April

Freitag, 1.4.

Nach zwei Sternstunden-Tagen einen dritten anhängen? Das wäre was…
Es gelang nicht ganz. Aber weit weg davon war’s auch nicht 🙂

Ich ging auf’s Feld, das Wetter war ein Traum. Nacariño brummelte vor sich hin und ging super entspannt los. Ich trabte an und ließ ihn in Richtung des Gräbelchens traben, er sah den kommen, galoppierte an, ich ließ ihn machen, er kam nicht ganz passend und machte einen weiten (aber sehr schönen) Sprung. Danach parierte er auf Pfiff durch und trabte entspannt weiter. Super!

Ich hatte wieder den schönen Hals vor mir, der im Moment täglich länger zu werden scheint. Ich drehte um, trabte wieder Richtung Gräbelchen, er galoppierte an, ich ließ ihn machen, er kam wieder unpassend, dieses Mal wurde es dicht, er riss die Füße hoch, ich verlor einen Bügel, er landete – und gab Hackengas. Das war irgendwas zwischen Rennen und Bocken, was sich mit Bügel ok angefühlt hätte, ohne war’s doof. Ich bekam den nicht zu fassen, weil Nacariño, als er meine Versuche spürte, den Bügel wiederzukriegen, so richtig Kante gab. Es ging Richtung Stall, die Seite vom Feld, die trockener ist, also nicht so kräftezehrend wie die andere. Ich war einen Augenblick versucht, ihn zu parieren, aber mal ehrlich, meine Chancen standen schlecht. Also ließ ich die Zügel hängen, ließ ihn rennen und kümmerte mich erstmal um meinen Bügel. Kaum hatte ich den wieder am Fuß, fühlte sich das doch gleich alles viel handlicher an 🙂

Ich streichelte, lachte, ließ ihn rennen, und so gut nach der Hälfte dieser Seite wurde er ruhiger. Ich trieb nicht nach, ich bremste nicht, ich saß einfach da oben und freute mich über das schöne Wetter. Kurz vor Ende dieser Seite konnte ich Nacariño auf Pfiff durchparieren, er trabte und ging schließlich Schritt. Großes Lob!!

Ich kehrte um, trabte wieder an, ließ ihn wieder über den Graben springen. War es der Graben, der ihn so Gas geben ließ? Gut, wenn er unpassend kommt, verstehe ich das ja. Aber wenn der Sprung passt? Gibt er dann auch Kante? 
Dieses Mal ließ ich ihn nicht angaloppieren vorher, obwohl er es wollte. Er wurde ein wenig ungnädig, blieb aber händelbar, und so machte er aus dem Trab einen schönen runden Sprung und blieb danach ruhig. Na super, der Sprung ist es also nicht, der zum Abhauen verleitet. Ich kehrte wieder um, trabte wieder auf den Graben zu, dieses Mal hatte er es nicht mal mehr nötig, zu springen, er trabte einfach drüber, ein paar Meter danach packte es ihn aber wieder. Er gab Vollgas, ich schmiss direkt die Zügel weg und ließ ihn machen. Kraulte, streichelte, genoss das Tempo – das Feld würde schon für mich das Durchparieren übernehmen. Meine totale Gelassenheit nahm ihm denn auch relativ schnell den Wind aus den Segeln und er galoppierte ruhiger.

Nun muss ich allerdings ein bisschen aufpassen, was ich mir da gerade erziehe. Das Feld ist natürlich pures Gold wert – ich muss weder lenken noch unbedingt parieren, weil er irgendwo gegen rennen oder es gefährlich werden könnte. Perfekt für abhauende Pferde.
Aber: „Kultur vor Natur“, wie Richard Hinrichs so schön sagt. Ich muss also zusehen, dass diese Spurts ihn nicht kräftigen und im Abhauen bestätigen; bevor das passiert, muss die Kultur wieder überwiegen, nämlich dass er merkt, dass er das Abhauen nicht braucht und er dem Reiter die Tempowahl überlassen kann. Da er ohnehin schon sehr kraftvoll ist und ja durchaus häufiger mehr Natur als Kultur hat, ist das einerseits riskant, ihn immer wieder rennen zu lassen, andererseits fühlt es sich gerade total richtig an, weil ich mir dieses Feld mit seiner Länge und dem relativ tiefen Boden so gut zunutze machen kann.
Er hört ja immer entspannt auf, zu rennen. Ein Durchgänger in dem Sinne ist er nicht. Amigo war einer, mein erstes Pferd damals. Das fühlte sich anders an. Und absolut nicht mehr kontrollierbar, wenn er durchging. Dann rannte er bis in seine Box. Egal, ab wo. Das konnten auch ein paar Kilometer sein. Da war dann wirklich kein Rankommen mehr.
Nacariño haut ab, ja, auf den ersten Metern hat das auch was von Durchgehen, wenn man das so versteht, dass ich da nicht durchparieren könnte. Stimmt, könnte ich nicht. Aber er behält sehr die Übersicht, er ist sich seiner Macht bewusst und nutzt das, das klappt aber wie ein Kartenhaus zusammen, wenn der Reiter in dem Moment passiv bleiben kann und ihn völlig in Ruhe lässt. Das geht auf dem Platz nur sehr begrenzt, da muss ich eben auch mal irgendwann eingreifen, hier muss ich es nicht.

Dieses Feld wird sicher irgendwann in Kürze bearbeitet werden. Dann ist Schluss damit. Bis dahin nutze ich das, so oft es geht. Ich denke, es wird ihm den Reiz des Abhauens ein bisschen nehmen.

Ich ging danach noch auf den Platz, weil der Nachbar gerade mit Kleinkind im Garten war und ich das nutzen wollte für eine schöne Runde am hingegebenen Zügel. Nacariño schwitzte und war ziemlich entspannt. Hier guckte er zwar und zuckte auch  einmal, ein weiteres Mal, als eine Ente plantschte, aber das war beides sofort zu halten und zum ersten Mal überhaupt erschrak er, blieb stehen, und guckte dahin. Das hatte er noch nie gemacht. Normalerweise erschreckt er sich und sieht zu, dass er Land gewinnt und möglichst schnell möglichst viel Distanz zwischen sich und den Schreckauslöser legt. Hier nun zuckte er so richtig zusammen, machte einen Hüpfer mit allen Vieren – und stand und starrte in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Das gab wieder ein riesiges Lob, denn genau das ist die Art, wie er mit Schreckmomenten umgehen soll.

Ich fragte in einer Mischung aus Schritt und Trab (= Schrab…) nach Versammlung bzw. einer Idee von halben Tritten, das durfte ich tatsächlich eine komplette Runde lang durchhalten, er dachte zwar hier und da mal hoch, führte das aber nicht wirklich aus, sondern gab sich richtig Mühe, es mir Recht zu machen.

Und auch wenn dieser dritte Tag hintereinander so ganz anders war als die beiden davor, war es wieder ein äußerst erfolgreicher. Ich nahm den Sattel ab und hoffte, er würde sich an der Hand hinlegen wollen, aber das ist irgendwie nicht mehr da. Schade, muss ich mit der Zeit wieder hervorholen. Das ging ja nun den ganzen Winter über nicht, und so denkt er da jetzt gar nicht dran.
Wir standen also noch ein bisschen rum und genossen die Sonne, er machte ein Kompliment und dann guckten wir eine Weile Ente im Teich, schmusten und gingen schließlich zufrieden rein.

Dieses Pferd versteht es wahrlich, es immer wieder spannend zu machen 🙂

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Sonntag, 3.4.

Den Samstag verbrachten wir zu viert beim Seminar „Ran an den Galopp“ in Bückeburg, am Sonntag sahen wir noch eine zweistündige, ungeheuer schöne und inspirierende Morgenarbeit. Ich kam angefüllt mit schönen inneren Bildern nach Hause und musste unbedingt noch auf’s Pferd. Mit so vielen Dingen sprachen sie mir so aus der Seele, ein paar andere wurden mir mal wieder bewusster gemacht. Hier werden Seitengänge, Seitengänge und nochmal Seitengänge geritten, so dass ich nun das Thema Rechtstraversale vertiefen wollte. Die Linkstraversale ist ja seit kurzem da, nach rechts merke ich selbst, dass ich nicht diese Weichheit und Elastizität habe wie nach links.
Ich will aber natürlich wieder tänzerische, fließende Traversalen ohne sichtbare Einwirkung haben, also muss ich zusehen, dass mein Sitz das den Pferden ermöglicht und ich da wieder geschmeidiger werde.

Nacariño war unternehmungslustig. Ich ging auf den Platz, er wollte glotzen, ich ließ ihn dazu gar nicht kommen, forderte im Schritt immer wieder Verschiebungen von Schulter und Kruppe an. Ich bekam sofort gute Ansätze zu Travers-Verschiebungen links, Schulterherein ließ sich ohnehin auf beiden Händen abrufen, wenn auch noch manchmal übereifrig und damit ein bisschen über die äußere Schulter eilend, das wurde aber immer besser korrigierbar.
Er machte gut mit, war sehr aufmerksam (auch auf die Umgebung…) und fein am Bein. Ich fragte immer wieder eine Kruppenverschiebung nach rechts an, behielt ihn dabei in minimaler Stellung nach rechts, und schließlich bekam ich einen, dann auch mal zwei Schritte. Ich lobte wie verrückt, bei ihm merkt man kolossal, wenn er das Becken abkippt und damit Rücken und Widerrist in die neue Richtung mitnimmt, so dass hier sofort fühlbar ist, wann es ehrliches Travers ist und wann geschummeltes.
Er hielt die Stellung schließlich immer leichter dabei (fiel natürlich auch immer wieder raus, aber immerhin! Unsere ersten Travers-Schritte nach rechts!) und so konnte ich schließlich erste Wechsel von der einen Seite zur anderen reiten. Na klar klappte von rechts nach links sofort, von links nach rechts war noch Glückssache. Aber ich freute mich total über diese ersten klar fühlbaren korrekten Schritte.

Ich bat ihn schließlich, in einem groß angelegten Kurzkehrt anzugaloppieren, um einen ersten Traverssprung zu bekommen. Tatsächlich gelang das auch einige Male, einige andere Male hingegen brachte er sich und sein Temperament doch sehr mit ein 🙂

Ich trabte wenig, und das überhaupt nicht auf ein großes Vorwärts bedacht, wohl aber auf Schwung. Er ließ sich ein wenig verschieben im Raumgewinn, heizte sich aber auf, so dass ich behutsam an seine Grenzen ging und ihn um so mehr lobte, anfeuerte und bestätigte, je mehr er sich seinen Grenzen näherte, ohne dabei zu explodieren.

Wir hatten nicht nur Pferde gesehen, die alles können. Wir hatten ganz junge Pferde und solche, die umgeschult werden müssen, gesehen. Gerade diese gaben mir natürlich so viele Bilder und bestätigten mich auch so sehr in dem, was ich bisher mit Nacariño gemacht hatte, da unsere Ziele doch in weiten Teilen dieselben sind – leichtfüßige, hochmotivierte Tänzer an leichter Hand, an leichtem Bein, an unsichtbaren Hilfen. Ich weiß, dass Nacariño das wird, auch wenn der Weg noch lang ist und sehr anders als andere Wege. Andere Wege haben auch schöne Steine. Und den Maler fragt ja schließlich auch keiner beim Anblick des fertigen Gemäldes, wie lange er dafür gebraucht hat 🙂

So viele Hopser und schräge Momente es also nun auch gegeben hatte, es waren auch ganz viele dabei, die erkennen ließen, wo wir uns hin bewegen. Ach, das war einfach toll und machte so sehr Lust auf mehr… Morgen!

