28.5. – Themen-Tag „Anlehnung, Aufrichtung, Dehnung“

Plan B – naja, C, um genau zu sein –  trat in Kraft, als Fàscino mich morgens mit einem angelaufenen Bein begrüßte. Er hätte den Anfang machen sollen um zu zeigen, wie ich mir Anlehnung, Aufrichtung und Dehnung vorstelle, aber da musste ich nun ganz schnell umdisponieren.
So fiel Querendóns Part größer aus als gedacht, denn er übernahm den ersten Teil, in dem natürlich noch am meisten Fragen gestellt wurden.
Und Fragen wurden erfreulich viele gestellt, vor allem beeindruckte erst einmal meine „Gebiss-Probierstation“, in der die Wirkung von neun Gebissen erfühlt werden konnte. Was da in den Gesichtern vorging, war sehenswert.
Und so fassten danach alle einmal Dón in’s Maul, und Gaumen und Kiefer abzutasten, denn für die Wahl der richtigen Gebisse für mein Pferd muss ich wissen, wie es im Maul aussieht! Er ließ sich das mit unglaublicher Geduld gefallen und schien es sogar zu genießen (Fàscino sagte nach dem vierten Finger im Maul „jetzt reicht’s!“).

Ihn ritt ich mit Kandare / Unterlegtrense, weil ich den Übergang vom gebrochenen zum Stangengebiss zeigen wollte und was die Trense bewirken kann und was die Kandare.
Im Stall zuvor zeigte ich die Verschnallung und erklärte, worauf ich bei ihm achte, und natürlich durfte jeder alles fühlen und anfassen.

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Zuerst ließ ich die Kandarenzügel weg und ritt auf Trense. Hierbei erklärte ich, was ich unter „begleitender Anlehnung“ verstehe und welches Pferd diese braucht und bei welchen Pferden dies nicht hilfreich wäre.

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Dón glotzte sich an Jörn fest, der auf der hinteren Weide einen Zaun zog, und so konnte ich zum Thema Anlehnung dann auch irgendwann mal deutlicher werden, als er sich denn so gar nicht rechts stellen lassen wollte, weil er dann ja nicht mehr zur Weide gucken konnte…

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Ich forderte also Rechtsstellung, um aus dieser heraus wieder vorzulassen, und so entwickelte sich wie von selbst schließlich eine schöne Grundspannung, in der sich Dón in relativer Aufrichtung an leichter Hand treiben ließ.

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Gedehnt wurde im Stand, damit der Widerrist oben bleibt, und Dón genoss seine Pausen. Ich zeigte aber auch, was die heutzutage typische „Dehnungshaltung“ bewirken kann, wobei Dón sich hier gar nicht so gehen ließ wie noch vor kurzem, seine Grundspannung hat sich tatsächlich deutlich verbessert! Dennoch – „Nase tief“ nur im Halten!

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Er machte toll mit, ich konnte auf alle Fragen mit ihm eingehen, und super vor allem zeigte er sich, als Steffi nach „schlackerndem“ und „springendem“ Zügel fragte. Ich zeigte also, woher was kommt und setzte mich dafür einmal hin wie ein Reiter, der vom Reitlehrer in eine Form gepresst wird („Hände runter! Hände zusammen!“) und mit total fester Hand sitzt (was zum springenden Zügel führen kann) …

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… und dann war ich der wackelige Anfänger, der noch völlig lose und ohne Gleichgewicht auf dem Pferd hängt und nur zusieht, dass er oben bleibt, was zum schlackernden Zügel führen kann. Dón, der, als er zu mir kam, bekanntlich keinerlei Zügelbewegungen aushalten konnte, nahm es gelassen und ließ sich davon überhaupt nicht stören.
Also, das war schon unglaublich!
Man bewunderte lachend meinen hochgezogenen Absatz, so kennt man mich nicht. Ja, ich kann auch mal anders!

