Liten svensk

in meinem Besitz vom 5. Juli 1996 bis 17. Mai 2002

* 20.2.1982
 17.5.2002
Schwedisches Warmblut
Fuchs
Wallach
Stm. 1,57 m
Vater: Ceylon v. Jovial (Boheme) a.d. Judit v. Jago
Mutter: Dolindra v. Dolomit (Drabant) a.d. Indra v. Sweet Mahrhu xx

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Was für ein Pferd…

Ich suchte Anfang 1996 nach einem Military-Pferd, das mich über das richtig dicke Holz tragen sollte, bevor ich den sehr „grünen“ Fàscino (damals gerade vierjährig) da rüberschickte.
Durch eine Anzeige stieß ich auf den vierzehnjährigen schwedischen Warmblüter „Ceydox“, der in der Nähe meiner Arbeitsstelle stand, so dass ich eine Woche lang jeden Tag hinfuhr. Der richtige Funke sprang nicht über, er wirkte distanziert und war wahrlich nicht einfach zu reiten – etwas fest, sehr heftig am Sprung, aber offenbar mit dem unbedingten Willen, hinten anzukommen. Und so etwas suchte ich ja nun. Ein bisschen schreckten mich die sehr kleine Größe und der recht hohe Preis ab. Umgekehrt hätte ich gut gefunden…
Ich haderte und grübelte und überlegte und probierte ihn in diversen Situationen aus und wachte schließlich morgens auf und der erste Gedanke „und wenn er nun verkauft ist…?“ ließ mich zum Hörer greifen und ihn kaufen.

L-Springen Beedenbostel 1999

Und so kam dieser unglaubliche Kämpfer zu mir, nachts um zwei bereit, sich für seinen Reiter den Ar… aufzureißen – entschuldigung, aber er hätte sich glaube ich wirklich für seinen Reiter den Löwen zum Fraß vorgeworfen. Sofern er die Löwen nicht vorher totgetreten hätte.

Das erinnert mich an eines unserer L-Springen – zum letzten Oxer führte ein langer, gerader Weg, und auf eben diesem sah ich im Augenwinkel von rechts einen Jack Russel auf uns zurennen. Ich nahm kurz Maß und rechnete aus, wo Hund und Pferd unweigerlich zusammentreffen würden, wenn beide so weiterrannten. Was sie taten. Liten hatte ebenfalls bereits Maß genommen, ohne sein Tempo auch nur im Geringsten zu verändern, und dann kam der Moment des Zusanmentreffens. Ich weiß nicht, wie Liten es gemacht hat, aber er hat den Jack Russel im Galoppieren schlicht seitlich weggekickt, der flog, derweil setzte Liten sauber über den letzten Oxer, der Hund landetete und verließ eiligst auf 3 Beinen den Platz – normale Gangart für einen Jack Russel. Ich ritt noch hin, um mich nach dem Wohlergehen des Hundes zu erkundigen und musste mich anpöbeln lassen. Hallo? Wer hat denn hier seinen Hund nicht angeleint, obwohl das jawohl aber mal sowas von vorgeschrieben ist auf einem Turnierplatz? Fazit: Pferd heil, Hund heil, Oxer heil.
Einen derart schnellen Denker – und überhaupt ein dermaßen reaktionsschnelles Pferd – hatte ich bis dahin bewusst noch nicht erlebt.

Liten war einfach fantastisch. Es dauerte eine Weile, bis unsere Leitung so richtig stand, aber dann zeigte mir dieses Pferd, was Military reiten heißt. Ich ritt ihn phasenweise so fürchterlich, ich vermeterte mich am Sprung, ich verstand seine Signale nicht und irgenwann – mitten in der Querfeldeinstrecke einer Military – reichte es ihm, über dem Sprung, den ich wieder einmal von schräg nach quer angeritten hatte, riss er mir einfach alles aus der Hand und übernahm das Kommando. Und zwar komplett und vollständig. Ich war völlig machtlos und dachte eine Sekunde, er geht durch, bis ich merkte, dass es das nicht war – durchgehen kannte ich von Amigo, das Gefühl war anders. Liten zeigte mir jetzt einfach mal, wie das geht. Er gab Gas nach den Sprüngen, nahm sich Atempausen dazwischen, suchte den Weg, machte sich den Absprung passend, hatte die Strecke – und mich… – voll im Griff. Ich durfte gerade mal noch die Richtung andeuten. Sobald er den nächsten Sprung erkannt hatte, schaltete er mich aus und auf Autopilot.
Was in diesen Minuten passierte, kann kein Reitlehrer und kein Buch der Welt erklären. Auf einmal bekam all‘ das, was ich in letzter Zeit gelesen – aber so gar nicht verstanden hatte, obwohl ich dachte, ich hätte es verstanden – einen Sinn.
Liten zog mich durch das Ziel, fiel irgendwann in den Trab, hörte nicht auf mich, als ich zum Schritt durchparieren wollte sondern zeigte mir auch hier noch, wie er es haben wollte, ging irgendwann Schritt und entspannte sich. Er hatte eine unglaubliche Leistung vollbracht und er wusste es. Ab dem Tag war unser Verhältnis ein anderes, ich sollte mit ihm Sternstunden erleben, die einem vielleicht nur ganz wenige Pferde bescheren (können).