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Montag, 4.4.

Auf dem Platz standen Pferde. Macht nichts, ich ging auf’s Feld. Rechtskurve, über Kurzkehrt rechts umdrehen – gelungen! Wieder in der Ecke bei den Bäumen raschelten die und vermutlich saß hier irgendwo auch ein hungriger Wolf, den ich nicht sah. Nacariño sah ihn und ergriff die Flucht. Aber wie. Er wurde blitzartig zu einer Kugel und in der nächsten Zehntelsekunde zum Katapult. In der darauf folgenden Zehntelsekunde hatte ich ihn gedreht und er stand – selbst sichtlich verblüfft, sah er sich doch im Geiste noch über den Acker flitzen. Ich war ehrlich gesagt auch ein wenig verblüfft, dass das dermaßen einfach gewesen war, ihn zu stoppen. Ich war einfach nur schnell und deutlich genug gewesen, ist ja auch immer ein bisschen Glückssache, und er war, trotz dem er sich zum Losrennen natürlich angespannt hatte, durchlässig genug. Wir staunten also ein bisschen vor uns hin und ich ritt wieder an. Hossa, jetzt war aber Strom unter mir. Ich ritt na klar wieder zu den (für mein Empfinden) raschelnden Bäumen und dem (für sein Empfinden) hungrigen Wolf (oder was auch immer).
Er machte es doch tatsächlich genau so nochmal, nun allerdings etwas bewusster und gezielter. Ich auch. Pech, mein Kleiner, nicht nur Du stellst Dich auf Reaktionen ein!
Same Procedere, Kugel, Katapult, Drehung, Stehen.
Und dann war Schluss mit derartigen Späßen, ihm verging wohl die Lust. So bringt das ja nix. Er maulte ein bisschen vor sich hin, blieb unter Strom, das legte sich aber ein wenig, als ich wieder seitwärts hier, seitwärts dort anfragte. So gingen wir den Weg zurück und auf den Asphaltweg. Den mag ich ohnehin, er bietet gute Trainingsmöglichkeiten, und by the way mal ein bisschen was zu den Größenverhältnissen hier, damit meine Erzählungen etwas anschaulicher werden (Google Earth sei Dank):

von_oben_2

1 ist unser Platz mit den Maßen 20 x 40.
2 ist der Asphaltweg, der dürfte dann also so gute 70 m lang sein.
3 ist das komplette Feld. Die Seite an den Bäumen (in Verlängerung des Asphaltweges) geht ganz leicht bergab und ist demzufolge trockener, die gegenüberliegende Seite ist die tiefere und geht leicht bergauf – die perfekte Seite für Durchgänger. Da hören sie alle auf zu rennen, noch dazu, wenn dieser Boden feucht ist.
4 ist das Gräbelchen am unteren Rand, am gesamten unteren Rand des Feldes läuft ein richtiger Graben entlang. Die raschelnden Bäume (mit Wolf oder ohne) sind unten rechts an der Ecke zu sehen.
Und 5 ist Nachbar’s Garten und 6 der Ententeich 🙂

So sieht das aus hier, das alles bietet also, wie man sieht, durchaus Möglichkeiten.

Ich fange spätestens jetzt aber an, diesen Asphaltweg zu lieben. Den ritt ich nun rauf und runter, oben machte ich (versuchte ich drückt es besser aus, klappte ja wahrlich nicht immer) ein sehr groß angelegtes Kurzkehrt rechts, unten dasselbe in links.
Nach oben Richtung Stall steigt der Weg minimal an, da fragte ich schließlich verkürzte Schritte / Tritte an, bei denen Nacariño natürlich so manches an Energie verpulverte.
Richtung Feld ließ ich ihn Zick-Zack-Traversalen gehen. Der Weg reicht so für vier bis sechs Schritte in jede Richtung. Und der Boden ist natürlich nicht vergleichbar mit Sand oder Acker, hier ist das Gehen weitaus weniger anstrengend. Ich ließ Nacariño immer wieder hin und zurück gehen, mal mit Zick-Zack-Traversalen, mal mit verkürzten Schritten. Er wurde immer leichter, immer feiner, brachte sich immer mehr selbst ein, bot schließlich sogar die Wechsel von einer Seite zur anderen regelrecht an.
Stellung und Biegung wurden auch nach rechts immer leichter, immer sicherer. 
Ich wünschte mir so sehr, dass das jetzt jemand hätte filmen können, damit ich das einmal sehe, aber es war niemand da. Na gut, dann ein anderes Mal!

Ich sprang bei einem guten Moment mitten auf dem Weg runter und freute mich.
Toll, toll, toll! 
Nacariño war aufgekratzt, aber sehr zufrieden mit sich.

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Mittwoch, 5.4.

Nochmal, nochmal!!
Was schert mich, dass Pferde auf dem Platz stehen, ich hab ja das Feld und den Weg…
Wer immer so einen Weg zu Hause hat – nutzten! Gerade für die Wechsel der Seitengänge, die Pferde bekommen keine Angst vor zu viel Strecke, weil die ja immer absehbar kurz ist, und auf Asphalt ist natürlich ein leichtes Gehen möglich. Je nachdem, wie die Seiten gestaltet sind, bieten die einen gewissen Rahmen – hier ist es Gras, von dem er weiß, dass er es nicht betreten darf (was nicht heißt, dass er sich immer daran hält, aber die Idee gibt ja bereits eine gewisse Grenze).

Zuvor jedoch dachte ich, verlade ich doch mal wieder. Dass das nach der Möschenhof-Aktion kein Spielkram und kein „mal eben“ werden würde, ahnte ich ja. Aber so…
Puh. Wir fangen da gerade gefühlt von vorne oder bei Minus fünf oder so wieder an…
Mein Konstrukt aus ineinander verknotetem Halfter und Halsschlaufe wurde angelegt und Nacariño rollte mit den Augen, als er den Hänger sah. Ich latschte tiefenentspannt weiter. positionierte ihn vor der Rampe und wartete. Und musste ungeheuer aufpassen, er war schnell und riss den Kopf mal hierhin, mal dahin. Ein paar Zentimeter zu viel Longe und er wäre weg gewesen. Er stellte meine Schnelligkeit massiv auf die Probe.
Irgendwann waren die Vorderbeine auf der Rampe und dann zementierte er sich dort ein. Und stand. Und stand. Und bewegte sich, wenn überhaupt, nur mit Zug gegen die Longe. Ich hielt gegen und wartete. Ich wagte nicht, Richtung Bruststange zu gehen, um die Longe darum zu legen. Es ist genau dieser Meter, wenn ich mich den von ihm entferne, ist er weg. Das war sehr deutlich spürbar. 
Es war windig und sehr frisch, nichts, um da stundenlang rumzustehen, aber ich wartete. In einem günstigen Moment hatte ich die Longe unauffällig um die Bruststange gelegt und stand nun dahinter.
Ein Glück.
Von jetzt auf gleich und gefühlt ohne Vorwarnung hängte er sich in die Longe. Schmiss sich nach hinten, zog und zerrte, schlidderte seitlich von der Rampe weg, ich dachte noch, er schlägt mir da jetzt hin, ich hielt, was ich nur halten konnte, schön war das alles nicht, aber – zum ersten Mal ging nichts kaputt. Zum ersten Mal hielt alles, was ihn halten sollte, er kam nicht weg, stand schließlich wieder vor der Rampe und da sah er jetzt aber wirklich aus wie ein Häufchen Elend. Er fing an zu zittern und begriff gar nicht, was da passiert war. Der Anblick war schwer zu ertragen, aber es war das beste, was hätte passieren können und ich war so heilfroh, dass alles gehalten hatte. Ich weiß nicht, wie lange ich das hätte halten können, da saß eine perverse Kraft hinter.
Er stand da, zitterte, völlig bedröppelt, ich wagte nicht, nach vorne zu gehen, weil ich nicht wusste, wann er dabei losziehen würde, und dann würde ich ihn nicht halten können.
Ich redete also auf ihn ein, brabbelte, lullte ihn ein, hypnotisierte ihn. 
Er kam wieder zu sich. Die Wandlung im Gesicht war unglaublich. Von völliger Ungläubigkeit und Nicht-Verstehen wechselte seine Mimik jetzt zu Wut.
Und dann – ein Glück war ich hinten geblieben!!! – hängte er sich nochmal rein.
War die Kraft eben schon massiv gewesen, jetzt war sie unglaublich. Jetzt kam Wut dazu. Er war immer weggekommen, es hatte immer geklappt, das muss doch jetzt auch…
Er wollte unbedingt seinen Willen durchsetzen und riss und zerrte und schlidderte da an der Rampe herum. Die Longe schmirgelte die Plastikummantelung der Bruststange so ab, dass hinterher über fast einen halben Meter graue Plastikpartikel an der schwarzen Longe klebten. Mein Zeigefinger geriet da irgendwie rein und war damit dann aber auch das einzige, was an diesem Tag Schaden nahm – obwohl,Nacariños Widerstand nahm vielleicht (hoffentlich…) auch Schaden. Halfter und Longe hielten, die Bruststange auch, obwohl ich dieses Mal wirklich dachte, irgendwas sprengt er jetzt doch auseinander. Tat er nicht, er hörte rechtzeitig auf. Tatsächlich hatte sich die Schnalle des Halfters aufgezogen, aber die Halsschlaufe hatte gehalten.
Es fehlte nur noch, dass er sich die über die Ohren zog und wieder abhauen würde, dann wäre ich echt vom Glauben abgefallen. Das passierte aber nicht – puhhh!!!
Ich machte mir echt Sorgen um Nacariños Genick. Ich legte ja schon alles weiter hinten an, aber das zieht sich bei so einer Aktion natürlich nach vorne. Das Genick wird also, wenn wir diese (Tor)Touren hinter uns haben, von einem Physiotherapeuten gecheckt. Und der Rest auch gleich, wenn wir schon dabei sind 🙂

Er stand wieder vor der Rampe, zitterte aber nicht mehr, sondern dachte konzentriert nach. Ich ging langsam nach vorne, krauelte, kuschelte, bat ihn wieder mit den Vorderbeinen auf die Rampe und blieb so lange in Kopfnähe, bis ich das Gefühl hatte, jetzt die Longe um die Stange legen zu können. Nacariño zementierte sich wieder ein und wir warteten wieder. Ich erzählte ihm Geschichten, zupfte immer wieder an der Longe, nervte ihn, bat ihn, erzählte ihm, wie toll doch Hänger sind und dass man ja gar nicht erleben kann, wenn man nicht damit zu anderen Orten fährt und dass er fahren doch eh nicht schlimm findet und er doch mal sagen soll, was denn nun genau so schlimm ist – und so weiter. Er hörte sich das an, das Gesicht wurde wieder entspannter, und auf einmal, wieder ohne erkennbare Ankündigung, kam er hoch. Wenn er da ist und man ihn kurz hält, geht er auch nicht wieder runter, er zieht zwar und testet die Stricklänge, akzeptiert die aber. Dennoch wage ich natürlich nicht, ihn anzubinden, ohne die Stange geschlossen zu haben. Ich ließ ihn fressen, kraulte, lobte, kuschelte, er war hektisch, blieb aber da, und so tastete ich mich nach hinten, schloss die Stange und ließ ihn einen Moment stehen.

