24.7. – Breitensportturnier Eutin

2016

Ich war so gespannt…
Endlich war ich mal wieder aufgeregt – mit beiden Pferden los, eine recht lange Fahrt, ein Turnierplatz, von dem ich weiß, dass er ungeheure Anforderungen an die Pferde stellt, weil es ungeheuer viel zu gucken gibt, da rennen Unmengen Ponys rum, auf drei Plätzen finden Prüfungen statt, vom großen Prüfungsplatz sehen die Pferde meist die anderen Pferde nicht mehr gut – und und und…

Gefühlt war es für beide das erste „richtige“ Turnier – klar war das für Dón ja eigentlich Heist gewesen, aber hier nun war es Kür und Offene Kür unter den Augen fremder Richter in unbekannter Umgebung. Seit 15 Jahren nehme ich an diesem Turnier teil, mit wenigen Unterbrechungen war ich immer dabei. Im Rahmen der Non-Stop-Show haben wir hier einige Schaubilder gezeigt. Fàscino war der erste, mit dem ich hingefahren bin, Negócio ging hier sein erstes Turnier (da hatte ich ihn gerade eine Woche…), später startete ich mit Merlin und hocherfolgreich mit Joya hier. Mir ist der Platz also sehr vertraut, aber es war extrem spannend, hier nun so wirklich den „Generationswechsel“ zu vollziehen.

Und das gelang. Auf voller Linie. Meine Güte…!!

Zum ersten Mal war eine Halsring-Kür ausgeschrieben. Fand ich toll, nannte ich natürlich, aber ich ahnte schon, dass dies die erste Prüfung sein würde. Und so war es auch, schade. Aus diesem Grund ließ ich diese Prüfung weg, da ich hier nicht die erste Prüfung mit so wenig Einfluss reiten wollte 🙂

Ich hatte beide noch in der Kür und in der Offenen Kür der Reitweisen genannt. Die Kür war wie immer mit 2 Schwierigkeitsgraden ausgeschrieben, zum ersten Mal jedoch tauchte sie als nur eine Prüfung in der Zeiteinteilung auf. Da Nacariño sich kurz zuvor so extrem positiv machte, fragte ich an, ob ich dasselbe Pferd ein beiden Schwierigkeitsgraden reiten durfte. Durfte ich. War dann aber ja hinfällig, als ich die Zeiteinteilung sah. Wie schön, das nahm mir die Entscheidung ab, im Vorwege hatte ich nie gekannte Probleme mit der Musik gehabt, die nie passen wollte, zudem strich auch noch mein CD-Brenner die Segel.
Das ist wirklich übel, da muss eine Alternative gefunden werden. Für Eutin fand ich die, aber es wurde ungeahnt stressig. So nahm ich schließlich dieselbe Musik für beide Pferde und im Prinzip auch dieselbe Kür, in der ich nur minimal die Linienführung variierte. 
Sowas habe ich auch noch nie gemacht…

Für die Offene Kür ergab sich dann tatsächlich genau dasselbe. Kurz vor dem Turnier bot Gerda Blochwitz mir an, meine Küren mit Kastagnetten zu begleiten. Ich war natürlich schwerst begeistert und freute mich total darauf. Sie schickte mir zwei CD’s mit je 2 Titeln. Die ersten beiden fand ich sehr passend, die anderen beiden nicht so, so dass ich auch hier plante, mit beiden Pferden mit Garrocha zu beginnen und für den 2. Titel die Flagge in die Hand zu nehmen. Beide Titel wurden von der 11jährigen Malou und Gerda mit Kastagnetten begleitet. Mal ganz was Neues – spannend! Wie meine Pferde wohl auf Kastagnetten reagieren würden?

Ein Haufen Lederzeug war geputzt, ich hatte noch ein für Dón ein Campo-Tuch genäht, wofür ja noch Stoff gekauft werden wollte, wieder mal so eine Spontan-Idee kurz vorher, sowas habe ich ja gerne… Gefühlt drehte sich die Woche vor dem Turnier um nichts anderes mehr, was aber auch bestimmt mit dieser wieder und wieder nicht passenden Musik zusammenhing. Das war echt nervig!

