Freitag, 21. April

Ich bin total geflasht. Zwei neue Sterne sind aufgegangen…

Oh Mann, was für ein Tag. Eigentlich mal wieder vollkommen irre, was für ein ungeheurer Aufwand für einmal 5 und einmal 8 Minuten (naja gut, und einmal 30 und nochmal 5 und nochmal 8 und so weiter…) 🙂

Es hat sich gelohnt. Es hat sich so gelohnt! Am Donnerstag war ich gute 15 Stunden nahezu ununterbrochen auf den Beinen, mir fällt ja auch immer noch irgendwas ein, und entsprechend platt war ich abends. Dennoch weckte ich am Freitag um 4.44 Uhr meinen Wecker (der noch bis 6.30 Uhr hätte schlafen können), und so hatte ich schön Zeit.

Meine Pferde sahen so wunderschön aus… Da waren ein paar Flecken, die wollte ich aber auf der Messe rauswaschen, wohl wissend, dass da die Bedingungen besser sind als im windigen Stall, um mit kaltem Wasser zu hantieren.

Nacariño machte mir wiederholt die große Freude, alleine auf den Hänger zu gehen – zwar nicht im ersten Anlauf, aber im zweiten. Und seit kurzem verlade ich ihn mit normalem Halfter und Strick, nicht mehr mit der für ihn angefertigten Verlade-Konstruktion.
Dón ging wieder mit Strick über dem Hals anstandslos hinterher.

Inzwischen war ja Plan G (H? I?) in Kraft getreten und ich hatte am Abend vorher erfahren, dass ich doch zwei Boxen bekommen würde. Sonst wäre ich am Freitag nur mit Nacariño, Samstag nur mit Dón gefahren. Sonntag wären zwei Boxen kein Problem, wenn einige der Gala-Show-Pferde abgereist wären. Und so stellte ich (mal wieder) mein Programm um und nahm doch beide mit – ein Glück hatte ich alles für beide vorbereitet!
Am Donnerstag dachte ich ja noch „Ach, das kann ich ja auch morgen machen“ und habe es dann aber doch noch gemacht, weil ich schon so schön dabei war.

Nun brauchte ich aber auch zwei Heunetze, und ich wollte sie gefüllt mitnehmen. Ich habe ein breites, das hängte ich einfach hinten an den Hänger. Schöner Aufprallschutz 🙂

In Neumünster angekommen erlebte ich eine selten gründliche Equidenpass-Kontrolle incl. Microchip-Einlesen. Wow! Sinnvoll, wie ich finde, zumal auch erst dann die Pferde abgeladen werden durften. Meine Tierärztin hatte am Dienstagabend die erforderlichen Gesundheitszeugnisse ausgestellt, und so konnten wir die Boxen beziehen.

Die lagen nebeneinander, und so konnten sich die beiden nicht sehen, drei Seiten sind ja zu, nach vorne ist Gitter – Drama! Beide brüllten, Dón mit einem etwas weinerlichen Unterton, Nacariño hysterisch. Verdammt – was tun? Das konnte ich ihnen nicht antun… Die neben mir waren noch nicht angereist, denen gehörte auch die gegenüberliegende Box. Da stellte ich kurzentschlossen Nacariño rein – so standen sich meine gegenüber und deren Pferde sich auch. Für alle alles gut. Mehr oder weniger jedenfalls.

Meine Jungs beruhigten sich unwesentlich, ich räumte erstmal die Sachen ein und hatte hier riesiges Glück – schräg gegenüber meiner Boxen war so eine kleine Nische, da konnte ich wunderbar meinen Sattelwagen und das ganze Equipment hinstellen. Dieses Mal hatte ich ja nicht wie sonst fünf Kostüme dabei, dafür aber so viel „Drumrum-Equipment“ wie noch nie – Planen, Flaggen, Podest etc.
Mit den Boxen hatte ich sowieso ungeheures Glück, die waren auch noch ganz nah am Wasserhahn. Also Ferienwohnungen in top Lage 🙂

Allerdings sind die 3 x 3 Meter (wenn überhaupt), und meine Jungs sahen ungeheuer groß aus darin. Allerdings taten sie das auch, wenn ich neben ihnen stand – gefühlt wuchsen sie hier um mehrere Zentimeter.