Schließlich wieder runter, da ging er reichlich schnell, und dann na klar gleich wieder hoch. Er zementierte sich wieder ein und dachte konzentriert nach. Er hängte sich aber nicht in die Longe, zog zwar und testete, schmiss sich aber nicht nach hinten. Und dann kam er noch einmal rauf, ich machte gar nicht zu, stand nur einen Moment mit ihm oben und lobte und kuschelte und dann war es für dieses Mal gut. 
Das Spielchen hatte eine gute Stunde gedauert (!) und nun putzte ich erst einmal, um wieder Ruhe reinzubringen.

In der Box satteln dauerte wieder eine Weile, Nacariño drehte sich wiederholt weg. Ich hatte Zeit, blieb einfach hinter ihm, kraulte ihm die Kruppe und ließ ihn machen.
Schließlich konnte ich satteln und zum ich glaube dritten oder vierten Mal in Folge nahm Nacariño das Gebiss von sich aus – freu!

Dieses Mal war es die blanke Kandare und ich weiß nicht, ob sein Zähneklappern auf die Erfahrung mit einer Stange zurückzuführen war oder auf das Hänger-Erlebnis. Auf blanker Kandare hatte ich ihn ja schon mal geritten, aber länger nicht mehr, vor meiner Zeit hatte er so seine Erfahrungen mit dem Kimblewick gesammelt. Ich ließ ihn klappern und ging mit ihm auf’s Feld. Er entspannte sich und brummelte vor sich hin. Der Wolf war weg, die Bäume raschelten nicht, und so äugte er nur da rüber, machte aber nichts. 
Ich konnte Seitengänge hin und her reiten, er machte toll mit. An super leichter Hand, sehr gut am Bein, Travers-Verschiebungen waren zu beiden Seiten abrufbar.
Ich lobte, freute mich, kraulte ihn. 

Ich fragte einen möglichst versammelten Trab an – und bekam ihn. Ich durfte auch hier seitlich verschieben, so dass der Trab tatsächlich mal zu sitzen war. Nacariño war hin und her gerissen zwischen Gehorsam und Rennlust, einmal sprang er im Trab an und schenkte mir zwei ungeheuer versammelte Galoppsprünge. Die lobte ich so richtig, er kam auf den Geschmack. Hier und da baute er immer wieder mal ein, zwei hochversammelte Sprünge ein – großartig! Und dann ließ ich ihn im Schritt über das Gräbelchen gehen – also ich wollte ihn im Schritt darüber gehen lassen. Er lauerte ohnehin schon auf das Gräbelchen, ließ sich aber im Schritt hinreiten – und dann hob er ab, machte einen völlig unverhältnismäßigen Satz darüber und wollte abgehen. Allerdings wohl nicht sehr ernsthaft, denn ich hatte ihn sofort wieder. Und das war das einzig Alberne, was er sich auf dem Feld heute erlaubte. Der Gute!

Mit ein paar seitlichen Verschiebungen ging es Richtung Asphaltweg, hier noch ein wenig Zick-Zack-Traversale (brav) und ein vorsichtig ein paar halbe Tritte angefragt (explosiv).
Mitten in irgendeinem guten Schritt sprang ich runter und knuddelte ihn.
Meike hatte wohl zwei Sekunden vorher rübergeguckt, kurz weggeguckt, wieder hin – und sah mich nicht mehr. Als sie mir das erzählte lachte ich und meinte, wäre ich runtergefallen hätte sie einen full speed rennenden Schimmel gesehen 🙂

Zufrieden zurück in den Stall und Dón geritten. Und dann – tja. Der Hänger war ja noch dran. Zweite Runde.

Noch einmal eine fast volle Stunde für zwei Mal hochgehen. Nacariño hängte sich nicht noch einmal mit dieser irren Wucht in die Longe, verlagerte sich eher auf’s Einzementieren und dachte konzentriert nach. Immerhin ging er einmal mit breiter und einmal mit normal gestellter Trennwand hoch und wirkte oben entspannter als morgens.
Mit verladen-üben fangen wir nun also nochmal neu an, allerdings nun mit einem besseren Gefühl, da ich ja nun offenbar eine Konstellation gefunden habe, die ihn aushält. Dennoch ging mir der Morgen wirklich nah. Vermutlich wird er es noch ein paar Mal auf den Test anlegen, ich hoffe nur, nicht mehr in dieser furchtbaren Intensität wie heute morgen. Allein mir fehlt der Glaube…
Gut, formulieren wir die Hoffnung um – hoffentlich schafft er es nicht mehr, irgend etwas kaputt zu machen und noch viel weniger, sich noch einmal loszureißen. Sein Gesicht zu sehen heute Morgen war wirklich schlimm, aber leider war es das, was nun sehr, sehr nötig war – dass er mal nicht damit durch- und vom Hänger weggkommt, indem er mit Gewalt alles kaputt reißt. Es bleibt spannend…
Wäre vielleicht auch zu einfach, wenn das lässig klappen würde. Ist schließlich ein Korrekturpferd. Na super.

Im Stall war Nacariño kuschelig und viel entspannter als nach dem ersten Verladen. Ich fand eine Stelle am Ohr, bei der er das Kraulen unglaublich genoss. Er drückte mir den Kopf auf die Schulter, klemmte die Augen zu, legte den Kopf völlig schief und wirkte halb weggetreten, zu süß. Es gab also immer wieder mal ein Ohrkraulen, fand er toll. Merken!

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Freitag, 8.4.

12 – 8 – 4 – 2. Da ist doch eine sinnvolle Reihenfolge erkennbar, oder?
Nacariño ist ein Mathematiker!

Das waren die Minuten beim heutigen Verladen. Mir lag das letzte Mal fürchterlich im Magen – auch wenn es so gut und so wichtig war, dass er mal nicht losgekommen war, so war es doch schwer zu ertragen, ihn dabei zu beobachten, dass er so etwas einmal erfahren musste. Ich war sicher, dass das nächste Verladen auf keinen Fall so schlimm werden würde und wollte das gar nicht lange rauszögern. Also hängte ich den Hänger an.

Nacariño hängte sich nicht ein einziges Mal in die Longe. Er spannte die an und hielt die auf Spannung, während er sich auf der Rampe festmauerte, aber fast durchgehend waren die Ohren gespitzt, er beobachtete mich und hörte mir zu, schnufffelte mal an der Seiten- und mal an der (breit gestellten) Trennwand und stand da halt so rum. Ich hatte relativ früh die Longe um die Bruststange legen können und wartete nun. Ab und zu zupfte ich mal leicht an der Longe, nicht dass er mir da einschläft, ihm fielen zwischendurch die Augen zu, er war einerseits sehr relaxt, andererseits hätte man aber auch mit einem blöden Zug Gegenwehr auslösen können. Nichts lag mir ferner. Und so wartete ich.
Nach 12 Minuten kam er dann von jetzt auf gleich einfach so hochgetapert. Ohne ein weiteres Zögern. Auf dem Hänger war er viel entspannter als vorgestern, ich konnte in Ruhe die Trennwand ranschieben und die Stange schließen. Toller großer Junge!

Er ging ziemlich zügig runter, ich bremste nicht, mit den Vorderbeinen auf der Rampe bat ich ihn gleich wieder hoch. Er zementierte sich direkt wieder ein, ich schob die Wand breit, legte die Longe um die Stange und wartete. Er blieb ruhig und zeigte keine Abwehr. Dieses Mal waren es acht Minuten. Dann kam er genau so wie das letzte Mal einfach hoch.

Schluss für dieses Mal! Super!
Ich putzte und ritt erstmal Dón, dann folgte Runde zwei. Siehe oben – beim ersten Mal vier, beim zweiten Mal zwei Minuten. Mir polterten nur so die Steine vom Herzen. Ich werde wieder anfangen, ihn durch’s Dorf zu fahren, bevor ich wieder woanders auslade. Und dann ist das nächste Ziel wieder der Möschenhof, zeitlichen Druck habe ich überhaupt nicht. Am 1. Mai ist dort Tag der offenen Tür und meine Jungs gestalten einen Großteil des Showprogramms (mit), aber da kann ich hin und zurück reiten oder hin fahren und zurück reiten oder oder oder. Perfekt. Das hier aber gab mir großes Zutrauen, dass verladetechnisch das Schlimmste hinter uns liegt – und ich hoffe, ihm gibt das jetzt ein ähnliches Zutrauen. Puh!!!

Nun aber reiten, ich freute mich schon so drauf, vor allem, weil Dón schon so einen Spaß gemacht hatte, und nun wollte ich auf mein zukünftiges Reitkunst-Pferd! 🙂

Das zukünftige Reitkunst-Pferd machte einen super zufriedenen Eindruck und ließ sich in de Box satteln, als würde er dabei seit Jahren einfach Heu fressend stehen bleiben.
Er ging nicht nur nicht weg, er bewegte nicht mal ein Ohr. Und ich gab ihm durchaus die Möglichkeit, wegzugehen, wie immer. Hatte er gar kein Interesse dran.

Wieder einhändig blank. Wir stellten die Pferde am Eingang gegenüber und quatschten erstmal. Nacariño war unruhig, wollte Quatsch machen und Navarre anstacheln, der wollte sowieso. Ich behielt Nacariño so gut es nur ging am Platz. Irgendwann stand er da wie ein Denkmal. Wir redeten weiter, auch Navarre wurde ruhiger, Nacariño stand schließlich vollkommen still und schloss halb die Augen. Ich kraulte seinen Mähnenkamm und atmete ein paar Mal tief durch, er atmete aus.

Wir gingen im Schritt zusammen los und ich fragte direkt nach Seitengängen, er bot sofort Travers rechts an. So leicht, so unaufwendig, schmelz dahin…!

Einmal sprangen sie los, da raschelte irgendwas am Teich. Beide machten einen ordentlichen Satz, Nacariño ließ sich sofort drehen und anhalten. Er hatte gar nicht wirklich weg gewollt, kein Gedanke mehr an Abhauen. Aber mitmachen kann man ja.
Ebenso nicht bei den auf Nachbars Rasen liegenden Zaunelementen, die sogar Dón schon gruselig fand. Er mochte zuerst nicht hin, ich ließ ihn einfach Seitengänge gehen und so kamen wir dem Garten immer näher, als wir direkt an der kurzen Seite waren, zuckte er noch einmal – und das war’s. Er setzte nicht zum Abhauen an, er schien richtig Spaß an der Zusammenarbeit zu haben.
Schließlich trabte ich an, ebenfalls sofort in Seitengängen, ich konnte ihn sitzen, ließ ihn aber auch keineswegs mehr so vorwärts gehen wie sonst. Er ging tatsächlich auf beiden Händen Traversalen, die nach links war im Gang noch etwas verhalten, aber ansonsten unglaublich leicht und sicher. Ich konnte auf reinen Knieschluss anhalten.
Meine Güte, war das schön!

Dann fragte ich nach einigen ganz wenigen versammelten Galoppsprüngen, er wollte dynamischer anspringen und geradeaus los und regte sich ein wenig auf und hampelte rum, weil ich von meiner Idee, gesetzt anzuspringen, nicht abließ. Es ging mir nicht um viele Sprünge, es ging mir um das gesetzte, konzentrierte Bergauf-Anspringen.
Genau das bekam ich schließlich. Rechts nicht so gut wie links, manchmal nur ein einziger Sprung, nach dem er ausfiel oder alle Beine durcheinander warf, links aber schließlich einmal ganz tolle drei Sprünge, die schon die Travers-Idee fühlen ließen.