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Ich ließ Dón in begleitender Anlehnung wieder weitgehend selbständig machen, und daraus entwickelte er von sich aus kleine Spannungswechsel und schließlich ein paar relativ gesetzte Galoppsprünge. In diesen konnte ich sehr schön demonstrieren, wie er sich selbst am Zügel abstößt, und damit ohne mein aktives Zutun den relativen Versammlungsgrad erhalten kann. Hierfür bekam er verdienten Applaus.

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Dóns Part wurde ziemlich lang, aber ihn störte das überhaupt nicht. Er machte mit und fand alles gut. Wunderbarer Dón…!

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Als nächstes war Navarre dran, und ich „drohte“ schon an, dass dieser Ritt vermutlich nicht werbewirksam schön aussehen würde, ich das im Moment aber hinnehme, da es sich hier um ein Pferd in der „Umschulung“ handelt, denn er hat gelernt, sich auf die Hand zu legen, in der Reiterhand das fünfte Bein zu suchen, und jegliches sich-selbst-tragen massiv in Frage zu stellen bzw. zu verweigern. Zuerst einmal bestaunte er jedoch das Publikum:

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Ich erklärte, wie ich ein Pferd, das die Hand als Stütze nimmt, nicht „von unten nach oben“ reite, sondern „von oben nach unten“. Ihn richtete ich also phasenweise nahezu absolut auf, um ihn daraus von selbst in eine relative Aufrichtung kommen zu lassen.
So suchte er die gewünschte Genickhöhe schließlich von selbst und ohne dass die Hand ihn dazu auffordern musste. Ein Heben des Genicks wurde überwiegend durch die Gerte veranlasst, was Navarre schließlich kaum eine andere Möglichkeit ließ, als sich selbst zu tragen.

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Er machte toll mit, sprang auch mal weg, zeigte brav seine ganze Brandbreite an Albernheiten, aber auch sehr gut das, was er zeigen sollte. Nämlich wie so ein Pferd in der Hand leicht wird. Ich erklärte, warum bei ihm in dieser Phase die einfach gebrochene Trense das Gebiss der Wahl ist und warum hier eine Stange völlig kontraproduktiv wäre.
Dennoch möchte ich auch ihn ja auf die Signale des Zügels am Hals vorbereiten, um auch dieses Pferd, wenn es sich denn demnächst selbst tragen kann, einhändig blank reiten zu können (was bei jedem Pferd eines meiner erklärten Ziele ist). Wie ich ihm denn in diesem Stadium diese Signale erklären könne? Die Frage war super, und damit kam es zu einer meiner typischen Spontanitäten, indem ich mitten im Trab einfach den äußeren Zügel fallen ließ und demonstrierte, wie der eine Zügel alleine nach innen und nach außen weisen kann, je nachdem, wie er gehalten wird. Das hatte ich mit Navarre noch nie gemacht – und er machte es auf beiden Händen bravourös. Das war ganz großartig!

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Er, der im Galopp noch vor einiger Zeit kaum bestimmbar und phasenweise auch nicht durchzuparieren war (zumindest nicht, ohne dass es in Bodybuilding ausartete), sollte nun versammelt anspringen. Ich blieb auf kleinem Kreis und wirkte mit dem Zügel nicht ein, außer um ihn eben auf diesem kleinen Kreis zu halten. Dann wirkte der Zügel nur für Bruchteile von Sekunden ein, nie als Zug. Ich spielte also nur mit Navarres Gleichgewicht und ließ ihn selbst herausfinden, wie der Galopp für ihn am angenehmsten zu gestalten ist. Er durfte von selbst durchparieren, das forderte ich nie, er merkte sehr schnell, dass der kleine Kreis eine Anforderung ist, die man lieber nicht zwanzig Runden durchhält.