Ich war extra so früh angereist, weil es hieß, zwischen 8.00 und 10.00 Uhr könne man den Pferden die Showhalle zeigen. Das wollte ich natürlich unbedingt nutzen.
Es war allerdings nicht ganz einfach – das „gewohnte“ Tor war zu und so guckte ich mal, ob die Abreitehalle offen war.
War sie.

Zuvor hatte ich noch ein paar Löcher in die Trense gemacht, die Dón anhaben sollte, die Lochzange hatte ich auf seiner Kruppe abgelegt. Und natürlich dort vergessen.
Ich trenste beide auf und ging los. Nun musste ich nur etwas finden, wo ich aufsitzen konnte. Ich mag auf Dón ja noch immer nicht ohne Aufsteighilfe aufsitzen, weil mir dann der Sattel entgegen kommt und ich diesen Zug nicht ausüben will. Endlich steht er beim Aufsitzen gut, das will ich nicht wieder kaputt machen. Irgendwas findet sich schon. Von der Pressekonferenz wusste ich ja zur Not noch, wo die weißen Poller stehen.
Überall war Aufbau in Gange und so marschierten wir draußen an den Fressbuden vorbei und die Jungs sahen sie staunend um. Nach hundert Metern klöterte irgendwas hinter mir, ich sah mich um – UPS! Die Lochzange…
Mir kam gerade Olaf Radünz entgegen, wir begrüßten uns herzlich, und er nahm nicht nur meine Lochzange an sich, sondern hielt auch meine Pferde, so dass ich aufsitzen konnte.

In die Abreitehalle gingen die beiden brav rein, Dón erschrak allerdings vor dem sich im Wind bewegenden Vorhang, der da an den Seiten hing. Sie gingen auch verblüffend ruhig in die Showhalle und nun endlich schätzte ich meine Pferde mal richtig ein – Dón traute sich nicht auf zehn Meter an die Bande heran und Nacariño ging einfach brav nebenher.
Dón glotze und las Bandenwerbung und erschrak fürchterlich, als sich da ein Mensch bewegte. Er wusste überhaupt nicht, wo er zuerst hingucken sollte. Nacariño fand alles spannend und beobachtete die anderen Pferde – bunter Reitweisen-Mix, nicht alles war schön anzusehen. Abwechslung war allemal geboten.
Dón war knackig. Stehen ging überhaupt nicht. Musste ja auch nicht. Ich ließ sie gucken, gab ein wenig den Rahmen vor, sah zu, dass ich den fremden Pferden nicht zu nahe kam und ritt einfach so vor mich hin. Dón entspannte sich ein wenig, ich ließ die beiden traben.

Im Schulterherein kam ich der Bande schließlich ziemlich nahe, geradeaus hielt Dón einen gewissen Sicherheitsabstand. Nacariño schnaubte derweil entspannt vor sich hin und fing sogar an, zu erzählen. Zu süß! Dadurch entspannte Dón sich auch immer mehr.
Ich wagte einen Galopp – hossa!!! Da musste ich dann aber doch ganz gut zufassen, um durchzuparieren, aber danach war auch Dón entspannter. Jetzt konnte er auch stehen.

Ich ließ die beiden noch ein wenig gucken und dann gingen wir sehr entspannt zurück Richtung Stall. Raus aus der Abreitehalle dachte ich, mal gucken, wohin Dón geht, wenn ich die Zügel auf den Hals lege. UPS… Hier sprang jemand vom Lkw, da knallte ein Banner an den Drahtzaun, dort flogen Plastiktüten… Ich sammelte die Zügel dann doch mal wieder ein.

Nun waren die beiden auch ruhiger im Stall und fraßen Heu. Ging ich aber zu dem einen in die Box, wurde der andere sofort richtig maulig und brüllte rum. Insbesondere Nacariño tat seinen Unmut lauthals kund.