Damit hörte ich begeistert auf. Was war das für ein schöner Ritt gewesen!
Diese beiden Pferde machen so süchtig und ich merke, wie gut mir das Wochenende in Bückeburg getan hat. Diese vielen schönen inneren Bilder, die da im Kopf sind und helfen, meinen beiden Jungs eine Form zu geben.

An diesem Wochenende habe ich an beiden Tagen Zeit für meine Pferde – und kann es kaum abwarten. So viel Lust zum Reiten wie im Moment hatte ich lange nicht. Die beiden machen so einen Spaß…

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Samstag, 9.4.

Früher machte der Mai alles neu, bei Nacariño scheint es der April zu sein. Es fühlt sich wirklich wie ein Sinneswandel an. Er arbeitet so toll mit, auch wenn ihm seine unglaubliche Energie oft im Weg steht, er verwendet sie nicht mehr gegen mich. Obwohl, wer uns so sehen würde, würde das sicher denken, aber ich empfinde es nicht so. Nicht nach dem, wie ich schon erlebt habe, wenn er seine Energie wirklich gegen den Reiter verwendet.

Na klar kriegt er immer wieder 28 Beine und springt kreuz und quer und schüttelt den Kopf und ist viel mehr in Bewegung, als gefragt war – aber es wird langsam aber sicher etwas anders. Er hat viel mehr Lust, herauszufinden, was ich denn wohl haben möchte und geht nicht mehr, ohne nachzudenken, auf Konfrontationskurs.
Er springt kaum noch weg – er guckt noch, ja, er erschreckt sich auch nochmal, aber das nimmt jetzt alles vernünftige Formen an für ein Pferd in diesem Alter („der normale Fünfjährige…“).

Ich hatte ihm das Vorderzeug angepasst und ließ es zum Reiten drauf. Schick sah er aus. Vor dem Platz hatte sich jemand das Podest hingestellt und er zerrte mich da einfach hin und stellte sich drauf. Seins! 

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Auf dem Platz brummelte und schnaubte und erzählte er vor sich hin, zu süß! Ich spielte wieder ein bisschen mit Seitengängen, er war höchst albern und wie ein Aal, und da wir morgen gemeinsame „Morgenarbeit“ machen wollen (wir vier, die wir zusammen in Bückeburg waren) und ich da ihn nehmen möchte und er dann schon wieder auf dem Platz geht, er mich aber spüren ließ, dass ich das nicht allzu oft so von ihm fordern darf, zog ich mich ganz schnell zurück, nahm seine Bitte an und ging mit ihm auf’s Feld. 

Er zuckte nicht ein einziges Mal. Er war hellwach und lauffreudig, haute aber nicht auch nur ansatzweise ab. Und das Ganze ja wieder einhändig blank, er war leicht, ich bekam ein wunderbar weiches Angaloppieren, im Galopp wurde er flotter, aber alles vertretbar. Total toll. So toll, dass ich im zweiten Galopp mal richtig schnalzte und ihn echt losschickte.
Und da schlug er für einen Moment um, fiel einerseits ins alte Muster – abhauen – andererseits aber auch irgendwie nicht. Ich ließ ihn machen, trieb noch nach, er war verwirrt und rang einen Moment mit sich, ob noch mehr Gas geben oder nicht, so hundert Meter war er echt am Überlegen (während er mit echt Speed über den Acker ging) – und dann war’s vorbei. Er kam runter, wurde ruhiger, ich trieb nicht mehr nach, ließ ihn auslaufen. Drehte um, ließ ihn locker noch einmal galoppieren. Völlig cool, ich durfte das Tempo jetzt bei jedem einzelnen Sprung bestimmen. Schritt, umdrehen, am völlig hingegebenen Zügel nach Hause. 

Er atmete kräftig und hier schien bei ihm noch einmal etwas zu passieren. Er scheint zu spüren, dass sein Wegrennen wirklich nichts mehr bringt. Er wollte es ja auch gar nicht, ich habe es ja richtig provoziert. So wie noch nie.

Auf dem Asphaltweg saß ich ab und wir gingen langsam zurück zum Stall, er hatte immer seine Nase an meiner Hand, ich hielt nichts fest, er blieb einfach ganz nah dran.

Er hatte auch in der Stallgasse überhaupt kein Bedürfnis, wegzugehen – manchmal nutzt er die Chance, läuft raus und geht grasen. Heute keine Anzeichen, er stand da und wartete, behielt mich ständig im Blick und hatte ein wunderbares Gesicht dabei.

Das Wetter war so schön, dass ich für morgen noch Schweif und Beine wusch (war er das, der letztes Jahr nur schnorchelnd mehr rückwärts als vorwärts zum Waschplatz ging? Jetzt tappte er mit halb geschlossenen Augen hinter mir her, obwohl da eine Schaumpfütze war – er war nicht der erste heute, der gewaschen wurde) und dann mit beiden grasen ging. Fanden sie großartig. Feierabend, ich freue mich auf morgen und bin so gespannt, wie es wird, morgen gibt es Fotos!

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Sonntag, 10.4.

Irrer Vogel, der. Unsere Freundin Doris war mit ihrem ebenfalls 2010 geborenen Fynn angereist, ein Mix aus Trakehner und Quarter Horse, ein eleganter Falbe.
Nacariño war beim Putzen sehr kuschelig, ließ sich, ohne vor dem Sattel wegzugehen, fertig machen und nahm (mal wieder!) das Gebiss von selbst und kam entspannt mit zum Platz. Bis er Fynn sah.
Ich weiß nicht, was in ihm vorging, aber er drehte ziemlich ab. Er plusterte sich auf, war innerhalb von Sekunden auf 180, Doris meinte, ob wir nicht mal schnuppern lassen wollen, aber das schien mir nicht sinnvoll, so wie Nacariño sich gebärdete. Da wären Beine durch die Luft geflogen. Ich wüsste nicht, dass er schon jemals so auf ein anderes Pferd reagiert hat. Macker…

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Wir ritten zu viert einfach schön vor uns hin. Ich fragte Seitengänge an, Nacariño war energiegeladen und wendig und so richtig das Sagen hatte ich nicht. Er behielt Fynn im Auge und war kernig und völlig überdreht. Dabei kamen Bewegungen raus – Hammer…!
Nicht, dass die gewünscht waren, aber toll waren sie. Nicht so witzig war, dass er, wenn er Fynn nicht sehen konnte, steigend umdrehen wollte. Ich versuchte, das zu unterbinden, ohne ihn noch mehr zu reizen, aber da wurde ich doch mal laut. Meine Güte, war der drauf!

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Schließlich durfte ich sogar in einer großen Travers-Volte angaloppieren, zumindest links. Linksgalopp war ohnehin heute sein absoluter Favorit. Aber dieses Angaloppieren! Lechz!!
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Das Gefühl war über weite Strecken viel schlimmer, als die Fotos es wiedergeben. Es gab Unmengen Bilder von ihm, und auf nur ganz wenigen sieht man Abwehr, wenn ich ihn daran hinderte, sich umzudrehen oder ich ihn ein bisschen bremsen musste in seinem Übereifer. Wie auch in den letzten Tagen richtete sich dieser Eifer allerdings nicht gegen mich, zumindest nicht so, wie ich das von ihm ja lange genug erlebt habe. Na klar kann man es als „gegen den Reiter“ ansehen, wenn ein Pferd sich steigend umdrehen oder explodieren will, aber das war einfach Fynns Anwesenheit. Er steigerte sich da richtig rein und vollführte die unmöglichsten Sprünge. Da wird mal eine gute Carriere draus…

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Aber da waren eben auch diese unglaublich tollen Momente. Er sprühte Funken, und daraus konnte ich plötzlich unser erstes Travers im Rechtsgalopp machen, es gab ein paar Sprünge, die ein späteres Terre à Terre erahnen ließen …

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… und ich bekam hochversammelte Trabtritte. Nicht aus dem Trab, sondern aus dem Schritt, also eher eine Piaffe- als eine Passage-Idee. Nebst allen möglichen seitlichen Verschiebungen, die ich bloß nicht immer steuern durfte.

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Als ich die Garrocha dazu nahm, schien er einen Moment zu überlegen. Die hatte er ja erst ein einziges Mal gesehen, aber nach einer Minute war alles gut. Ich durfte im Schritt drunter durch wenden, die Galopptouren allerdings gerieten etwas, äh, ausladend 🙂
Aber das war echt großartig, er machte einfach mit und hatte vor der Stange keine Angst.

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Ich legte die Stange nochmal weg. Nacariño war inzwischen vollends auf Linksgalopp fokussiert, so dass ich auf der rechten Hand einen unglaublich versammelten Kontergalopp bekam. Ich wollte trotzdem gerne noch einen Rechtsgalopp haben, schon aus Prinzip. Ich bat also mit Stimme ruhig und deutlich um Rechts-!!-Galopp, bekam den nach zwei Fehlstarts auch, musste er ziemlich dranbleiben, weil er ausfallen wollte. Das regte ihn einerseits aus, andererseits versammelte er sich und drehte schließlich, um sich zu entziehen, die Kruppe in die Bahn. Das war natürlich kein klassisches Travers, aber ich wollte die Idee auf keinen Fall kaputt machen, lobte ihn ganz doll (obwohl das in dem Moment noch ganz klar ein Entziehen war) – und als ich das die dritte lange Seite zuließ, wurde daraus tatsächlich unser erstes Travers im Galopp! Genial!!

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Zügel fallen lassen, er stoppte sofort, loben!!!

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Noch einen kleinen Trab… Noch ein bisschen Versammlung… Nacariño war so voll Saft und Kraft, er war nicht einmal warm, obwohl er sich schon ganz schön bewegt hatte. Er sprühte nur so. Es war völlig unproblematisch, ihn nochmal in Gang zu setzen. Und dann bekam ich ein Gemisch aus versammelten Tritten und versammelten Sprüngen, aber doch deutlich mehr Tritte als Sprünge – meine Güte!

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Wow. Ich war ziemlich geflasht. Und ich muss in den nächsten Tagen zusehen, dass ich ihn wieder runterfahre. Er fängt jetzt richtig an, ehrgeizig zu werden und geht voller Motivation an das Reiten heran, das ist nun abrufbar. Anstellen kann ich ihn jetzt.
Nun muss ich mal sehen, wie ich ihn wieder abstelle 🙂

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Irgendwann beruhigte er sich so weit, dass wir zu viert nebeneinander reiten konnte, sicherheitshalber ließ ich ihn dabei nicht neben Fynn. 

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Ich bekam noch ein sehr ruhiges Kompliment – ganz ohne Keks. Im Moment gibt es ja keinerlei Kekse mehr, da er reichlich gierig wurde. Und siehe da – kein Problem. Er legte das Röhrbein ab und ließ es mehrere Sekunden liegen. Ich freute mich wie verrückt.
Ein paar Minuten später fragte ich das nochmal – und das zweite Kompliment wurde noch ruhiger. „Stell Dir einen Keks vor!“ sagte ich, als er hochkam und ich ihn umarmte.

