hin, guckte sich alles an, fand alles interessant und fand, dass Dón sich anstellt. Von dem Gedanken war ich auch nicht ganz frei. Dóns beginnende Entspannung wurde wieder und wieder unterbrochen, ich wagte lange Zeit nicht, die Zügel länger zu lassen, das kam erst viel später. Das Ganze kostete mich ungeheuer Kraft und Konzentration. Tja, aber ich musste ja beide mitnehmen. Also nicht jammern jetzt!

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Die Strömung hatte noch den unangenehmen Effekt, dass man nicht auf das Wasser runterschauen konnte, dann wurde einem schlecht. Tanja und Nic gingen relativ schnell wieder raus, bevor sie vom Pferd kotzten, ich versuchte immer nur ganz kurz auf das Wasser unter mir zu schauen, merkte aber an Dón, dass dieses Phänomen nicht nur Menschen betrifft. Nacariño war nichts anzumerken – Dón hingegen fing an zu schwanken und fühlte sich an, als würde er jeden Moment kippen. Das war vielleicht ein Gefühl!! Für ihn bestimmt so unangenehm wie für mich – ins tiefere Wasser trauten wir uns aber noch nicht, da waren noch zu viele Kiter unterwegs. Ich hielt meine Pferde also in Bewegung und guckte brav nach vorne und bat Dón, das auch zu tun. In Bewegung ging es, im Schritt taumelte er richtig. Ich verließ dieses Wasser und wir hielten uns mal eine Weile auf dem riesigen Strand auf. Da wurde das Gefühl sofort wieder besser.

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Das Licht ließ das Meer aus jedem Winkel anders aussehen, ganz großartig!
Und da wir ja auch erst gegen 16.30 da waren, wurde es nach einer Stunde auch langsam etwas ruhiger, die Kiter beendeten nach und nach ihr buntes Treiben. Da hatten sich die Pferde langsam akklimatisiert und wir wagten uns immer mehr ins tiefere Wasser, wo es noch kurz zuvor vor Kitern gewimmelt hatte.

Nebeneinander traben war überhaupt kein Problem, die meiste Zeit ging Nacariño am lockeren Strick. Es juckte mich natürlich, zu galoppieren, und so gab ich irgendwann den Impuls, Dón nahm das dankbar an, Nacariño trabte weiter und schnaubte vor sich hin. Dón war verwirrt und quengelte, ich schnalzte Nacariño an, er sprang an – hach, war das schön, dann galoppierten sie! Und ab dann konnte ich sie rechts, links, rauf, runter angaloppieren, durchparieren, angaloppieren – total klasse! Und damit beruhigte Dón sich nun auch langsam, die Bewegung war gut, der entspannte Nacariño daneben natürlich auch. Ich ahnte ja schon, dass Nacariño im Grunde seines Herzens angstfrei ist, aber dass er so schnell dermaßen cool werden würde – erst Eutin und jetzt hier – damit hatte ich im Traum nicht gerechnet. Im wachen Zustand auch nicht 🙂

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Ich hörte sie wieder und wieder im selben Rhythmus gehen. Das Geräusch im Wasser ist einfach unglaublich. Berauschend. Da spätestens war ich wieder so froh, beide mitgenommen zu haben! Das nennt man dann wohl ein Pass-Gespann! 🙂

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Und dann endlich ins tiefere Wasser…

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Es wurde immer toller. Meine Jungs machten richtig Kilometer!

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Natürlich hatte ich eine bestimmte Idee, als ich herfuhr. Natürlich wollte ich etwas machen, was ich mit Joya und Fàscino hatte machen können. Angesichts der Kiter und ziemlich vieler Menschen verwarf ich die Idee anfangs, nach eineinhalb Stunden juckte es mich dann doch. Dann kam eine Gruppe Pferde und ich hielt mich nochmal zurück.
Nacariño war brav am Strick, zog zwar phasenweise auch mal ganz schön los, ließ sich aber halten. Aber ich weiß ja um die Freiheitsliebe meines hübschen Weißen und um seine Liebe zur Unabhängigkeit. Andererseits nahm ich schon an, dass er sich nicht allzu weit von unseren Pferden entfernen würde… Und so wagte ich es schließlich.

Boah, war das toll!!!!!!

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Das war einfach nur großartig! Gigantisch! Nacariño blieb zwar nicht an meiner Seite, das ahnte ich ja schon, aber er entfernte sich auch nicht weit von uns – er dockte viel mehr an Flamenco an und war da schwer wegzukriegen. Tanja hatte sofort das, was sie sich gar nicht so gewünscht hatte – einen freien Mitläufer. Wenn ich mal mit den beiden alleine hier bin, dürfte es überhaupt kein Problem sein, ihn laufen zu lassen, dann wird er sich an Dón orientieren. Hier gab es auch mal das eine oder andere Stück Brot, um Nacariño darauf einzustimmen, dass es immer gut ist, zu mir zu kommen. Dabei biss er mir einmal vor lauter Gier herzhaft in den Arm – naja, passiert. Wichtiger war – er blieb bei uns und tatsächlich kam er zwei Mal auf Ruf zu Dón und mir galoppiert (da geht einem doch das Herz auf…), als ich mich mit Dón entfernte. 

Wir galoppierten zu viert, Nacariño war enorm albern und freute sich sichtlich. Was für ein Selbstbewusstsein, meine Güte…
Er hatte vorher ein paar Mal ganz leicht seine Kruppe in Richtung Dón geschwenkt, nicht geschlagen, aber die Bereitschaft war da, wenn auch aus einer Spiellaune heraus. Auch im Freilauf warnte und drohte er den anderen mal ein wenig, aber nie ernsthaft. Seine Zähne sind allemal gefährlicher als seine Beine!
🙂

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Wir ritten glücklich zurück zum Hänger. Dort sattelten wir ab, bürsteten ein bisschen Sand ab, kein Pferd war nass, aber alle waren unglaublich sauber 🙂

Sie hätten sich hinlegen dürfen, und das sind ja nun wahrlich alles wälzfreudige Pferde, aber der Boden war ihnen wohl doch zu feucht – oder es gab noch immer zu viel zu gucken. Keiner legte sich hin. Dafür ließ ich meine beiden in diesem wunderbaren Licht noch einmal in die Luft gehen, was sie mit Begeisterung und sehr ausdrucksvoll taten.

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„War ich gut??“
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Auch Nacariño hat ein „War ich gut??“-Gesicht 🙂
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Was für ein (Nachmit)tag!!
Sowas Tolles…

Beim Verladen brauchte Nacariño eine kleine „Schiebung“, beim Fahren standen beide total still. Sie waren rechtschaffen müde. Dón zumindest, Nacariño kennt das Wort glaube ich nicht. Ach, diese wunderbaren Pferde…

Am nächsten Morgen kam ich zum Kuscheln auf die Weide und staunte – sie waren durch das Salzwasser wirklich unfassbar sauber. So hell habe ich beide noch nie gesehen. Auch Flamis Vorderbeine leuchteten in der Sonne. Was für ein schöner Nebeneffekt!

Bald wieder! Auf jeden Fall dieses Jahr noch einmal!

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