Das erste Schaubild war Dón am Boden.
Klingt jetzt komisch – also Dón in der Bodenarbeit 🙂


Dón, ich, Peter Schramm (Organisation Tagesprogramm) und Maren vom Active-Team in dem Gang zwischen Abreite- und Showhalle

Meine Güte, können fünf Minuten kurz sein. Wirklich schwierig war, dass ich meine Musik überhaupt nicht hörte, die war so geschnitten, dass ich mich an ihr orientieren konnte. Also – hätte können. So machte ich einfach mal und versuchte mich in den Klang des Headsets einzufinden, ich hörte mich selbst sehr merkwürdig, mir wurde aber hinterher gesagt, dass auf den Tribünen sowohl ich als auch meine Musik gut zu hören waren. Na immerhin.

Dón bekam Kulleraugen, als er reingehen sollte, und die ersten Bewegungen im Publikum wahrnahm. Ich ließ ihn also, wie geplant, auf der Mittellinie Spanischen Schritt gehen zum mutig machen. Das gelang – er zeigte tolle, regelmäßige Schritte. Dennoch brauchte er einen Moment, um sich mit der Atmosphäre zu arrangieren – nun, das war ihm gegönnt.

Ich erzählte so vor mich hin, zur klassischen Arbeit an der Hand und meinem Pferd und zu dem, was ich tat und zu dem, was passierte, und tatsächlich durfte ich nach Piaffe fragen und bekam sie. Ich hätte so gerne gegrinst und mich deutlicher gefreut, aber ich lauschte immer, während ich sabbelte, ob ich Fetzen meiner Musik hören könnte. Da war nicht viel zu wollen…

Die Grundspannung, die Dón hier von alleine bekam, war perfekt für ihn. Er sah neben mir einfach nur unglaublich groß und schön aus. Tatsächlich ergab sich hier sogar ein Ansatz zur Schulparade!

Ich bezog Podest und Plane mit ein und wickelte Dón schließlich auch in die Stadionflagge. Er machte immer besser mit, war immer mehr bei mir und wurde immer mutiger.

Gemessen an der kurzen Zeit ließ er sich ungeheuer schnell auf alles ein hier. Ich machte das, was sich anbot und so ungefähr nichts mehr von dem, was ich mir vorgenommen hatte. Und genau so war es für ihn perfekt. Er zog mit seiner Ausstrahlung das schon verblüffend reichlich anwesende Publikum  in seinen Bann.

Ich wagte es und nahm die Trense ab. Dón lief zwar mal zum Ausgang und hielt sich auch nur auf der unteren Hälfte der Bahn auf, aber ich konnte trotzdem frei mit ihm spielen.
Er kam auf das Zeichen der Gerte wieder und ließ sich immer mehr auf unser Spiel ein.

Viel Zeit dafür war allerdings nicht, wir wurden rauskomplimentiert. Dennoch – ich war selig. Die Zeit war zwar abartig schnell rumgegangen, aber dass ich mit Dón im ersten Schaubild vor Publikum frei würde spielen können, hatte ich kaum zu hoffen gewagt!
Er kam drei Zentimeter größer raus, als er reingekommen war 🙂

Viel Zeit war nicht bis zum zweiten Bild, hierfür waren acht Minuten geplant. Da sich bei Karo sehr kurzfristig ein Stallwechsel ergeben hatte, konnte sie nun nur am Sonntag kommen und ich hatte mal wieder meine Planung umgeschmissen.
So nahm ich für das zweite Bild nur Nacariño mit.

Der war extrem unternehmungslustig, überraschte mich aber schon mal damit, dass er sich sofort mit allem arrangierte, was da in der kleinen Abreitehalle an Pferden rumlief.
So rittig, wie er sich hier zeigte, war er meist nichtmal zu Hause. Das war echt unglaublich. Er ließ mich von Anfang an im Trab sitzen wie noch nie, fühlte sich augenscheinlich wohl mit der Atmosphäre, ließ sich durch nichts wirklich beeindrucken und war einfach wunderbar zu reiten. Er brummelte und schnaubte und erzählte vor sich hin, es war zu süß. Er schwebte in einer Traversale über die Diagonale, dass es nur so eine Wonne war. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte – Rampensau oder legte er gleich drinnen los?? Das Abreiten jedenfalls war schonmal ein Traum.