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Waaaahnsinn… Was für ein Pferd. Also: was wird das für ein Pferd!
So, jetzt vernünftig werden, runterfahren, Anforderungen deutlich zurückschrauben, Beziehung festigen, Fokus mal wieder auf Losgelassenheit und Durchlässigkeit.
Wir sind auf dem absolut richtigen Weg.
Er ist jetzt sieben Monate bei mir und in den letzten Tagen hat sich sichtbar sein Gesicht verändert. Er verändert gerade seine gesamte Ausstrahlung. Und er strotzt vor Kraft – nicht, dass er das soll in diesem Stadium, aber er tut es nunmal. Mache ich das beste draus.
Und so dachte ich heute morgen, ich hole noch mal sein Kindergesicht hervor. Er wirkt viel zu erwachsen, da blitzt manchmal etwas kindliches durch, aber so richtig Kind? War er das je? Ich will sein Kindergesicht sehen. Ich musste viel zu ernst und zu wachsam sein, damit er mich nicht in Gefahr bringt, ich glaube, die Zeit ist vorbei. Jetzt fangen wir an, zu spielen. 
In diesem Pferd ist einfach alles drin. Das wird mal ein ganz Großer. Mental und in seiner Ausdrucksstärke. Er will da jetzt hin. Also bremse ich das alles noch mal ein wenig aus und gebe ihm ein bisschen Kindheit zurück.

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Dienstag, 12.4.

Ruhe einkehren lassen war mein Vorhaben, also habe ich Nacariño am Montag an der Hand mit auf den Platz genommen – für genau drei Runden.
Ein paar fließende Wechsel von Schulterherein und Renvers (schön…!), hier ein kleines Stück Traversale, mal halten und kauen lassen und warten, mal ein kleiner, ruhiger Trab. Alles untertourig und nur auf Ruhe und Takt bedacht. Ganz bewusst aufgepasst, dass er nicht heiß wird, sich nicht aufregt. Er wollte an Nachbars Garten vor einer Schubkarre ausweichen, ließ sich aber dennoch dort hin dirigieren und wurde nicht wirklich unhandlich. Am Teich guckte er, aber auch hier kein Drängeln, keine Provokation seinerseits. Ich provozierte auch rein gar nichts und so hatten wir ein paar ruhige, innige Minuten. Er machte noch ein paar schöne Spanische Schritte (mehr eine Polka-Idee, und um genau zu sein auch nur eine Polka mit dem rechten Vorderbein… Aber ich ließ ihn einfach machen. Alles war richtig) und ein schönes, ruhiges Kompliment ohne Keks.

Dieses ruhige sich-gegenseitig-Genießen wird in den nächsten Tagen und Wochen die Hauptsache.

Heute hatte ich nicht viel Zeit und nahm meine beiden Jungs nur an der Hand zum Grasen raus. Fanden beide toll, muss auch mal sein. Seele baumeln lassen!

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Mittwoch, 13.4.

Feiner, feiner Junge!! Ich hängte den Hänger an und nahm mir vor, dass dies unser bislang entspanntestes Verladen werden sollte.
Das wurde es – und noch viel mehr.
Bin immer noch geflasht!

Ich witzelte noch mit einer Einstellerin rum – sie meinte „Heute in 2 Minuten!“, ich meinte „Du stellst ja Ansprüche. Ich sag mal, erst fünf, dann zwei. Nee, zweieinhalb, er macht bestimmt wieder mathematische Spielchen“.
Verladehalfter mit Halsriemen drauf, entspannt in Richtung Hänger gegangen. Nacariño schnorchelte den einmal an und wurde etwas spanniger und größer, kam aber weiter mit, wenn auch langsamer werdend. „Komm mein Süßer, lass einen neuen Rekord aufstellen!“

Der Süße stellte die Vorderbeine auf die Rampe, lehnte sich leicht, aber spürbar an der Longe an und dachte angestrengt nach. Ich konnte fast sofort nach vorne gehen und die Longe um die Stange legen, dann guckte ich auf die Uhr. „Komm, Spatz, neuer Rekord. Zeit läuft. Eine Minute hast Du noch.“ Er überlegte noch einmal kurz – und war oben.

Ich rief völlig begeistert „Eine Minute! Beim ersten Mal!“ und lobte Nacariño noch und nöcher. Er kaute sein Brotstück, drehte seinen Kopf hin und her, aber nicht mit der Wucht wie sonst.

Er durfte wieder runter. Er ging langsam und gleichmäßig, blieb mit den Vorderbeinen auf der Rampe stehen und machte überhaupt keine Anstalten, zu ziehen. Ich bat ihn gleich wieder rauf – er war fast sofort wieder oben. Ich kriegte mich kaum ein vor Freude. Das war nach den letzten beiden Malen gefühlt ein echter Durchbruch! Das schlimmste dürfte hinter uns liegen…

Ich bat ihn wieder runter, wieder rauf, wieder runter, wieder rauf, anfangs mit breiter Wand, später mit mittig gestellter, mal ganz von der Rampe runter, mal auf der Rampe gestoppt und wieder hoch, mal weg vom Hänger und wieder hin – er zögerte nicht ein einziges Mal. Das Ganze wurde immer flüssiger, ich immer alberner, er immer fröhlicher und mutiger. Schließlich trabte ich auf dem Hof ein paar Mal an, drehte um und trabte auf den Hänger zu. Er trabte zur Rampe und fiel erst in den Schritt, als das erste Bein die Rampe berührte. Dann ging er aber zügig weiter und war oben.

Ich konnte es echt nicht fassen. Er schien zum ersten Mal Spaß daran zu bekommen. Zwischendurch setzte ich mich einfach auf die Rampe, er stand davor, wir genossen die Sonne und er holte sich diverse Streicheleinheiten ab. Der Strick wurde immer länger und war schon längst auf einer Länge, bei der er vor zwei Wochen noch weg gewesen wäre.
Er machte überhaupt keine Anstalten, wegzugehen. Er fragte jedes Mal ganz leicht am Strick an, und wenn ein leichter Widerstand kam, gab er sofort nach. Und wirkte zufrieden dabei.

Schließlich schickte ich ihn halb hoch, halb runter, ganz rauf, halb runter, ganz rauf, ganz runter – egal. Ich durfte alles bestimmen. Er ging irgendwann kaum noch runter, ich musste echt schieben. Ich sprang auf die Futtertröge und saß da oben und kraulte ihn – schockte ihn alles überhaupt nicht. Er guckte immer wieder nach hinten raus, aber nicht mehr mit dieser Heftigkeit und auch nicht mehr mit der Idee, sich umzudrehen. Er ging nie ohne Aufforderung raus, wartete immer, bis ich ihn schickte.

Und dann konnte ich ihn tatsächlich einmal alleine hochschicken. Er stand auf der Rampe, ich daneben, ich sagte „Ach komm. Geh wieder hoch.“ – und er taperte ganz in Ruhe wieder rauf. Das gelang nur ein Mal, beim nächsten Mal wollte er bitte, dass ich wieder mitkomme, aber Hammer! Dass das überhaupt geklappt hat! Ich war schon versucht, ihn rückwärts hochzuschicken, Meike meinte, demnächst piaffiert er hoch 🙂

Insgesamt dauerte das Ganze vielleicht so eine gute Stunde. Er war bestimmt 20, 30 Mal hochgegangen. Und wurde immer entspannter und eifriger und motivierter.

Das war so großartig, natürlich beließ ich es dabei und machte nichts weiter außer noch diverse Streicheleinheiten zu verteilen. Und sehr glücklich nach Hause zu fahren 🙂

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Donnerstag, 14.4.

Plan A: ein ganz ruhiger, besinnlicher Ritt ohne großen Versammlungs-Anspruch und ganz auf Losgelassenheit und Durchlässigkeit bedacht.

Und genau das bekam ich. Eine Ente schwamm im Teich, Merlin und Dón liefen mit auf dem Platz und alberten rum, und Nacariño ließ sich durch nichts aus der Ruhe bringen. Er zuckte nicht ein einziges Mal, ich konnte überall spontan die Zügel fallen lassen und er stand und streckte sich und schnaubte. Er trabte – für seine Verhältnisse – weich (dieses Pferd ist so ungeheuer schwer zu sitzen… Immer noch…), galoppierte auf beiden Händen ein paar Mal super aus dem Trab und nachher auch aus dem Schritt an, links von sich aus mit einer irrsinnigen Versammlungsbereitschaft, das war toll. Rechts war „normal“.
Und so wagte ich den Versuch eines fliegenden Wechsels von rechts nach links – Nacariño blieb wacker im Außengalopp und hatte keine Idee, was ich meinen könnte, jegliche Travers-Idee, die ihm ja zum Umspringen geholfen hätte, war in diesem Augenblick verschollen. Ich grinste vor mich hin, parierte durch und er sprang sofort links an. Das beste aber – obwohl er ja merkte, dass ich da irgendwas will, und er ja auch merkte, dass das, was er tat, nicht das Gewünschte war, regte er sich überhaupt nicht auf. Ich mich ohnehin nicht, aber sonst reicht eine Idee bei ihm ja aus, um ihn sofort auf 180 zu bringen.

Seitengänge im Trab hielt ich sehr untertourig, er bot mir rechts aber ständig Travers an. Das nahm ich so weit an und ließ ihn einfach so lange gehen, ohne das Travers zu beantworten, bis er gerade wurde. Das war meist so nach 15, 20 Metern der Fall.

Dieses Angebot von ihm brachte mich aber auf die Idee, sein Antraben im Travers rechts zu provozieren und daraus an geeigneter Stelle anzugaloppieren und die Form zu erhalten. Und ehe er sich’s versah ging er seine erste Galopptraversale nach rechts! Die war nun zwar (noch) nicht im klassischen Sinne schön und er wollte nämlich doch heiß werden, als er merkte, was er da tat, aber da war ich schon am Loben und ihn toll finden und nach einer dreiviertel Diagonalen ließ ich die Zügel fallen. Und damit hörte ich auf. Er ging noch eine total entspannte Schritt-Runde am hingegebenen Zügel um den Platz. Ich nahm noch auf dem Platz Sattel und Zäumung runter und entließ ihn in die Sonne.

Wow! Die Bitte um Ruhe und Losgelassenheit kommt an. Gefühlt kommt gerade einfach alles an, was ich von ihm möchte. Es muss erfüllbar sein und für ihn nachvollziehbar, dann versucht er es im Rahmen seiner jetzigen Möglichkeiten zu tun. Und seine Möglichkeiten (bewegungstechnisch) sind in den letzten Wochen geradezu explodiert. Er ist echt nicht wieder zu erkennen, was seine Bewegungen angeht. Das ist eben – wir kriegen den Körper nur, wenn der Geist offen ist. Im Kopf fängt er jetzt an, mitzumachen, und damit lässt er meine Wünsche automatisch durch seinen Körper. Das ist so toll…!

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Dienstag, 19.4.

Ich war vier Tage weg und als ich am Dienstag Nachmittag endlich mal wieder in den Stall kam, schrie Nacariño mir regelrecht entgegen. So süß! Er strahlte mich an und hatte wieder einen seinen Hyperaktivitätsschübe, die es ihm unmöglich machen, auch nur eine Sekunde still zu stehen. 