Aber schließlich war es Samstag, alles war fertig und sauber, die Pferde waren gewaschen und sahen zu schön aus, das Auto war gepackt, die Kürmusik hatte ich in- und auswendig gelernt, um im Viereck entscheiden zu können, in welche Richtung ich den Galopp beenden wollte. Ein Gefühl für die Musik der Offenen Kür bekam ich nur am Rande, dazu reiten konnte ich nicht, weil die CD ständig hakte. Pfffff, wird schon…

Und es wurde! 🙂

Das erste Highlight des Tages war ein selbständig auf den Hänger gehender Nacariño, ich konnte unten bleiben und hinter ihm zumachen. Großartig!!

Die Fahrt wurde dann leider viel länger als geplant. Hinter Bad Segeberg sollte es eine Straßensperre mit Umleitung geben. Die Straßensperre gab es – die Umleitung nicht so richtig. Irgendwann schoss mir durch den Kopf, dass gar nicht klar war, wo diese Umleitung enden sollte – bestimmt nicht in Eutin!! Eher Puttgarden oder Scharbeutz… Hilfe!! Ich fuhr also kreuz und quer durch die schöne Holsteinische Schweiz (wirklich schön!), aber sowas auf Nacariños erster langer Fahrt, das passte mir natürlich überhaupt nicht. Aber eine Wahl hatten wir nicht – nach etwas mehr als 2 Stunden waren wir endlich da… 

Die Pferde mussten noch kurz warten, die mümmelten Heu und hatten die Fahrt gut überstanden. Ich gab die Musik ab und sah die Startfolge – von 10 Nennungen waren 6 Reiter übrig geblieben, ich ließ Dón an erste Stelle setzen, weil ich so hoffte, eine Runde mehr um das Viereck herum reiten zu können. Ich nahm an, dass er es nötiger hat, sich mit der Atmosphäre zu akklimatisieren.

Danach machte ich beide gleichzeitig fertig, sie ließen sich am Hänger anbinden und waren völlig unkompliziert. Vor allem überraschte mich Nacariño, der war sowas von cool!
Dón schoss panisch los und hängte sich in den Strick, als ein Hänger hinter ihm lang fuhr. Das machte er auch bei den nächsten 3 Hängern, da musste ich jedes Mal an seinen Kopf, er bekam echt Angst. Dazwischen schaffte er es noch, mit dem Nasenriemen des Halfters unter dem Griff hängenzubleiben und sich den Nasenriemen über das Maul zu ziehen. Er war auf jeden Fall deutlich überdrehter und mehr in Bewegung als Nacariño, der den ersten fünf Ponys noch begeistert hinterher guckte, dann ließ das Interesse nach. Und das blieb auch so – er guckte auch später die ganzen Ponys kaum an. Ein Glück!

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Plan war, zuerst Nacariño abzureiten, damit ihn niemand an der Hand haben musste. Ich wusste einfach nicht, wie er reagieren würde und traute ihm eine Menge Blödsinn zu, so dass ich es für sicherer hielt, ihn erst einmal unter dem Sattel zu haben. Und so nahmen wir Dón an der Hand mit, ich saß auf Nacariño und am Abreiteplatz probten wir sofort, ob man die beiden trennen kann. Kann man! Nic spazierte mit Dón davon, beide Pferde blieben ruhig. Klar wieherten sie sich mal zu, aber wir konnten sie immer wieder trennen. Das ist schon großartig und kann nur hoffen, dass das so bleibt!

Nacariño benahm sich auf dem Abreiteplatz schlicht vorbildlich. Er ging wie zu Hause. So gehorsam, so freundlich, so zufrieden und leicht – Hammer! Da haute er mich ja schon vom Hocker.