In der Halle drehte er ein wenig auf, das war zu erwarten. Sebastian Bonnet war vor mir dran und hatte eine grüne Plane dort liegen. Ich fragte ihn, ob ich die nutzen dürfe – durfte ich. Als ich Nacariño allerdings dagegen steuerte, war schnell zu merken, dass ich damit keine Chance haben würde – das war nicht seine! Über die geht er nicht!!

Ja nee, ist schon klar. Nicht problematisieren, weitermachen. Ohne Plane. Und ohne Plan. Plan- und planenlos sozusagen. Corinna halt. Verrückt.

Nacariño ließ mich auch hier im Trab sitzen und das nutzte ich gnadenlos aus. Der Trab machte so viel Spaß! Und war sogar bis zu einem gewissen Grade verschiebbar im Raumgewinn! Traversalen gelangen spielerisch leicht.

Nacariños Galopp war ausdrucksvoll und gut zu händeln, auch wenn ich da natürlich mehr in der Hand hatte als im Trab. Im Trab war die Anlehnung teilweise wirklich nur noch der leicht durchhängende Zügel. Es war unglaublich. Purer Spaß am Reiten!

Ich erzählte, dass ich mir von Pferden Dinge schenken lasse und von der vor kurzem geschenkten Galopptraversale. Ich ging im Trab in die Traversale und fragte nach Galopp – und bekam original keine Antwort. Nacariño überhörte das einfach. Er hatte gerade anderes zu tun. UPS, erst darüber so viel erzählt und dann kmmt nix…
Ich erzählte schnell irgendwas und fragte nochmal. Und da sprang er an. Ich hielt an und lobte, Nacariño lauschte relativ entspannt dem Applaus und ich fragte auf der nächsten Diagonalen noch einmal. Und da bekam ich – der großen Halle sei Dank – tatsächlich etliche Sprünge Galopptraversale. Ich lobte wie verrückt und freute mich tierisch.

Ich fragte nach Spanischem Trab und bekam neben diesem höchst dynamischen Sprung…

… auch diesen Gruß von Joya.

Kimi zeigte mir das Bild auf dem Kamera-Display und ich starrte es einen Moment verständnislos an, während ich überlegte, wie ein Bild von Joya auf diese Speicherkarte kommen kann und wieso überhaupt und… Äh…
Und dann fiel mir die Kinnlade runter.
Das Bild ist nicht ganz scharf. Aber es ist vielleicht auch ein bisschen viel verlangt, dass Joya auf diese Entfernung auch noch scharfe Bilder schickt…?
Puh… Wahnsinn.

Danach kam noch die neue, große Flagge ins Spiel und Nacariño zuckte überhaupt nicht, als ich die über uns wehen ließ.
Super!!

Ich hörte immer wieder mal Teile meiner Musik, das half sehr bei der Orientierung, wie viel Zeit ich noch habe, aber dennoch – fünf bzw. acht Minuten sind für mich einfach viel zu kurz 🙂

Ich saß ab, weil ich noch etwas am Boden zeigen wollte, Nacariño trabte etwas zögerlich aber brav eine Traversale, zeigte eine sehr dynamische Mischung Spanischer Schritte, Tritte und Sprünge, stieg natürlich beeindruckend und ließ sich direkt danach in ein kurzes, nicht ganz abgelegtes, aber immerhin!! Kompliment sinken.

Ich freute mich riesig, er hatte das wirklich großartig gemeistert und war sehr, sehr gut händelbar und vor allem toll zu reiten. Wir strahlten uns gegenseitig an und gingen in Ruhe zurück zum Stall, wo Dón uns aufgeregt wiehernd begrüßte.

Beide Pferde tranken das hiesige Wasser – das ist nicht immer so, dass sie gleich fremdes Wasser anrühren und ich war natürlich sehr froh, dass sie das sofort annahmen.