Liten musste jedoch in früheren Jahren einmal einen schweren Sturz gehabt haben im Gelände, wir hatten in der ersten Zeit viele heftige Verweigerungen an Gräben, vornehmlich an solchen, bei denen der Graben dem Sprung vorgebaut war. Ich hatte mir seine Bilanz von der schwedischen FN schicken lassen, er war bis Lange M gelaufen, auch siegreich, allerdings neunjährig plötzlich aus dem Sport genommen worden. Alles sprach für einen sehr bösen Sturz und/oder Überforderung. Leider auch seine nicht mehr ganz einwandfreien Sehnen, von denen ich natürlich anfangs nichts ahnte. Ich lernte mit der Zeit, damit umzugehen und ihn entsprechend zu trainieren und einzusetzen, allerdings lernte ich dies natürlich nur über Rückschläge.
Er selbst nahm auf sich jedenfalls keine Rücksicht – das machte es mir nicht leichter…

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Waren Gräben flach oder kaum zu sehen, tauchte er ganz tief ab vor dem Sprung, sprang aber meist im ersten Anlauf. Kam der Graben hinter dem Sprung und war eigentlich erst in der Luft zu sehen, wurde Liten über dem Sprung zur Katze, riss die Füße hoch, wurde kugelrund und sein Kopf war weg. Das alles konnte er bei Tempo 220 auf der Überholspur.
In tiefere Gräben ließ er sich, wenn er denn schon abgesprungen war, schlicht reinfallen. Wir boten also etliche sehr unschöne Bilder und kamen oft zu Fuß nach Hause, weil ich Angst hatte, dass er sich bei diesen Gelegenheiten etwas getan haben könnte. Er hatte sich selbst aber verdammt gut im Griff, nur leider konnte er seine schwachen Sehnen keineswegs einschätzen. Immer wieder fiel er aus, um verschiedene Sehenprobleme auszukurieren.

In den „gesunden Phasen“ war Liten wirklich ein Schleifensammler. So erritt ich mit ihm meine erste M-Plazierung im Springen (wäre es ohne Stechen gewesen, hätten wir es gewonnen, leider fielen im Stechen 2 Stangen…), gewann mit ihm mehrere Vielseitigkeitsprüfungen und eine Kombinierte Prüfung der Klasse L – hier belegten wir in der L-Dressur den 2. Platz, das dazugehörige L-Stilspringen hatten wir gewonnen. Es kamen überhaupt nur zwei Reiter in die Siegerehrung…

M-Springen Ahrensfelde 1999

Es dauerte vier Jahre, bis Fàscino ihn neben sich akzeptierte, er war fürchterlich eifersüchtig. Als es dann endlich ging, waren sie die dicksten Freunde.

Dressurmäßig brauchte ich Jahre, um die für ihn richtige Art des Abreitens herauszufinden. Wirklich gefunden habe ich sie nie. Eine Minute zu lange und er kochte schon beim ersten Gruß über und erledigte die Aufgabe in Bestzeit. Meist war ein Kaltstart das beste Mittel. Das mochte ich ihm jedoch einfach nicht antun. So stand ich oft genug um 2.00 Uhr auf, um um 3.00 Uhr zu verladen, um zur zwei Stunden entfernten Military zu fahren, um um 5.30 Uhr aufzusitzen und locker-flockig so zu tun, als wären wir zum Spaß hier, um um 6.00 Uhr wieder abzusitzen und mit Liten grasen zu gehen, um 6.30 Uhr einzuflechten, zu satteln, zu trensen, mich in schwarz-weiß zu werfen, um 6.58 Uhr aufzusitzen, um um 7.00 Uhr erster Starter in irgendeiner Military-Dressur zu sein…
Schlaf ist Zeitverschwendung. Finde ich gelegentlich auch heute noch  🙂

Er sollte das erste Pferd in unserer Familie sein, das 20 Jahre alt wurde.
Am 20.02.2002 feierten wir seinen 20. Geburtstag.

Für Liten und mich jedoch hieß es jedoch im Mai Abschied nehmen – ich ließ ihn einschläfern, weil ich ihm nach einem erneuten Sehnenschaden einen weiteren Sommer mit nur Schritt und Stehen nicht zumuten wollte. Nicht einem so dermaßen bewegungsfreudigen Pferd wie ihm, dessen Sehnen ohnehin nicht mehr strapazierfähig waren. Er fiel in sich zusammen, kaum dass dieser Entschluss gefasst war, und wir schienen ein stilles gegenseitiges Einverständnis zu haben, dass dies die richtige Entscheidung war.

Was für ein Pferd…


Military-Kreismeister 1998

Abteilungsdressur (1 Platzierung)
Abteilungswettkampf (1 Platzierung)
Dressurreiter Kl. A (1 Platzierung)
Dressur Kl. A (2 Siege, 6 Platzierungen)
Dressur-Kür Kl. A (2 Platzierungen)
Dressurreiter Kl. L (2 Platzierungen)
Dressur Kl. L (7 Platzierungen)
Dressur-Kür Kl. L (3 Platzierungen)
Sportstafette (1 Platzierung)
Mannschaftsspringen (1 Platzierung)
Stafettenspringen (1 Sieg)
Springen Kl. A (2 Siege, 7 Platzierungen)
Springen Kl. L (1 Sieg, 6 Platzierungen)
Springen Kl. M (1 Platzierung)
Kombinierte Prfg. Dr./Spr. Kl. A  (1 Platzierung)
Kombinierte Prfg. Dr./Spr. Kl. L (1 Sieg, 1 Platzierung)
Geländeritt Kl. A (1 Sieg, 4 Platzierungen)
Vielseitigkeit Kl. A (2 Siege, 11 Platzierungen)
Vielseitigkeit Kl. L
Military-Kreismeisterschaft  (1 Sieg, 2 Platzierungen)
Reiten mit Handpferd (Liten Handpferd) (2 Siege, 1 Platzierung)

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