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Es hieß erst, wir hätten Verzug. Das glaubte ich, ist für Eutin schließlich nicht ungewöhnlich. Stimmte bloß nicht. Die Kür begann super pünktlich, Dón war erstes Pferd, ich saß allerdings noch auf dem falschen. Ach Du Sch…!!! Jetzt aber mal ganz schnell!!
Runter von Nacariño, rauf auf Dón, Jacke an, leider Gottes rauf auf den Platz, ohne dass Dón den Abreiteplatz auch nur einmal umrundet hätte – von dem sah er nichts. Ich ritt direkt im Schritt um das Prüfungsviereck herum und versuchte, Zeit zu schinden. Einen kleinen Trab konnte ich ja noch einlegen, ohne dass es auffiel, aber Dón würde die Kür wohl gehen müssen, ohne vorher galoppiert zu sein. Na super. Kaltstart.
Gut, bei dem Wetter von Kaltstart zu reden, ist natürlich auch irgendwie Quatsch, also sagen wir mal: unvorbereitet.

Egal, zu spät, machen wir das Beste draus. Dón ging mit Kulleraugen außen herum, ich lobte, sabbelte mit ihm, fing an, mich wohl zu fühlen, seine Anspannung ließ nach.
Richter Thieß Witt stellte mich ein bisschen vor und ich war froh um alles, was er erzählte, während ich unauffällig nochmal links rum und nochmal rechts rum ritt und hier und da ein bisschen trabte. Gut, muss so gehen jetzt!

Ich sollte / durfte / musste beginnen. Ich wurde noch vorgewarnt: „Wenn die Musik ausfällt, reit einfach weiter! Das klappt heute nicht so…“ Sorry, aber das klappte die letzten Jahre auch immer wieder mal „nicht so“. Ich hatte immer Glück, aber wie ärgerlich ist das denn!! Ich hoffte so sehr, dass meine Musik laufen würde, denn die war nun wirklich schön – und hatte mich so viel Arbeit und Nerven gekostet!!
Dóns Kür:

B – X – von der rechten Hand einreiten über halbe Volte im Schritt
X – Halt, Gruß
X – E – Schritt, halbe Volte links
E – F – halbe Diagonale
A – Trab
A – C – Schlangenlinie, 4 Bogen
E – X – B – doppelte halbe Volte
B – F – Schulterherein
K – X – M – durch die ganze Bahn wechseln
vor X Volte rechts
nach X Volte links
E – Mittelzirkel, nach Musik Galopp
2 Mittelzirkel, bei der 2. Runde zwischen E und B Volte
E – ganze Bahn, Trab
A – C – Schlangenlinie auf der Mittellinie, 4 Bogen
C – rechte Hand, nach Musik Galopp (ca. M)
B – E – Mittelzirkel, 1 1/2 x herum
bei der 2. Runde zwischen B und E Volte
E ganze Bahn, nach Musik Trab (ca. H)
M – E – durch die halbe Bahn wechseln, Trabverstärkung bis K
F – halbe Traversale
ca. G – nach Musik Halt und Gruß

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Dón ging aufmerksam, freudig, willig, ungeheur gehorsam, trotz Kulleraugen. Er zuckte anfangs ein wenig, wurde im Verlauf der Prüfung aber immer rittiger und ruhiger. Die Übergänge passten wie die Faust auf’s Auge in die Musik (die nicht ausfiel), es machte einfach pur Spaß, zu reiten und ich grinste über beide Ohren vor mich hin. Er machte seine Sache so gut, wie er nur konnte, fühlte sich leichtfüßig und elegant an.
War das schön!!