Nun war ein bisschen Zeit, ich war erst um 16.30 Uhr im Praxisring dran. Wir guckten uns sicherheitshalber an, wie ich da mit Pferd hinkommen würde. Aber nur so ungefähr – ah, ok, da außen rum. Abgegangen sind wir es nicht, es wirkte logisch. Das war, wie so manche Wege, die die Pferde zu gehen hatten, allerdings etwas unglücklich gelöst.
Also, „etwas“ unglücklich war der Weg zur Abreitehalle durch Autos, Hänger, Lkws und herumlaufende, nicht guckende Leute und etliche Meter Aprilwetter.
Ziemlich unglücklich war der Weg zur Halle 8, wo ich morgen zum Extreme Trail hin musste, davor stand ein Bauzaun, der auf- und wieder zugeschoben werden wollte und die Halle 8 selbst war ein Zelt, das fanden einige Pferde durchaus unheimlich.
Richtig unglücklich aber war der Weg zur Halle 6, in der sich der Praxisring befand.
Ich ging eine Viertelstunde (!) vor meiner Zeit los. Da ich reitend anfangen wollte, saß ich auf, ließ meine lieben Helfer aber natürlich dann den kurzen Weg gehen. Ich musste außen herum, und damit meine ich wirklich außen. Um die Messehallen herum. Also durch die (fahrenden) Autos und die nicht guckenden Leute und das in meinem Fall zum Glück nicht so aprilhafte Wetter – hier bekamen einige Wasser von oben oder gar Hagelschauer ab. Ich blieb trocken, aber es war ungeheuer frisch und windig. Das Zelt von Halle 8 war in Bewegung, und daran mussten wir vorbei. Keine Chance. Nacariño wurde regelrecht panisch, versuchte mehrfach, mir da auf Asphalt durchzugehen, ließ sich aber irgendwie halten (das kann nicht schön ausgesehen haben) – ich musste runter. Als ich am Boden war, kam er mir schnorchelnd und mit schreckgeweiteten Augen gehorsam hinterher.

Ich hätte aber ohnehin absitzen müssen – der nächste Bauzaun tauchte auf und niemand, der ihn aufgeschoben hätte. Ich suchte immer, wann ich denn nun wohl rechts zur Halle 6 käme. Da kam erst noch ein dritter Bauzaun (natürlich war auch dieser zu), Nacariño folgte mir brav, aber seine Nerven lagen ziemlich blank.
Ich suchte und suchte, irgendwann musste ich doch mal rechts rum können!
Da – zwischen parkenden Autos auf Schotter und Kies…
Eingang Abendgala.
Hier muss doch Halle 6 sein!?!?
Ich verstand es nicht und mir lief die Zeit weg.
Das da vorne? Ja, das da vorne! Nacariño sah die große Glastür und rammte alle Viere in den Asphalt. Er weigerte sich, auch nur auf fünfzehn Meter an diese riesiege Glas-/Stein- und Metallfront heranzugehen. Ich schob, zog und bequatschte ihn, wir kamen der Tür immer näher, dahinter wurde Bewegung erkennbar, Nacariño wollte bitte kehrt machen und nach Hause gehen. Jetzt.
Die Tür wurde aufgehalten (immerhin) und hilfsbereite Leute gingen einfach ungefragt hinter mein Pferd und schnalzten es an – jetzt wurde ich leicht panisch und schickte die alle weg, ich kann nicht einschätzen, wann Nacariño in diesem seinem Zustand vielleicht doch mal ein Bein ausrutscht, wenn ihm da einfach so jemand Fremdes zu nahe kommt.

Ich hätte die Zuschauer mal rausbitten sollen, denn unsere Demonstration zum Thema „Aushalten“ war hier ja eigentlich schon in vollem Gange 🙂

Wir kamen schließlich in den Vorraum. Christina war da, ich bat sie an Nacariños Kopf und wollte aufsitzen und wurde angeblafft, das bitte nicht hier auf den Gummimatten, sondern im Ring zu tun. Äh… Ich hätte es hier für ungefährlicher gehalten, aber na gut.
Ich nahm Nacariño mit in den Ring, er war hin- und hergerissen zwischen Flucht, Widerstand und Gehorsam, weil er mich doch lieb hat. Eineinhalb Jahre machten sie bezahlt – der Gehorsam, weil er mich doch lieb hat, überwog. Aber er konnte es kaum aushalten in dieser Halle, die wirklich eine beängstigende Atmosphäre hatte. Für die Pferde waren es viel zu viele Eindrücke auf viel zu kleinem Raum, um das überhaupt erfassen zu können. Hier war an ein Aufsitzen nicht zu denken.
Ich führte also einige Runden und sabbelte mich schon mal warm, was meine ich mit Aushalten und warum das überhaupt thematisieren und wer denn hier neben mir herläuft und warum gerade er zu diesem Thema so schön etwas beitragen kann und dass gerade er mich überhaupt auf dieses Thema gebracht hat.

