22.6. – Midsummer bei Krämer

midsummer

Die eigenen Grenzen rausfinden kann man doch eigentlich nur, wenn man sie mal überschreitet. Und wann zu viel zu viel ist, kann man doch auch nur rausfinden, wenn’s mal zu viel ist. Oder? Wo diese Energie nun herkam, weiß ich nicht, aber nicht einmal dieser 17-Stunden-Tag hat mich an meine Grenzen gebracht. Obwohl – ich selbst war da eigentlich, nachdem ich volle neun Stunden Richter-Marathon mit offenem Kommentar in Norderstedt hinter mir hatte, bei zum Glück guten Wetter und vielen schönen und sehr schönen Vorstellungen in E-, A- und L-Dressur, Reiterwettbewerb und Caprilli-Test. Ein bisschen alle war ich danach dann doch. Und überlegte, ob ich mir die 21-Uhr-Vorstellung bei Krämer noch antun sollte – waren wir doch erst um 19.00 Uhr mit der letzten Siegerehrung fertig…

Es wurde eine ungeheure Hetze, ich hatte zum Glück morgens meine Sachen in’s Auto gepackt, ahnend, dass ich nicht mehr nach Hause kommen würde zwischendurch. So ging es dann auch auf direktem Weg zum Stall, wo mich zwei unfassbar dreckverkrustete Pferde erwarteten. Da war es fast zu viel. Hätte ich eine Telefonnummer zur Hand gehabt, ich hätte abgesagt. Ich hatte keine. Dafür fing’s an zu regnen. Meine Knie wurden weich vor Erschöpfung, als ich, über mich selbst wirklich den Kopf schüttelnd, die Kruste von meinen Pferden kratze, Joya zumindest noch im Blitzverfahren die Beine wusch, die Sachen einpackte, das Podest in den Hänger schleppte, mir den in Strömen fließenden Schweiß abwischte, aus Joyas Mähne irgendwie drei Zöpfe machte, immer wieder auf die Uhr guckte, die erbarmungslos weiterlief – ja, also das war schon kurz vor Grenze.
Sehr kurz.

Meine braven Jungs waren in Null Komma Nix auf dem Hänger und ich fuhr durch den immer stärker werdenden Regen, schon langsam lachend (Galgenhumor…), weil die Situation nur noch bescheuert war. Ich kam an und war freudig überrascht beim Anblick des vollen Parkplatzes – das hatte ich nicht erwartet und ich wäre bei dem Wetter ehrlich nicht geneigt gewesen, vor drei Leuten zu reiten. Ich ging in den Laden – „Oh schön, dass Sie da sind, es wurde schon nach Ihnen gefragt!“ Meine Laune stieg ganz vorsichtig und ich merkte, Rückzug war nicht mehr möglich. Sie mussten diese Idee in meinem Gesicht gelesen haben und nahmen mir sofort den Wind aus den Segeln.
Es regnete Bindfäden – wie mochte der Platz aussehen…? Ich traf viele bekannte Gesichter und so langsam fing das Ganze an, Spaß zu machen – naja, nee, da drang der noch nicht so durch. Später 🙂

Ich machte die Jungs fertig, das ging ja recht fix, zog mich um (war das schön, in trockene Sachen zu kommen! Auch wenn die nicht lange so blieben…) und als ich zum Platz kam und ein wenig Schritt ritt kamen sie tatsächlich alle aus dem Laden und ihren Autos, spannten ihre Schirme auf und guckten mich sichtlich erwartungsvoll an. Da war ich dann aber auch schon in meinem Element, hatte das Headset an, meine Musik begann und – es wurde trocken. Fast. Also so, dass der Regen nicht mehr zu spüren war. Unglaublich. Und das war genau für die Zeit so, in der ich ritt. Es ist einfach unfassbar. Ich war kaum fertig, da ging der Regen wieder los. Bis dahin hatten meine Jungs mich aber so weit wieder aufgebaut, dass ich nur noch lachte und strahlte und alles egal war.

7.

Die beiden waren schlicht großartig. Nicht nur, dass ich sie, während die anderen Abendfutter bekamen und sie ja heute auch gar nicht mehr mit mir gerechnet haben (das ist ja so überhaupt nicht meine Zeit…), auf den Hänger schicken darf, nein, sie liefern dann aber auch eine grandiose Nummer ab und zeigen mir damit so deutlich, wie viel Spaß sie an all‘ dem haben – und das bei dem Wetter – das mir einfach nur das Herz aufging und der lange Tag für diese Minuten vergessen war. Das Publikum gab ständig Szenenapplaus, das war einfach nur toll.

Ich fing an mit ein paar Erklärungen zum Reiten mit Handpferd und worauf es dabei ankommt, zeigte Wendungen, Rückwärtsrichten, Schaukel und Seitengänge.