Ich strahlte und Dón verließ total entspannt das Viereck. Jetzt zeigte sich der große Vorteil meiner Reiterei, die nicht in irgendwelche Phasen unterteilt wird wie Lösungs- und Arbeitsphase – das ergibt sich natürlich, aber es fließt immer ineinander über. Und so empfand Dón den Ritt hier im Viereck einfach wie einen ganz normalen Ritt und hat die Genauigkeit der Kür nicht als Druck empfunden. Zudem machte sich mein Auswendiglernen der Musik bezahlt – die war gar nicht immer so gut zu hören, wie ich gehofft hatte, aber immer noch gut genug, dass ich die Übergänge für Dón lange und weich genug vorbereiten konnte, so dass die wirklich alle direkt in die Musikübergänge passten. Das Gefühl war einfach nur toll. Ein einziges Ineinanderfließen von Musik und Bewegung und Übergängen. Das, was ich an einer gelungenen Kür so liebe!

Ich knutschte Dón, tauschte Jacke, Dreispitz, Gerte und das Pferd 🙂

Nacariño kam nun nochmal in den Genuss von einigen Runden auf dem Abreiteplatz, die er gar nicht zu brauchen meinte. Er war gelassen und fühlte sich wohl. Er stand in der Sonne (die, wie man das so kennt von Eutin, ziemlich gnadenlos brannte, aber es ging eine leichte Brise und – warum auch immer – es waren so gut wie keine Bremsen unterwegs! Gefühlt war dies das zweitbeste Wetter, das ich hier je erlebt habe). Wir hatten etwas Zeit.

Als unsere Kür dann starten sollte wurde er doch aufgeregt,  als er nun zum ersten Mal um das Viereck herum ging. Die Augen wurden immer größer, er wurde immer zögerlicher. Ich versuchte auch mit ihm, ein wenig Zeit zu schinden, und so konnte ich zwei, drei Runden in Ruhe außen herum reiten und Nacariño entspannte sich wieder ein wenig.

Er ging dann leider mit vielen kleinen Taktunsicherheiten, so als wolle er im Trab immer wieder anspringen. Im Galopp schlug er ein paar Mal mit dem Kopf – nicht doll, aber doch sichtbar. Er war im Viereck viel aufgeregter und angespannter als draußen. Und so gelangen die Übergänge mit ihm auch nicht ganz so schön zur Musik wie bei Dón. Ich konnte aber dennoch die Schlusstraversale einhändig reiten, das war klasse. Insgesamt war Nacariño die Kür sehr gehorsam gegangen, aber eben mit vielen kleinen Unsicherheiten. Wichtiger war mir jedoch, dass er am Ende entspannter war als am Anfang und das Viereck am hingegebenen Zügel gelassenen Schrittes verließ. Für das erste Mal in einem solchen Viereck hatte er seine Sache wirklich gut gemacht!

Nacariños Kür:

E – X – von der linken Hand einreiten über halbe Volte im Schritt
X – Halt, Gruß
X – B – Schritt, halbe Volte rechts
B -K – halbe Diagonale
A – Trab
A – C – Schlangenlinie, 4 Bogen
M – B – Schulterherein rechts
B – X – E – doppelte halbe Volte
E – K – Schulterherein links
F – X – halbe Traversale links
X – Volte links, Volte rechts
X – M – halbe Traversale rechs
E – Mittelzirkel, nach Musik Galopp
2 Mittelzirkel, bei der 2. Runde zwischen E und B Volte
E – ganze Bahn, Trab
A – C – Schlangenlinie auf der Mittellinie, 4 Bogen
C – rechte Hand
zw. M und B – nach Musik Galopp
B – E – Mittelzirkel, 1 1/2 x herum
bei der 2. Runde zwischen B und E Volte
E – ganze Bahn, nach Musik Trab (ca. H)
M – X – K – durch die ganze Bahn wechseln, Trabverstärkung
F – halbe Traversale (einhändig)
ca. G – nach Musik Halt und Gruß