Und er hatte etwas beizutragen. 98% aller Reiter wären hinterher enttäuscht, frustriert, sauer gewesen, weil „der Bock nicht funktioniert hat“. Ich fand, dass mein wunderbarer Nacariño hier eine unglaubliche Leistung abgeliefert hat mit einer grandiosen Mischung aus „kann ich aushalten“ und „kann ich nicht aushalten“, so dass ich immer zeigen und erzählen konnte, was ich dann tue. Und das war tatsächlich eine Menge, die 30 Minuten konnte ich lässigst ausfüllen, obwohl ich noch lauter Sachen im Stall vergessen hatte, die ich eigentlich hätte mitnehmen wollen – allem voran die drei kleinen Bälle. Aber so, wie Nacariño drauf war, wäre er mir bei denen vermutlich in die Zuschauer gesprungen. Vielleicht war das schon ganz ausreichend, was ich da mit hatte.

Ich kam ja erstmal gar nicht rauf, wollte das Podest als Aufsteighilfe nutzen und ließ ihn seine Kreise drumrum drehen, dann bat ich Christina an den Kopf, wenn Nacariño aber noch nicht stehen konnte, musste er das auch nicht und ich sabbelte, was das Zeug hielt, dass ich Stehen nicht erzwingen darf, schon gar nicht bei ihm hier, weil er dann sehr beeindruckend steigen kann, was ich gerne später noch demonstriere (taten wir dann auch. Aber gewollt). Irgendwann so im fünften Anlauf kam ich hoch und konnte losreiten, Nacariño hatte einen höchst dynamischen Schritt drauf, beruhigte sich aber langsam, vor allem, als seine vertraute Flagge ins Spiel kam. Er schnappte ein paar Mal danach, nahm sie aber nicht ins Maul, obwohl er gedurft hätte, aber dafür war seine Aufregung zu groß. Er kam mir vor wie ein Kind an Heiligabend, das weiß, dass etwas ungeheuer aufregendes passiert, aber gleichzeitig hat es Sorge, dass der Weihnachtsmann von den ganzen Sünden des vergangenen Jahres weiß und die Rute auspackt. Nacariño fühlte sich an wie ein einziger Muskelberg. So habe ich ihn noch nie erlebt. Das war beeindruckend, aber nicht nur schön – viel zu viel Kraft. Und viel zu viel Strom.

Die Flagge beruhigte ihn aber sichtlich, ich ritt einige Male über die Plane, die er jedes Mal anglotzte, aber das war ja seine von zu Hause, also ging er rüber. Er ließ sich schließlich sogar brav dazu hinreißen, ein erstes Mal überhaupt „blind“ in der Traversale auf die Plane zu traben. Er wusste nicht, wann sie kommt, er sah sie nicht, er hörte sie erst, als er drauf trat. Das war schon mutig und wurde sehr gelobt.

Ich hockte mich auf die Kruppe und hörte geradezu, wie um mich herum die Luft angehalten wurde. Ich grinste und meinte, hier kann mir ja gar nichts passieren, ich kann ja jederzeit zur Seite wegspringen. Das sahen die Zuschauer offensichtlich nicht ganz so.

Ich saß ab, stellte ihn auf das Podest und nun konnte er sogar so lange stehen bleiben, dass ich – mit der Flagge in der Hand – unter seinem Bauch ganz langsam durchgehen konnte.

Dann holte ich die Stadionflagge und wickelte ihn ein. Kein Problem.

Bis zu dem Moment, als er – und das hat er provoziert! – das Hinterbein hob, die Flagge sich daran natürlich leicht bewegte, und er daraufhin sagte „Die hat sich bewegt!“ – und durchstartete.
Er schoss wie ein Katapult unter der Flagge hervor und war in wenigen (enorm kraftvollen…) Sprüngen beim Ausgang. Ich war ehrlich erstaunt, dass dieses dünne rot-weiße Bändchen ihn davon abhielt, da einfach durchzurennen. Ich schätze, dass er einfach nur vor der Glastür dahinter so viel mehr Respekt hatte, dass er lieber mal so tat, als hätte er dieses Absperrband ernst genommen.