Das wurde prompt mit Reiten belohnt, mal wieder auf Trense. Nacariño war albern und sprang hier und da mal weg und zuckte vor sich hin, aber das nichts mehr mit dem zu tun, was es mal war. Kein Wegspringen war ernsthaft, er haute nie ab, schoss nicht davon, machte halt hier und da mal einen Satz, aber immer sofort wieder regulierbar.
Er verlor seine Spannung nicht, auch wenn er schließlich am fast hingegebenen Zügel außen herum ging, aber das war nicht mehr diese Spannung, die er gegen den Reiter einzusetzen versteht. Das war einfach jung und übermütig, und das bei Sturm und Kälte. Brisante Mischung für ein brisantes Pferd 🙂

Ich bekam eine komplette lange Seite großartigsten Linksgalopp und versuchte, dieses tolles Angaloppieren rechts zu übernehmen. Die Idee ist da, es ist spürbar, dass Nacariño versucht, in derselben Qualität anzuspringen, alleine sein Körper steht noch im Weg. Sein Kopf nicht mehr. Gefühlt tut sich gerade mit jeder Einheit etwas, was uns einander näherbringt. Seine Aufgeschlossenheit wächst rapide. So konnte ich auch etliche Runden im Trab sitzen (das geht wahrlich noch schöner, aber immerhin – es geht überhaupt!), weil er sich jetzt wirklich darum bemüht, mich in seinen Rücken reinzulassen.
Hach, da waren wieder trotz aller Albernheiten tolle Momente bei!

Nacariño freute sich so, dass ich wieder da war, er war kuschelig und suchte ständig Nähe. Was für ein Willkommensgeschenk! Ich wage ihm gar nicht zu erzählen, dass ich in Kürze eine ganze Woche weg bin…

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Mittwoch, 20.4.

Der 1. Mai rückt näher und plötzlich ist der Weiße die Nr. 1 für alles und nicht der Graue… Wer hätte das gedacht?

Und so brauche ich die nächsten Tage, um Nacariño noch auf ein paar Dinge einzustimmen, zu gucken, was wohl gehen könnte, und die Ausrüstung anzupassen, damit ich vor Ort nicht anfangen muss, hin und her zu schnallen (um dann vielleicht gar noch festzustellen, dass irgend etwas nicht passt…). Da merke ich gerade auch wieder, wie spannend es mit den Jungspunden ist, da ist so vieles noch keine Routine und vor allem die Dinge, die ich zeigen könnte, ändern sich gefühlt täglich. Ist irgendwie aber auch toll und total spannend.

Heute war dann also Arbeit an der Hand dran, ich ging das Schaubild mit ihm einmal durch, das beginnt mit einer klar festgelegten Abfolge von Seitengängen, die wir mit allen teilnehmenden Pferden in einer Abteilung vorstellen und erklären. Eine lange Seite Schulterherein, eine lange Seite Renvers, aus der Ecke kehrt, eine lange Seite Travers und schließlich eine ganze Traversale. Danach verteilen wir uns und jedes Pferd zeigt zu den dann folgenden Themen das, was es dazu eben zeigen kann. Das wären Spanischer Gruß / Schritt und Trab, Kompliment / Plié, anpiaffieren / Piaffe, Galopp an der Hand und Steigen. Einige gehen auf’s Podest, andere legen sich (vielleicht) hin – so ist dieses Bild immer sehr bunt und abwechslungsreich und man sieht, wie unterschiedlich die Ausführung der Lektionen bei den einzelnen Pferden aussehen kann und erkennt die verschiedenen Ausbildungsstufen. Also ein spannendes Schaubild zu Arbeit an der Hand, Zirzensik und Podest.

Die Seitengänge gelangen so ungeheuer leicht und sicher, dass es nur so eine Wonne war. Da kann ich getrost einen Haken dran machen.
Spanischer Schritt hochdynamisch, oft schon mal zwei Schritte hintereinander, auch wenn ich die Gerte immer wieder wegnehme, um ihn nicht zum Steigen oder Losspringen zu provozieren, aber daran dachte er gar nicht. Und so wagte ich auch Ansätze zum Spanischen Trab, und auch die gelangen mit Nacariños herrlichem Feuereifer.
Spanischer Gruß ist nix für ihn. Viel zu langweilig 🙂
Ich bekam ein schönes Kompliment, er stand aber schnell wieder auf, als kein Keks kam. Konsequent ohne, nachdem er beim letzten Mal, als ich mal wieder einen dabei hatte, sofort gierig und unkonzentriert wurde. Ich holte die Fußlonge und machte ihn damit behutsam vertraut. Verblüffend, dass er davor überhaupt keine Scheu zeigte. Er war inzwischen aber auch so bei mir und derartig zur Mitarbeit bereit, dass ich vermutlich Fackeln hätte anzünden können und Böller in die Luft jagen. Er hatte ein ganz anderes Gesicht, so langsam kommt wirklich das kindliche durch, was seinem Alter gerecht wird.

An Piaffe an der Hand ist natürlich noch nicht zu denken.
An Galopp auch noch nicht.
Obwohl…?

Ich überlegte, was die beste Art sein könnte, ihn anzupiaffieren, ohne dass er sofort in die Luft geht. Gefühlt durfte er nicht gerade sein dabei. Was ja wohl kaum der Norm entspricht. Und dann hatte eine Eingebung, die ich noch bei keinem Pferd je zuvor hatte. Ich ließ ihn im Trab nach rechts zur Bande traversieren, an der Bande angekommen behielt ich die Stellung (nun also Außenstellung) bei, verhielt für zwei Sekunden den Trab, er bekam das nicht wirklich mit, zeigte zwei erkennbar hochversammelte Tritte und stand schon, bevor er merken konnte, was er da gerade getan hatte. Ich kriegte mich kaum ein vor Freude, er war begeistert, dass ich mich über eine Traversale so freuen konnte. Hihi…
Nochmal. Nochmal? Festigen? Kaputt machen? Liegt bei ihm nur einen Hauch auseinander.
Nochmal! Gleiche Linie, gleiche Methode, noch etwas ruhiger, noch etwas vorsichtiger, er durfte jetzt auf keinen Fall merken, was ich vorhatte. Dann wär’s sofort vorbei.
Die Traversale war schön, wir kamen an der Bande an, ich machte alles wie zuvor, nur mit einer noch etwas konkreteren Vorstellung – und er piaffierte zwei Tritte am Platz. Bevor er es merken konnte, ließ ich den Zügel fallen und lobte wie verrückt.
Großartig! Das war wirklich erkennbar gewesen! Hammer! Vermutlich werde ich sehr lange bei zwei Tritten bleiben müssen und vermutlich ist das erstmal wieder für ein halbes Jahr kaputt, wenn er die Idee versteht, aber ich habe es bekommen! Ich weiß, dass es da ist! Freuen! Merken! Irgendwann mehr davon!

Steigen lasse ich ihn bis zum 1. Mai konsequent gar nicht mehr. Das wird immer gehen, die Idee darf jetzt aber gerne weitmöglichst in den Hintergrund treten.

Aber vielleicht doch so ein klitzekleiner erster Galoppsprung an der Hand…??
Hmm… Wieder die Frage, wie vorbereiten, wie zulassen, damit möglichst wenig Spannung entsteht und er es möglichst lässig umsetzen kann und sich nicht beengt fühlt…
Ich fragte mit dem Doppelschnalzer aus dem Trab an. Er fuhr sich hoch und fragte, was ich will. Ich fuhr ihn wieder runter und überlegte. Er muss mehr Raum haben.
Schließlich ließ ihm immer mehr Raum, und als ich nur noch den losen inneren Zügel in der rechten Hand hatte und links neben ihm selbst im Rhythmus sprang, und das auf gebogener Linie und mit einem immer wiederkehrenden, rhythmischen Doppelschnalzer, da sprang er tatsächlich plötzlich an und neben mir her. Drei Sprünge! Einfach so, ganz lässig, ganz entspannt! Ich ließ den Zügel los, bremste aprupt und er drehte sich sofort zu mir um. Ein Gruß von Joya…
Ich wagte es nochmal, und dieses Mal sprang er noch schneller an und sprang wieder drei, vier Sprünge mit mir mit.

Das sind so diese Momente, da kann man echt nicht aufhören. Es ist so schön, so verspielt, er schenkt mir etwas, daraus entsteht etwas Neues, ich nehme seine Angebote an, er meine – das ist wirklich irre gerade. Das war die mit Abstand tollste Arbeit an der Hand, die wir je hatten!

Und er war wieder so anhänglich, so zärtlich, er blieb frei bei mir, als ich Tanja etwas erklärte (vor kurzem noch hätte er sofort den Platz verlassen bei sich bietender Gelegenheit), schließlich stand er rum und ich entfernte mich, um Tanja mit Flamenco zu helfen, und da ging er einmal seelenruhig vom Platz und graste. Kein Abhauen, kein Flucht ergreifen, einfach so vom Platz dackeln und grasen gehen bis Mutti sich wieder kümmert.
Ich sammelte ihn wieder ein und er war sofort wieder mit Feuereifer dabei. Was für eine Motivation…! Ich ließ ihn wieder los, er legte sein Maul in meine Halsbeuge und schloss die Augen. Zu und zu schön… Was für ein wunderbarer Vormittag!

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Donnerstag, 21.4.

Da er wohl auch die „Iberischen Impressionen“ übernehmen wird, passte ich ihm mal die dafür vorgesehene Vaquero-Ausrüstung an – den Sattel hatte er schon mal getragen, nun kamen Vorderzeug, Gamaschen und eine Vaquero-Kandare hinzu, die er noch nicht „an“ hatte. Schick sah er aus, meine Güte… Ich sehe ihn ihm immer viel mehr das Barockpferd als das Vaqueropferd, bei Dón ist es genau anders rum, aber Nacariño legt sich da offenbar nicht fest. Er sah klasse aus. Davon müssen wir Samstag mal Bilder machen, wenn das (eklig angesagte!) Wetter mitspielt.

Ich hatte gar nicht so viel Lenkung mit diesem Gebiss, wie ich gerne hätte, dennoch gelang mehrfach ein traumhaftes Travers rechts und eine schöne Linkstraversale im Trab.

Eine Mitreiterin rief auf einmal „Was war das denn für ein Angaloppieren!?“ – und es war rechts. Nacariño hatte die Idee von links mitgenommen und mal alle Sperren in seinem Körper aufgehoben, und so hatte er ein Anspringen durchgelassen, das war unglaublich. Im zweiten, dritten Sprung war diese Versammlungsbereitschaft vorbei, aber er galoppierte tatsächlich mehrfach rechts so an. Versammelt, bergauf, gesetzt, ich hatte nichts in der Hand. Total toll!!