Da bei ihm ein paar mehr Seitengänge zu sehen waren, ordneten die Richter ihn dem Schwierigkeitsgrad B zu. Ich hatte aber keinen Außengalopp gezeigt und ja nun die Kür des leichteren Schwierigkeitsgrades geritten. Von den 6 Startern hatten offenbar 2 die schwerere und 4 die leichtere Variante gewählt. Bei den Richtern war aber nicht klar, wer was genannt hatte, so dass sie die Reiter vorher fragten. Also bei Dón hatten sie mich zumindest gefragt, bei Nacariño aber nicht. Die Siegerehrung geriet dann auch ein wenig durcheinander. Das bekam ich erst gar nicht so mit, ich war noch viel zu überrascht und freute mich wie verrückt, denn tatsächlich hatte Dón den leichten Schwierigkeitsgrad gewonnen!! Mir entfuhr irgendein komisches Geräusch, als er aufgerufen wurde 🙂

Nacariño wurde dann tatsächlich Zweiter im Schwierigkeitsgrad B (2. von 3 also), ich stellte allerdings richtig, dass das so nicht gemeint war, und so war er Zweiter im Schwierigkeitsgrad A. Meine beiden waren Erster und Zweiter!!

Schwierigkeitsgrad A:
1. Querendón – 118 Punkte
2. Nacariño – 117 Punkte (Huch?? So knapp??)
3. Yvonne – Lukas – 102 Punkte
4. Yvonne – Starlight Sony – 93 Punkte

Die Siegerehrung fand für mich natürlich mit Handpferd statt! Und Nacariño galoppierte sowas von lässig neben Dón her… Vorher allerdings saß ich ja wieder um auf Dón, der in dem Moment, als ich hochsprang, einen Schritt zurück ging, dabei den Kopf hochriss und mir so fürchterlich gegen das Gesicht schlug, dass ich erstmal Sterne sah und nur rief „Wo ist meine Brille“ – denn die musste ja nun nicht gerade kaputt gehen hier, er hatte sie mir aber aus dem Gesicht geschlagen. Nicht ganz, ich fand sie auf halb Acht hängend. Meine ganze linke Gesichtshälfte hatte aber so richtig einen Schlag abgekriegt. Alter Schwede!
Julias Mann flitzte los und kam mit einem nassen Taschentuch wieder, wie lieb! Und ich drückte mir die nicht wirklich kalte, aber immerhin etwas kühle Cola-Flasche von Denise ans Jochbein – und einen Schluck daraus trinken durfte ich auch.
Es tat eine Weile echt weh und die Haut im Mund war an einigen Stellen kaputt.
Pffff, was uns nicht umbringt…

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Ein bisschen schade ist die Schrift im Protokoll – ich kann ungefähr nichts entziffern. Die Noten allerdings sind gut lesbar und hier gab es bei beiden Pferden eine sagenhafte 10 (!) für „Herausgebrachtsein des Reiters“ und „Herausgebrachtsein des Pferdes“, eine 8 für die Choreographie, bei Dón eine 8 für den Einklang von Musik und Bewegung, bei Nacariño eine 7.
Mein Sitz wurde bei Dón mit einer 7,5 (hier saß ich oft mit meinem typischen entlastenden Rundrücken…), bei Nacariño mit einer 8,5 benotet, was mich echt zum Lachen brachte – ausgerechnet das Pferd, das kaum zu sitzen ist, was mir aber ehrlich gesagt in der Kür entfallen war. So gut war er glaube ich noch nie zu sitzen! Das las ich aber erst viel später.