Er hätte es wissen müssen – ich wickelte ihn wieder ein.

Ich hätte es wissen müssen – er startete wieder durch.

Ich erzählte, wie wichtig es sei, jetzt völlig emotionslos zu bleiben, was kaum einem Menschen gelingt, und deshalb eskalieren Situationen. Mir fällt es inzwischen – und gerade bei Nacariño – wirklich ehrlich leicht, mich davon überhaupt nicht berühren zu lassen.

Und so sammelte ich ihn lächelnd ein drittes Mal ein, wickelte ihn ein drittes Mal in die Flagge und er haute ein drittes Mal ab. Überlegter, nicht mehr mit ganz so viel Gewalt, Nacariño eben, der es jetzt aus Prinzip machte mit einem ganz anderen Ausdruck im Gesicht als beim ersten Mal und einfach nur, weil er’s kann.

Für die meisten Reiter wäre so etwas, noch dazu in einer Vorführung, kaum aushaltbar gewesen. An mir ging das emotional völlig vorbei, ich grinste noch und dachte, für dieses Thema machte Nacariño die perfekte Show. Ich sprach nun aber die Zuschauer an, dass es nicht immer nur die Pferde sind, die Dinge aushalten müssen, sondern auch wir.
Nacariño stand da, den Zügel um ein Ohr und ein Vorderbein gewickelt, und sah mir entgegen. Ich ging völlig entspannt in seine Richtung und erzählte, dass ich Pferde bewusst mit Halfter und herunterhängendem Strick laufen lasse – nach dem dritten Drauftreten werden die meisten vorsichtiger. Ich rette meine Pferde nicht ständig aus allem, ich lasse sie lernen. „Und wer von Ihnen sich jetzt dabei erwischt, diese Situation gerade schwer aushalten zu können, der sollte das zu Hause ruhig mal machen“ – Christina hatte den Blick ins Publikum schweifen lassen und erzählte hinterher grinsend, dass sich da, der Mimik nach, offenbar etliche angesprochen fühlten 🙂

Nacariño wartete also brav, bis ich ihn befreite, ich machte den Zügel auf einer Seite los und zeigte, wie ich mit Dingen umgehen kann, bei denen das Pferd mich umspringen könnte und wo ich Distanz brauche. Und so longierte ich über die Flagge und über die Plane und das auf diesem nur sieben Meter breiten (wenn überhaupt – die Plane ist ja schon vier Meter breit…) Areal schließlich sogar im Galopp. Nacariño machte prima mit und demonstrierte damit einen tollen Wechsel aus An- und Entspannung.

Für ihn war es großartig, dass ich hier so viel Zeit hatte. Er war nachher entspannt genug, auf jeder Seite ein schönes Kompliment zeigen zu können und er konnte sogar ansatzweise rumstehen. Er hatte sich mit der Umgebung arrangiert, wartete gespannt, was ich als nächstes vorhabe und ließ sich viel mehr auf alles ein als in den ersten zehn Minuten.

Ich bekam ein großes Dankeschön des Veranstalters und wirklich tolle Rückmeldungen zu dieser Vorführung. Sogar der Türsteher sprach mich beim Rausgehen an, dass das toll anzuhören und anzusehen gewesen sei 🙂

Wir machten sehr in Ruhe alles fertig und fuhren nach Hause, die Pferde kamen mit. Ich wollte sie nicht hier lassen, auch wenn sie so etwas natürlich auch lernen sollen, aber nicht alles auf einmal. Ich fahre die Strecke sowieso und ich wollte, dass sie in ihren Boxen schlafen. Ich denke, dass sie das sehr zu schätzen wussten.

Was für ein Tag! Die beiden Premieren in der Showhalle rissen mich vom Hocker. Ich war völlig geflasht und begeistert und glücklich. Und extrem gespannt auf den nächsten Tag, denn in den letzten Jahren hatte ich die Erfahrung gemacht, dass der Samstag fast immer der schönste Tag bei den drei- oder viertägigen Veranstaltungen ist. Na, mal sehen!

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