6.

Dann wollte ich traben, aber Fàsci fand den Boden für Trab ungeeignet und galoppierte lieber. Das aber so gesetzt und lässig, dass Joya daneben wunderbar traben konnte. Schließlich trabte Fàsci auch, und sie gingen mal wieder, wie so oft, im Gleichschritt. Was ich bei diesen so extrem unterschiedlichen Gängen immer wieder erstaunlich finde.

4.

Joya zeigte Spanischen Schritt, Fàsci machte hier und da ein bisschen mit.3.

Und zum ersten Mal probierte ich nun auch Spanischen Trab aus – nur bei Joya zwar, aber das gelang.
8.

Wir wurden immer unternehmungslustiger.
Pirouetten gelangen mehrfach…
5.

… sie sprangen absolut sicher und zuverlässig …
9.

… sie gingen einen fliegenden Wechsel nebeneinander und ich konnte sie neben- und voreinander auf das Podest stellen  – auch wenn das ein wenig dauerte, da Fàscis Brust heute breiter war als sonst. Stolzgeschwellt…? Oder war das Podest im Regen eingelaufen? Schließlich passten sie aber doch beide drauf.
11.

12.

Und na klar war es so gar kein Problem, Joya steigen zu lassen, der wartete ja auf nichts anderes, und sie stiegen auch gemeinsam. Damit war unser Repertoire dann aber auch so ziemlich erschöpft.
Ich fragte, ob jemand noch eine Idee habe, was man ausprobieren könne – staunendes Schweigen. Die meisten wären wohl nicht mal auf das alles gekommen 🙂

10.

Ob jemand noch was bestimmtes sehen will?
Spanischen Schritt!!
Ok, machen wir nochmal.
Und dann wollte ich eigentlich beenden und absitzen, da fiel mir ein, dass ich ja noch was mitgebracht hatte  – die Halsringe!!

14.

Ich blieb auf dem Pferd und wechselte von oben – Halsringe drauf, Joyas Halfter und Fàscis Zaumzeug ab.
Und dann hielten meine tollen Pferde aus dem Galopp auf Stimme, ließen sich drehen und wenden, seitwärts und rückwärts richten, gingen Spanischen Schritt …

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16.

… sprangen nebeneinander …
17.

… und dann fragte ich eine Pirouette an. UPS, da hatte ich wohl die Reihenfolge verwechselt – Fàsci nahm in der Drehung direkt Anlauf auf den Sprung. Aber wie!
Ich kommentierte das nur mit „diese springgeilen deutschen Sportpferde…“ und sammelte ihn wieder ein. Danach gelang eine tolle Pirouette nebeneinander, von mir murmelnd untermalt mit „Hier bleiben. Hier bleiben. Hier bleiben…“

Auf dem Podest standen sie na klar auch nochmal.19.

Und dann fiel mir etwas ein. Hatte ich noch nie ausprobiert. Aber Fàsci war so cool und Joya so heiß auf Steigen, dass ich es versuchte – ich ließ Fàscis Halsring los, kniete mich auf die Kruppe und gab mit der Gerte das Signal für Joya. Der guckte sich gerade interessiert in der Gegend um, und dann muss ich mit der Gerte ein Geräusch machen, um ihn zu mir zu holen. Sollte Fàsci dieses Geräusch auf sich beziehen, wäre aber mal ganz schnell Ende mit auf-der-Kruppe-knien.
Ich zischte ganz vorsichtig mit der Gerte, Joya drehte sich sofort um, Fàsci schloss die Augen und döste und ich konnte Joya steigen lassen. Seeeeehr cooles Gefühl!

21.

Das müsste sich doch steigern lassen…?? Ich stellte mich hin. Und ich muss sagen – regennasse Kruppen geben Halt! Ich stand zwar mit den Sohlen gefühlt sehr sicher, aber meine Beine, denen der lange Tage in den Knochen steckte, wollten nicht mehr so recht. Man wird nicht jünger…

Aber es war überhaupt kein Problem, Joya auch aus dieser Position heraus steigen zu lassen und steigend zu mir ranzuholen. Fàsci stand wie angetackert. Großartig!!

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Und dann gab es im letzten Sonnenlicht und bei minimalem Nieselregen noch ein paar schöne Momente. Eine Frau meinte zu ihrer Freundin am Rand „da müssen wir aber noch viel üben…“

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Und natürlich durften die Jungs auch wieder mit in den Laden. Sie wussten sofort Bescheid. Joya zog ohne Umwege zur Leckerlie-Theke. Und während Fàscino sich wieder brav einen rausnahm, machte Joya das nicht stück-, sondern kiloweise…  🙂

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