Ich holte die Garrocha dazu. Die sah er jetzt zum dritten Mal in seinem Leben und er begrüßte sie wie einen alten Bekannten, stupste sie mehrfach mit der Nase an, zu süß.
Es war ihm völlig egal, wenn die hinter ihm die Seite wechselte, ich konnte ihn im Schritt von beiden Seiten darunter durch wenden, egal ob mit dem Kopf oder mit der Kruppe, das Geräusch, wenn ich sie zog, kratzte ihn nicht, er war völlig entspannt mit der Stange.
Bloß ihm Galopp hatte ich ernstlich wenig Lenkung, da zog er doch ein paar Mal ganz lustig los. Ich bekam es nicht hin, die Garrocha auch nur einmal abzustellen und um sie herum zu galoppieren, einen so kleinen Kreis ließ Nacariño nicht zu. Wat soll’s, sein Vertrauen zu der Stange an sich war der Hammer. 
Ich sag doch, seine Angst ist nicht echt. Das ist kein Angst-Pferd. Innen drin ist das ein großes, stolzes, starkes Pferd. Und das werde ich aus ihm rauslassen. Das wird mit der Zeit (wieder) seine Grundeinstellung und seine Überzeugung. Und dann wird er strahlen…

Ich saß ab und nahm ihn noch einmal kurz an die Hand. Ich setzte die Trabtraversale an und mein schöner Weißer mit einem IQ wie Einstein las meine Idee sofort. Nix Piaffe. Denkste. Schon vor Erreichen des Hufschlages waren die Vorderbeine in der Luft. Aus der Trabtraversale, das kann bestimmt auch nicht jeder. Ich muss so höllisch aufpassen, welchen Vorstellungen ich Raum gebe! Den „Och komm. Zwei Tritte“-Gedanken ließ ich jedenfalls sofort wieder fallen, und da er geradezu auf der Lauer lag, wann ich den noch so unauffällig wieder einbringen würde, ließ ich es ganz. Wir haben genug Spielwiesen. Da war doch noch der Galopp an der Hand. Ich machte es genau wie gestern, beim ersten Mal dauerte es eine Weile (eine gute dreiviertel Runde), dann galoppierte er allerdings lässig zehn Sprünge neben mir. Ich ließ den Zügel fallen, stoppte, und er drehte sich mir sofort begeistert zu.
Mit dieser Zäumung veränderte ich jetzt nichts daran, wie ich ihn anfasste, das mache ich dann mit Trense. Ich wagte aber, den Doppelschnalzer aus dem Schritt heraus zu setzen. Nacariño machte zwei Trabtritte und sprang an! Und wieder galoppierte er einfach so neben mir her, ich durfte sogar mit der Gerte nachtreiben, und als mir die Puste ausging (was in diesem Boden leider ziemlich schnell geht), stoppte ich wieder aprupt, er machte noch einen Sprung und drehte sich dann mit einem Sprung zu mir um. Ja! Und genau das wird auch mit der Zeit ausgebaut!

Ach ja – auf dem Hänger war er auch noch. Ich trabte gleich drauf zu. Das war natürlich frech von mir und ging ihm zu schnell. Er hängte sich einmal kurz und heftig in den Strick, der aber ja wieder kein Entkommen zuließ, und dann war er oben. So schnell wie noch nie. Und wieder runter. Und wieder hoch. Und schließlich konnte ich ihn fünf, sechs Mal alleine hochschicken. Das fand er nicht gut, er kommt auch schnell wieder runter dann, aber immerhin!! Nach dem einen Test am Anfang war jedes Raufgehen flüssig.

Ach, toll. Noch so ein Vormittag für die Seele…

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Samstag, 23.4.

Was für ein wunderbarer Stall-Tag! Stundenlang bei den Pferden, Solveig war zu Besuch und wir ritten und fotografierten und genossen trotz der Kälte (!!) diesen tollen Tag.

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Wir ritten in vollem Outfit für die Iberischen Impressionen, Flamenco ging so artig mit Señorita Doris auf der Kruppe, Nacariño fühlte sich wie eine tolle (wenn auch noch sehr jugendliche) Mischung aus Vaquero- und Alta-Escuela-Pferd an.

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Nach ein paar Minuten einhändigen Reitens sah Nacariño zum vierten Mal die Garrocha.
Zu süß – wieder stupste er sie mit der Nase zwei Mal an zur Begrüßung. Angst davor hat er jedenfalls überhaupt keine (mehr), sie kam gegen die Kruppe und hier und da gegen, das kratzte ihn alles nicht.

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Ich legte die Garrocha noch einmal weg (was hier schon so professionell und abgeklärt aussieht, war über weite Strecken nicht gerade mit Servo-Lenkung ausgestattet…!) und fragte ein wenig „hohe Beine“ an. Oha. Hoch ist inzwischen wirklich sein geringstes Problem…!

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Nacariño gab sich ungeheuer viel Mühe, baute aber dazwischen auch immer wieder Albernheiten ein. Seine Bewegungsqualität ist eine völlig andere geworden, seine Motivation erst Recht. Er versucht, aus jeder meiner Bewegungen (und Atemzüge…) irgend etwas zu machen – und bringt dann noch seine eigenen mit ein. Puh.
Ich habe glaube ich noch nie auf einem derart schnell denkenden und handelnden Pferd gesessen. Liten, mein herrlicher kleiner Military-Fuchs, war ja schon verdammt schnell, und Fàscino ist ja nun wahrlich auch kein langsamer Denker, aber Nacariño?
Das ist eine ganz andere Liga… 

Ich schmiss schließlich die Zügel weg und schnalzte ihn noch an. Wir juxten fröhlich zwei Runden um den Platz und er deutete nicht einmal auch nur ansatzweise an, abzuhauen. Ich durfte treiben, ich hatte ihn vor mir, die Zügel lagen auf dem Hals und er galoppierte kraftvoll und total zufrieden und entspannt vor sich hin. In dieser Form zum ersten Mal.

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Ich sprang runter und knutschte ihn. Er knutschte zurück und war total zufrieden.

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Er war albern und motiviert und provozierte mich, weiter zu machen. Diese ungeheuerlichen Bewegungen kamen mehr von ihm als von mir, er wollte und wollte und wollte und war kaum anzuhalten. Dieser Blick! Diese leuchtenden Augen! Schmelz…

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Und so entstanden diese herrlichen Fotos…
Meine Güte. Was für Augenblicke…
Wir saßen abends vor dem Rechner und ich schnappte wiederholt nach Luft. Was für ein Pferd! Was für Möglichkeiten!

Ich muss da mal eben einen Vergleich aufstellen.
Das ist unwirklich. Das ist einfach nicht von dieser Welt.
Dazwischen liegen sieben Monate…:
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Das Bild allerdings, das mir wirklich Schnappatmung bereitete und das ich wieder und wieder angucken muss und das einen echten Blick in die Zukunft darstellt (das ist er einfach noch nicht. Auch wenn Sönke und Solveig meinten, der Moment war aber doch da. Ja, trotzdem. Das ist noch nicht echt. Aber es lässt ahnen, was da kommen wird…) ist dieses hier – natürlich das untere, aber auch das schreit nach einem Vergleich:

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Montag, 25.4.

Sonntag waren wir auf der Hansepferd, ich hatte Nacariño für nächsten Sonntag eine schöne Schabracke mitgebracht, die gut unter den Vaquerosattel passt. Der Trend geht zur Zweit-Schabracke 🙂
Eigentlich wollte ich die ausprobieren, aber meine Güte, das war ja noch kälter geworden! Der Winter ist zurück… Es stürmte und Nacariño war aufgekratzt und unternehmungslustig, hatte aber das Fell hochgestellt und war extrem berührungsempfindlich – ganz offensichtlich war ihm kalt. Mir war zum Reiten schlicht auch zu kalt und um warm zu werden (und um Alternativen für den 1. Mai auszutesten) nahm ich ihn an den Langen Zügel.

UPS…!

Wir wehten fast vom Platz. Es war unfassbar kalt. Nacariño kringelte auf dem unteren Zirkel herum, machte einen Katzenbuckel, ich war mir nicht so sicher, ob da nicht doch noch ein Hinterbein ausrutschen würde, wenn ich darauf bestand, dass er die lange Seite hochgeht, also machte ich Horse-Surfing und ließ ihn Richtung und Tempo bestimmen.
Er ging allerdings ständig aus, stand da mit Katzenbuckel, glotzte zum Teich und war Mr.-2000-Volt. Brisante Mischung. 
Und dann schoss er einmal los, das ist ja am Langen Zügel gar nicht so praktisch, er ließ sich sofort wieder einsammeln, aber diese Konstellation war momentan mal echt nicht vielversprechend. Und so wartete ich auf einen halbwegs guten Moment, in dem ich beenden konnte, und nachdem er zwanzig Meter brav gegangen war, lobte ich und nahm, einer Eingebung zufolge, den Langen Zügel an einer Seite ab und hatte so eine Longe.

Ich longiere total selten und hatte ihn gefühlt ewig nicht mehr an der Longe gesehen.
Meine Güte, ist dieses Pferd schön geworden! Was hat er sich verändert! Das wird eine ganz andere Form und erst Recht eine völlig andere Bewegungsqualität! Das habe ich so noch nie an ihm gesehen und ich konnte mich kaum satt sehen. Er war so schön!

Es tat ihm total gut, sich mal austoben zu können, und es gab etliche Momente, in denen er mir noch vor kurzer Zeit schlicht abgehauen und vom Platz gerast wäre.
Nichts dergleichen passierte, er sprang zwar ein paar Mal im Affekt gegen die Longe, blieb aber immer so denkfähig, dass er im nächsten Sprung bei mir blieb und nicht – wie „früher“ (haha) – die Flucht ergriff.

Er galoppierte etliche Runden und ließ langsam den kalten Rücken los (war ich froh, dass ich mich da nicht draufgesetzt hatte…). Er wurde immer verspielter, fing an, auf mich immer mehr zu achten, und so konnte ich plötzlich aus dem Galopp auf Pfiff anhalten und  wieder angaloppieren – er stand sofort und sprang direkt wieder an. Hammer! Auf relativ großem Kreis! Schließlich war Galopp auf einen leisen Doppelschnalzer abrufbar, daraus „Locker Trab!“, daraus wieder Galopp auf einen Hauch, daraus Stehen auf Pfiff – er hatte total Spaß daran, zuzuhören und mitzuspielen.

Ein langweiliges Pferd wird das nie. Er provoziert mich fast mehr als ich hin. Und ich provozierte ihn schon ganz schön – er sollte mal buckeln und durfte Gas geben und rumalbern. Er provoziert mich mit Blicken, Kopfschütteln und tollen Bewegungen. Dennoch waren Spannung und Entspannung nachher so leicht zu wechseln.
Dieses ganze Spiel war eine pure Wonne.

Ich ließ ihn schließlich noch an der Hand neben mir galoppieren, und das gelingt jetzt so lange, wie ich durchhalte – er würde weitermachen, aber ich gehe aus 🙂

Schließlich konnte ich ihn aus dem Schritt und auch fast aus dem Stand neben mir anspringen lassen, dann durfte ich einmal gehen und musste nicht mehr springen.

Ich wurde immer mutiger, immer dreister, er immer mehr auf mich fixiert. Und so sprang ich schließlich vor ihm seitlich weg und er sprang hinterher. Rechts, links, einmal machte er dabei einen großartigen Sprung in Art einer Vaquero-Wendung.
Fördern, fördern, fördern!

Klar fragt er dauernd, ob er steigen soll, dann versuche ich, durch meine Bewegung anzuzeigen, dass ich etwas anderes möchte, ohne auf das Steigen (oder den Wunsch) einzugehen. Und so wurde das schließlich schwächer und er lauerte viel mehr darauf, was ich denn für Ideen habe.

Joya grüßte wieder… Irgendwann wird auch Nacariño frei mit mir spielen. Er klebte an mir und genoss das gemeinsame Spiel. Entweder war es nachher gar nicht mehr so kalt oder es fühlte sich bloß einfach nicht mehr so an…?

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Mittwoch, 27.4.

Es hatte geschüttet über Nacht und der Platz stand komplett unter Wasser. Zudem war es tierisch kalt und so beschlossen wir kurzerhand, zum Möschenhof zu nehmen. Dort wollten wir ohnehin hin, um für den 1. Mai noch ein paar Dinge zu besprechen und meine Mikrofon-Anlage auszuprobieren.