Dadurch kam ich so zum Treiben, dass ich schließlich ganze Bahn gehen und mal richtig zulegen durfte. Er fing an zu buckeln, was sich sehr rund anfühlte (also, unangenehm rund, auch wenn es vermutlich angenehm rund aussah), aber ich belohnte dieses Buckeln, da ich ja will, dass die Pferde immer freier in ihren Bewegungen werden. Und gerade bei einem Pferd, dem ich reiterlich im Moment noch so viele Vorgaben machen muss, die ihm natürlich keinen Spaß machen, muss ich zusehen, dass er den Spaß am Gerittenwerden auf keinen Fall verliert. Er darf Reiten nicht mit Anstrengung verbinden, sonst macht er nach kurzer Zeit nicht mehr mit. Ich will aber, dass er sich auf das Reiten freut, also muss neben aller Anstrengung für ihn ein Sinn in dem zu erkennen sein, was wir da tun. Also darf er aus sich herausgehen und herumalbern und eben auch mal buckeln.

Das zahlte sich aus – ich bekam schließlich einige dermaßen versammelte Galoppsprünge, in denen er sich kolossal gut selbst trug, dass ich beim letzten Mal im dritten Sprung absprang und ihn sehr, sehr lobte.

Tatsächlich kam später als Rückmeldung der Teilnehmer, dass einige von Navarre am meisten mitnehmen konnten. Er, der schwierigste heute, hatte also einen ganz tollen Beitrag geleistet. Feiner Junge!!

Ich erzählte ein wenig zu Nacariño und konnte dabei nicht vermeiden, ins Schwärmen zu geraten – mir ist selbst manchmal noch nicht klar, wie sehr ich ihn bzw. wir beide uns lieben, es trifft mich manchmal mit ganz schöner Wucht. Er stand mit halb geschlossenen Augen dösend neben mir, hörte zu, wie ich von diesem komischen Pferd erzählte, dass er nicht kennt und dass er jawohl nie gewesen sein kann. Nö, Schatz, alles gut, ist ja auch schon sechs Monate her… 🙂

Idee war zuerst (Plan A), ihn erst beidhändig auf Trense, dann einhändig auf blanker Kandare vorzustellen. Der Unterschied ist einfach gravierend. Da ist er wirklich zwei verschiedene Pferde. Ich entschied mich gegen die Trense, einfach weil ich uns beiden dieses Gefühl nicht antun wollte. Und so ritt ich ihn direkt einhändig blank, er zeigte sich total entspannt angesichts des Publikums, an der kurzen Seite am Garten wollte er einmal zucken, weil da eine Amsel vom Ast fiel, das Zucken gelangte in ein Vorderbein, kam aber nicht im Körper an. Ich musste lachen, das ist einfach zu süß, dass er selber merkt, dass er zuckt und im selben Moment selbst beschließt, dass sich das einfach nicht lohnt. Ich erzählte daraufhin also von unserem „wenn Du zuckst, noch eine Runde“, von dem mir nicht aufgefallen war, wann ich es mangels Bedarf eingestellt hatte.