Auf dem Weg zurück zum Hänger erschrak Dón fürchterlich vor einer Frau mit aufgespanntem blauen Schirm. Er trat ohne Vorwarnung die Flucht an, machte auf dem Absatz kehrt und ich sah ihn vor meinem geistigen Auge nur in die ganzen leicht bis gar nicht bekleideten Beine derer treten, die hinter ihm gingen. Er schoss einfach blind in die Gegenrichtung los. Ich bekam ihn schnell zu fassen und verblüffenderweise war niemandem etwas passiert. Die Frau hatte nach der Frage „War das der Schirm?“ selbigen zugemacht. Mein typisches Situationen-nutzen-! kam wieder durch und ich hörte mich sagen „Spannen Sie den nochmal auf bitte?“, worauf sie ein großartiges Gesicht machte. Was für eine Mimik. So kann man auch eine Mischung aus „Habe ich mich verhört?“ und „Spinnt die?“ ausdrücken!
Ich vergewisserte mich, dass keiner zu nah an Dón dran stand und dann musste er an den Schirm ran. Tat er auch, wenn auch mit sichtbaren Zweifeln. Ich bat die Frau, den Schirm ganz behutsam zu bewegen – tja, und da zeigen sich dann schon Unterschiede zwischen Pferdeleuten und Nicht-Pferdeleuten, sie beobachtete keineswegs Dóns Reaktion, um dann vielleicht ihre zu verändern, sie gehorchte brav und schwenkte den Schirm. Dón wollte den Rückzug antreten, ich blaffte ihn an, er blieb da, sah sich das an, und dann konnte er auch entspannt dran vorbei gehen. 
Hallo! Flagge über’m Kopf im Galopp aber vor einem Schirm abhauen!!!???
Übungsbedarf wird deutlich: fahrende Hänger, aufgespannte Schirme… 🙂

Erst einmal hatten wir ein wenig Pause, ich nahm die Sättel ab, bürstete noch einmal über, zog mich (ein bisschen) um, wir quatschten und tranken etwas und aßen Melone („Wie spät ist es?“ – „Viertel nach Melone!“). Schließlich machte ich für die Offene Kür fertig und merkte nun schon, wie mir das Wetter zusetzte – ich war phasenweise einem Gedächtsnisverlust nahe. Obwohl, muss nicht das Wetter gewesen sein. Kann auch am Alter liegen 🙂

Hier war die Anzahl der Teilnehmer nun von 9 Nennungen auf 4 Starter zusammengeschrumpft. Dón war erster, Nacariño letzter Starter. Gerda hatte meine Jungs am Hänger mit dem Geräusch der Kastagnetten vertraut gemacht – kratzte beide nicht.
Also hier nicht.

Ich ließ Dón vor der Prüfung noch einmal die Flagge sehen – und das war auch gut so, die leichte Brise brachte die gut zum Knattern und Dón wurde ganz schön frisch. Er beruhigte sich jedoch und betrat ganz cool die Bahn, als die Prüfung losging.

Das legte sich aber leider – die Musik stimmte nicht, wir durften neu anfangen, und als neben Dón die Kastagnetten losgingen, erschrak er und wollte davon. Bei dem Versuch, an Gerda und Malou näher heran zu reiten, scheute er und kam gegen die Garrocha. Nun mochte er nicht mehr unter der Stange drehen, das machte er dann aber kurz danach wieder brav, er war aber unter Strom und wollte nicht in die Nähe der beiden, die sich auch noch ein wenig bewegten. Ich musste ziemlich viel Abstand halten und das Bild geriet ein wenig aus den Fugen. An der Garrocha selbst war Dón nachher ganz gut, aber er behielt Gerda und Malou wachsam und unsicher im Auge. Er gab ein paar Mal ganz schön Gas und ich hatte keine rechte Lenkung mehr.

Schließlich kam der Musikwechsel und damit der Wechsel von der Garrocha zur Flagge. Das geriet nun auch ein wenig durcheinander, irgendwann lief aber die richtige Musik und es ging weiter. Mit der Flagge war Dón nun auch relativ scheu, auf der rechten Hand kam ich kaum noch um eine Kurve, links ging es noch, aber Dón mochte auf keinen Fall mehr in die Nähe von Gerda und Malou und war hektisch und unkonzentriert. Ich sah zu, dass ich das Beste aus der Situation machte, konnte im Trab und Galopp die Flagge über den Kopf legen, das ging so weit ganz gut, auch wenn die Brise immer wieder an der Flagge rumzog.