Bislang war das Verladen immer schon im Kopf, wenn ich putzte. Dieses Mal nicht. Ich hängte den Hänger an und holte den bereits geputzten Nacariño. Und das wurde das beste Verladen, das wir je hatten – ich ging ruhig Richtung Hänger, er blieb direkt vor der Rampe ein paar Sekunden stehen, machte sich aber nicht wirklich fest – und war oben!
Ich lobte wie verrückt.

Im Möschenhof banden wir beide am Hänger an, Nacariño testete die Strick-Länge und als ich ihn dabei anguckte, strahlte er mich mit einem „Ich habe nichts gemacht!“-Gesicht an. Er war gut zu händeln und ohne jede Abwehr. Wir machten fertig, nahmen alles mit und gingen in die Halle.

Als erstes probierten wir das Mikro aus. Das machte na klar komische Geräusche, die Nacariño unheimlich fand, aber nicht lange. Das Knacken und Knarzen hielt er mit großen Augen und Ohren aus. Und wenn man die Stöpsel nur richtig in die Buchsen steckt, kommt da auch richtig Ton raus! Die Pferde nahmen es ziemlich gelassen und ich freute mich, dass die Ansage unserer Texte damit schon mal gesichert war.

Ich führte Nacariño noch einen Moment, weil sein kalter Rücken wieder spannig war, wenn auch nicht so schlimm wie in den letzten Tagen. Aber er reagiert schon auf die Kälte – na klar, ein Großteil des Winterfells ist ja auch weg inzwischen…

Nacariño war zum Spielen aufgelegt, machte ein paar schöne Galoppsprünge neben mir, und dann saß ich auf. Er blieb gehorsam, aber unter Spannung stehen und ging dann ebenso gehorsam, aber unter Spannung los. Ich ließ ihn sich bewegen, wie er mochte, was dazu führte, dass er sehr schnell antrabte und dann auch nicht lange mit dem ersten Galopp wartete. Da ihn das gut löst, ließ ich ihn in freier Haltung machen. Ich hatte die Vaquerozäumung drauf und ritt einhändig blank.
Das Angaloppieren war super, vor allem rechts kam ein ganz toller Sprung, und dann war die Spannung im Prinzip auch raus, der Zügel hing durch, er schnaubte und ließ sich los.
Und dann brummelte er die ganze Zeit vor sich hin, erzählte, schnaubte, ließ sich immer mehr los und mich zum Treiben kommen. Ich ließ ihn noch eine Weile in relativ freier Haltung gehen, und als ich die dann schließlich mehr bestimmen wollte, ließ er das sofort willig zu. 

Nacariño trabte und galoppierte und ließ sich wiederholt mit Flagge blind reiten, total problemlos. Er hatte da seinen Spaß. Ich lobte und legte die Flagge wieder weg, um noch ein bisschen ernsthaft (haha) zu reiten.

Seitengänge gerieten etwas durcheinander und wurden zu einem ganz witzigen Zick-Zack-Kurs, aber er rammte auf Pfiff alle Viere in den Boden und galoppierte ein paar Mal wie von Zauberhand an. Tolle Momente wechselten mal wieder mit sehr albernen, und als im Stall irgend etwas laut scheppernd gegen die Wand schlug (das war echt laut!), zuckte es in seinem Rumpf, ich spürte es am Schenkel, aber in seinen Beinen kam das Zucken gar nicht an. In seinem Kopf auch nicht. Das war ein irrer Moment, da wurde spürbar ein Reflex von Losgelassenheit überlagert.

Und ich bekam noch einen gigantischen Vertrauensbeweis.
Es gibt hier eine aus Pappkartons zusammengeklebte Aufsitztreppe. Die ist wuchtig und groß, aber natürlich total leicht. Fliegt da Sand gegen, macht das ein sehr komisches Geräusch. Flami traute sich da nicht hin. Nacariño musste also vorgehen, er hatte mich ja von dort aus aufsitzen lassen, obwohl er diesen Kasten auch etwas unheimlich fand.
Ich ritt drumrum, Flami schnorchelte, Nacariño merkte, dass ich irgendeinen Plan verfolge und schwankte zwischen einfach machen und zur anderen Seite weggehen, ging schließlich aber brav zwischen Wand und Pappkarton durch – die Stelle, die Flami als gänzlich unpassierbar empfand. Ich hielt dort an und lockte Flami an. Ich sah es nicht, aber hinter uns in der Stallgasse kam jemand mit einer Karre um die Ecke und stellte die ab. Nacariño erschrak so richtig und schoss los. Ich blieb mit dem Bügel an dem Karton hängen, nahm den mit, der polterte neben / unter Nacariños Bauch herum, Nacariño machte drei Sätze nach vorne – und stand. Der Karton lag neben ihm, er stand. Und fuhr sich direkt wieder runter. So hatte ich ihn überhaupt noch nie erlebt. Sowas cooles!
Der Schreck war völlig gerechtfertigt, aber wenn es schon nur noch für drei Sprünge reicht, während ein großer Karton unter ihm rumpoltert, dann kann uns eigentlich nicht mehr viel passieren, oder? Hammer.
Ich war echt verblüfft und brauchte einen Moment, die Situation komplett wahrzunehmen, das war so schnell gegangen. 

Flami hatte natürlich zugesehen, dass er hier weg kommt, aber ihn brachten wir mit Ruhe und Geduld schließlich auch dazu, etliche Male zwischen Karton und Wand hindurch zu gehen und schließlich dort sogar kurz stehen zu bleiben. Inzwischen hatte Nacariño den Karton als Spielzeug auserkoren (es langweilte ihn sichtlich, dass ich mich mit Flami befasste), und versuchte ständig, da entweder reinzubeißen oder draufzusteigen. Beides sollte er nicht, also machte er lauter anderen Blödsinn. Er war nur noch witzig und absolut entspannt.

Wir ritten noch eine Runde über den Hof und hörten total zufrieden auf.
Am Hänger anbinden, absatteln, verladen.
Von Nacariño kam überhaupt gar kein Widerstand, nicht mal eine Frage, er ging einfach so hoch, als wäre das die normalste Sache der Welt. Was sie ja auch sein / werden soll…

Ich ließ ein paar Quietschlaute los auf der Rückfahrt. War das toll!!
Dem 1. Mai sehe ich mit größtmöglicher Gelassenheit entgegen 🙂

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Freitag, 29.4.

Jetzt erst Recht. Also mit der Gelassenheit. Das war der Hammer heute – ich kann meine beiden Pferde komplett alleine verladen, fahren, abladen, was machen, wieder aufladen und nach Hause fahren. Unglaublich! Denn genau das habe ich heute getan.

Ich dachte, Dón kann die Halle ja ruhig auch nochmal sehen und ich könnte ja auch nochmal was mit Handpferd machen, habe ich seit Krämer nicht getan.
Und so verlud ich Nacariño, der zwei Meter vor der Rampe kurz stehen blieb und dann einfach so hochgetapert kam. Ich ging nach hinten und schloss die Stange, Nacariño kaute. Dón ging mit Strick über dem Hals alleine rauf. Wahnsinn!!

Auf dem Möschenhof band ich beide am Hänger an und machte fertig, in der Halle führte ich eine Runde und schwang mich auf Dón. Und wurde kurz auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Was war ich doch verwöhnt von Fàscino und Joya (ich sag nur CAVALLO-Interview: „Frau Scholz, wie bereiten Sie das vor…“) – mit den beiden musste ich nichts mehr vorbereiten. Oder üben. Einfach machen.
Das dachte ich mir jetzt auch so schön und fand mich auf einem ungeheuer grellen Dón wieder, der noch durch einen ungeheuer albernen, sehr zum Spielen aufgelegten Nacariño neben sich angestachelt wurde. Spanischer Schritt ging überhaupt nicht, nicht auch nur ein einziger Schritt, nicht mal aus Versehen, Nacariño robbte nur immer näher ran und fragte, ob er jetzt auf Dón Kruppe krabbeln soll. Fand der gar nicht komisch. 
Traben ging ganz gut, meinen Plan, heute den ersten gemeinsamen Galopp zu wagen, verwarf ich allerdings wieder angesichts dieser beiden Hampelmänner, Nacariño hätte vermutlich losgebuckelt oder ausgekeilt, zumindest fühlte er sich so an.
Ich musste ihn zwei Mal loslassen, er machte dauernd Quatsch, Dón konnte seinen Humor nicht immer teilen und wollte abhauen, ich halte ja immer fest bis nichts mehr geht (wie dämlich, mit Fàsci ging das ja, Dón wird dann panisch – und Nacariños Bremse funktioniert dann hervorragend).
Ich ließ mir also eine Flagge geben (ich hätte sie mir selbst genommen. Wäre ich denn an die Bande gekommen…), das hatte ich mit den beiden zusammen noch nie gemacht, was mir auch prompt bewusst wurde, also Nacariño sich zurückfallen ließ, weil er das höchst merkwürdig fand, nachtreiben ging nicht, zwei Pferde und Flagge und Gerte war zu viel, ich hatte die Gerte also weggelegt, also nahm ich die Flagge nach hinten und trieb damit einmal nach – hoppla! Nacariño sprang nach vorne, blieb dann aber weitgehend da und ich konnte die Flagge über die Köpfe schwingen, aber irgendwie hatte ich permanent einen Knoten in den Händen. Irgendwie wollte das alles nicht gehen. Also nicht so, wie ich es gewohnt war. Hmmmm…

Und damit zerbröselte unser Abschluss-Schaubild zu Staub. Das wäre „Nimm zwei“ (also Reiten mit Handpferd) gewesen. Mehrere Pferde waren ausgefallen und lötzlich blieb nur ich übrig. Fand ich ja ok, ein Solo, gerne, und zum Glück war das nun eben das „gucken wir doch noch mal kurz, was so geht“. Ich guckte und sah, dass ungefähr gar nichts ging und ließ dieses Schaubild also gedanklich mal fallen.

Nacariño langweilte sich fürchterlich. Er wurde immer alberner. Dafür war er mitgekommen?? Fand er blöd. Ich nahm nachher beide noch mit in die kleine Halle, da durfte er dann immerhin noch ein Kompliment machen, aber insgesamt fragte er sich ernsthaft, wofür dieser Ausflug nun gut war. Meine Güte, was ist der ehrgeizig geworden…

Also nach Hause – wieder beide angebunden, Sachen verstaut, Nacariño genommen, um Dón herum zur Rampe geführt – und oben war er. Ich konnte nach hinten gehen und zumachen und Dón hochgehen lassen. Vermutlich wäre Nacariño sogar alleine hochgegangen… Ich kriegte mich kaum ein vor Freude – ich denke, das Thema Verladen ist durch, wenn ich jetzt noch eine ganze Weile auf seine Reaktionen achte und gefühlt sollte ich noch nicht lange fahren. Aber dass ich mit beiden völlig alleine los kann hat mich ungeheuer gefreut – und tut es noch!!

Und so kommt Nacariño am Sonntag alleine mit und geht drei Schaubilder. Auch ganz schön, mich nicht um zwei Pferde kümmern zu müssen – und noch viel schöner, nicht zwei Schimmel möglichst weiß bekommen zu müssen 🙂

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Samstag, 30.4.

Es wurde noch etwas trockener und tatsächlich konnte ich ein bisschen waschen (was auch dringend nötig war). Nacariño war mega entspannt und kuschelig. Zu mehr reichte die Zeit heute nicht, aber nun freue ich mich wie verrückt auf morgen!