Nacariño zeigte sich von seiner besten Seite und damit das, was eigentlich Fàscino hätte zeigen sollen: wie ich mir Anlehnung und Aufrichtung bei einem „fertigen“ Pferd vorstelle. Er ließ uns einen Blick in die Zukunft werfen. Natürlich war das alles nicht Runde um Runde und Lektion für Lektion perfekt, aber er ließ wieder und wieder durchblicken, wie es mal werden wird. Er war einfach großartig. Ich hatte nur noch Herzchen in den Augen und hörte mich auf einmal sagen: „Sagt mal, was ich reiten soll. Sucht Euch was aus.“ Hallo? Das war mal ganz klar Fàscinos und Joyas Part! Aber doch nicht Nacariño!!
Doch, Nacariño.
„Traversale!“ – Ok. Erst mit Gegenwehr und Gehampel, dann in der zweiten Hälfte auf einmal an leichter Hand in Stellung und Biegung. 
„Fliegender Galoppwechsel!“ Lach… Ich erklärte, dass das tatsächlich noch nicht im Programm ist und bedauerte, dass danach bei Dón keiner gefragt hat. Ich zeigte aber, wie ich das bei Nacariño vorbereiten würde, um später daraus den ersten Wechsel entstehen zu lassen. Nacariño merkte sehr wohl, dass ich irgendeine Idee verfolge und ging mal sicherheitshalber auf Gegenwehr. Er hampelte ziemlich rum, aber die Idee wurde dennoch sichtbar.
„Spanischer Trab!“ – oh super, danke, KEIN Problem! Ohne auch nur eine einzige Steige-Idee ließ Nacariño die Beine fliegen, dass es nur so eine Wonne war.
„Eine Idee von Passage!“ – hmmm, mal sehen… Und dann kam eine lange Seite, an der ich einfach nur guckte, was möglich ist, mit der Idee von Passage, aber ich würde einfach alles hin- und annehmen, was von ihm kommen würde. Und das war einiges. Mitte der kurzen Seite erst einmal drei Umdreher, weil Nacariño wieder merkte, dass ich irgendwas im Sinn hatte, und das ist ihm überhaupt noch nicht geheuer. Einerseits wird er immer offener und traut sich immer mehr, meine Wünsche und Ideen wenigstens erstmal auszuprobieren, aber ebenfalls immer wieder haut er ab, wenn er nicht ganz sicher ist, was da kommen könnte. Nicht abhauen wie früher in Form von wegrennen, sondern nun in Form von blitzartig kehrt machen, gerne auch mal steigen und sich umdrehen dabei. Hier drehte er sich um, stieg aber nicht (also nicht so, dass ich es als solches bezeichnen würde), und so kam ich etwas später dann doch an die lange Seite und ließ lauter Ideen Raum – aus dem Schritt fragte ich am Anfang behutsam Versammlung an, er zog sich zusammen, setzte sich und senkte die Kruppe (das wird mal die Piaffe), bevor er das merkte, schickte ich ihn vor, er trabte höchst dynamisch, aber immer noch gesetzt an (das wird mal die Passage), als er merkte, wie versammelt er gerade ist, sprang er daraus los, ich ließ ihn aber nicht vom Hufschlag weg und so machte er drei unglaublich versammelte Sprünge (das wird mal Terre á Terre), daraus bat ich wieder um Trab und da kam nun gefühlt tatsächlich für drei Tritte eine Passage-Idee, die mehr fühlbar als sichtbar war (von dieser langen Seite gibt es ein Video, was mich riesig freute, mir aber auch zeigte, wie sehr versammelt er sich schon anfühlt, auch wenn er noch nicht so aussieht – dennoch, er sieht TOLL aus…). In diesen Tritten schmiss ich die Zügel weg und er blieb prompt stehen und entspannte sich. Er bekam einen hochverdienten Applaus. Was für ein Gefühl…

Sorry, dieser Satz hatte jetzt wie viele Worte? Zu viele für einen Satz, klar, aber so ähnlich fühlt es sich auch an, auf Nacariño zu sitzen – der macht auch keinen Punkt zwischendurch! 🙂

Da er nicht einmal wirklich ein Steigen angedroht hatte, durfte er das jetzt. Steigen unter dem Reiter rufe ich ja im Prinzip nie ab, ich weiß, dass ich es sofort bekommen werde, wenn ich es mal haben will. Und so war er relativ überrascht und fragte (süß!) drei Mal nach, ob er auch wirklich darf? Und dann stieg er sehr kontrolliert und bestimmbar und mit einem tollen Gehorsam.

Ich saß ab, er machte noch ein schönes Kompliment, wir galoppierten noch zusammen und fanden wie immer kaum ein Ende, weil es gemeinsam einfach Spaß macht.
Aber nun war doch mal Schluss und wir ließen die ganzen Wallache zusammen auf die Weide. Die Gruppe vertrug sich gut und wir sahen zu, genossen in netter Runde die Sonne und ließen den schönen Tag ausklingen. Ich fragte, was die einzelnen so für sich mitnehmen von dem Tag und die witzigste Antwort war ganz klar: „Sonnenbrand!“

Vielen Dank den Teilnehmern für den schönen Tag und ganz ganz vielen Dank natürlich den tollen Pferden! Bis zum nächsten Mal!

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