Hmm, so richtig schön war das alles nicht, aber ich zog es durch in der Hoffnung, dass Dón ruhiger werden würde. Und plötzlich rief jemand im Publikum „Super!“ und klatschte, es gab ohnehin mehrfach Szenenapplaus, auf Flagge über dem Pferdekopf reagieren die Leute echt wie auf grüne Männchen.

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Dón konnte am hingegebenen Zügel das Viereck verlassen, aber wirklich entspannt war er leider nicht. Das tat mir Leid, ich hätte ihm ein besseres Gefühl gewünscht, aber das war nun so schnell nicht mehr herstellbar.

Jacke und Pferd tauschen, Gerda und Malou flitzten los und zogen sich um – sie hatten ihre Kleider farblich auf meine Flaggen abgestimmt. Großartig!!

Und dann kam Mr. Cool. Nacariño, der sich abgesehen davon, dass er ein paar Mal direkt neben Nics Ohr seine hysterischen Wieherer abgefeuert hatte, absolut vorbildlich benommen hatte, war frisch und fröhlich und hatte sichtlich Lust, wieder etwas zu tun.
Ich galoppierte auf dem Abreiteplatz noch einmal an, er fühlte sich so unglaublich gut an, ich hatte die Hand am Widerrist abgelegt und einen Knoten in die Zügel gemacht, nachdem Dón es mir eben ohne Knoten ziemlich schwer gemacht hatte.
Dieser Knoten hing auf einmal in einer Welle des Zopfes und Nacariño galoppierte einfach so brav weiter. Und dann machte ich mal wieder so ein echtes Corinna-Ding: ich ließ den Zügel da liegen und galoppierte freihändig auf dem Zirkel weiter. Nacariño blieb brav auf dem Zirkel. Ich parierte durch und lobte ihn wie verrückt. Wenn er sich auch nur ansatzweise so cool im Viereck zeigen würde, dann könnte ich doch…?

Ich konnte. Nacariño war der Hammer. Er war total entspannt, sowohl mit der Garrocha wie auch mit der Flagge, ich konnte ihn unter der Garrocha hin und her wenden und er ging auch problemlos ganz nah an Gerda und Malou heran. Er galoppierte gut an der Garrocha und jetzt fehlten mir echt die fliegenden Wechsel, die hätte ich hier gerne für den einen oder anderen Handwechsel gehabt. Hatte ich aber nicht. So wechselte ich ein paar Mal über Trab, was eigentlich hätte Schritt sein sollen – naja. Passiert. Aber Nacariño war und blieb lässig und rittig und vertrauensvoll, und so wedelte ich – nach einem viel besser passenden Musikübergang – mit der Flagge hin und her, legte sich ihm wiederholt über den Kopf, was das Publikum wieder echt abgehen ließ (80 % haben bestimmt wieder gesagt „Das könnte ich mit meinem nicht machen!!“), und schließlich legte ich die Zügel auf den Hals und ritt etliche Zirkel freihändig. Das war einfach unglaublich. Ich war total begeistert, lachte, strahlte, spielte mit den Möglichkeiten. Nacariño galoppierte total zufrieden vor sich hin. Unfassbar!!

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Ich grinste nur noch. Der Schlussgruß passte zur Musik, insgesamt war diese Vorstellung viel, viel besser gewesen als die mit Dón. Schön, dass sie sich abwechseln 🙂

Ich hatte das Gefühl, dass das verdammt gut gewesen war. Und vermutlich auch ziemlich gut ausgesehen hatte. Ich wagte kaum, auf einen weiteren Sieg zu hoffen – immerhin war Ulrike mit Koekoeksblom da mit ihrer tollen Zirzensik, die Teilnehmerin mit Halsring hatte ich nicht gesehen (Ulrike leider auch nicht), aber sie hatte offenbar Sprünge und andere Hindernisse in der Bahn, also auch sie hatte wohl einiges gezeigt.
Mit Joya hatte ich diese Prüfung vier Mal gewonnen. Ich wusste, dass Thieß Garrocha mag, aber da saß ja noch ein 2. Richter, den kannte ich nicht, und der hat offenbar auch das Protokoll diktiert, was jetzt ein wenig besser lesbar war, allerdings war hier nur von der „Stange“ (in Anführungszeichen) die Rede, also das fand ich ja schon schräg. Breitensport richten, aber nicht wissen, was eine Garrocha ist. Na Glückwunsch.

Dennoch – es passierte tatsächlich!! Nacariño gewann die Offene Kür!!
1. Nacariño – 113 Punkte
2. Ulrike – Koekoeksblom (Zirzensik) – 110 Punkte
3. Isabel – Pünktchen (Halsring) – 98 Punkte
4. Querendón – 82 Punkte

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Jeder meiner großartigen Jungs hatte eine Prüfung gewonnen…
Bei zwei Prüfungen ein großartiger Schnitt 🙂
Jeder hatte einen Pokal bekommen, Nacariño sogar zwei – die ersten „richtigen“, denn Dóns Ehrenpreis aus Heist war ja kein Pokal in dem Sinne, also zumindest keiner, aus dem man trinken könnte. Das hätten wir im Stall gerne getan, aber ich musste feststellen, dass die Deckel verklebt waren! Das hatte ich ja nun auch noch nie erlebt. Mit Tesafilm festgeklebt, ja, ist total blöd, weil es Spuren hinterlässt, aber ganz festgeklebt?? Nix war mit aus-den-Premieren-Pokalen-trinken…

Zwei Medaillen gab es auch noch, die allerdings hängte ich Gerda und Malou als Dankeschön und Erinnerung an unsere ersten – hoffentlich aber nicht letzten – Auftritte um den Hals.

Ich war so stolz auf die beiden!! Wir machten in Ruhe alles fertig, und dann wollte ich verladen und die beiden noch einen Moment Heu mümmeln lassen, während wir noch ein Eis essen gingen und die Protokolle holten. Sie mussten ja auch lernen, dass man mal ein wenig da oben wartet. Dafür musste Nacariño aber ja erst noch einmal raufgehen.

Er zog nicht zurück, mauerte sich auch nicht ein, ging aber natürlich auch nicht von alleine hoch, das hatte ich allerdings auch nicht erwartet. Ich ging hoch, machte sanften Zug, Nic ging schließlich an ihn ran, schubste einmal kurz – und oben war er. Guuuuuter Junge!!!!
Dón ging wieder brav mit Strick über dem Hals von selbst rauf, wir ließen die Rampe noch unten und die Tür vorne offen, damit es ein wenig durchziehen konnte.

Viel Sitzfleisch hatte ich nicht, ich wollte die Jungs nach Hause bringen. Auch die Rückfahrt war deutlich länger als gedacht, da wir uns in den Ostsee-Rückreise-Verkehr stellten und damit einige Kilometer Stau hinter uns bringen mussten. Mir taten die Pferde Leid, ich wollte sie nach diesem tollen Tag jetzt zu Hause haben!

Nach wieder etwas mehr als 2 Stunden kamen wir da aber ja schließlich auch an. Die Jungs durften nochmal auf die Weide, ich räumte noch ein bisschen was hin und her und rief die beiden schließlich. Und das war dann so richtig was für’s Herz: die beiden standen da hinten, hundert Meter entfernt, im untergehenden Sonnenlicht, zu schön, und als ich rief flogen die Köpfe hoch und dann kamen sie beide aber angedonnert!
Ich stand da vorne, sie galoppierten auf mich zu, ich hob ein bisschen die Arme und pfiff leise und sie parierten vor mir durch, ohne mich zu berühren. Sie strahlten mich an, ich strahlte zurück. Wie toll war das denn!

Als Dank gab es eine Wurmkur (sorry!!!!), sie nörgelten kurz, konnten aber eine Minute später schon wieder fressen. Und dann fuhr auch ich nach Hause. Was für ein Tag!!
Bis nächstes Jahr!!

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