Lipizzaner

Die meisten Lipizzaner (etwa 95%) sind Schimmel und mit sechs bis zehn Jahren weiß. Gelegentlich gibt es noch Braune, Rappen, Füchse und Falben, ursprünglich gab es bei den Lipizzanern jedoch auch alle anderen Farben. Die Gemälde des Hoftiermalers  Johann George von Hamilton zeugen von dieser Farbenvielfalt.

Der Name Lipizzaner (die Schreibweise mit einem p und zwei z entstammt einem Schreibfehler, ursprünglich schrieb man „Lippizaner“) stammt von seinem Stammgestüt Lipica in Slowenien. Lipica liegt in der Nähe von Triest, der italienische Name der Ortschaft lautet Lipizza. Im Jahre 1580 wurde mit Pferden der iberischen Halbinsel das Gestüt Lipica und die Rasse der „Spanischen Karster“ begründet. Der Lipizzaner führt spanisches, neapolitanisches und arabisches Blut, aber kein so genanntes „bodenständiges Karster“ Blut.

Der rauhe, karge, gebirgige Karst, in dem Lipica liegt, hat bei den Lipizzanern Langlebigkeit, Gesundheit, starke Knochen, harte Hufe, Zähigkeit und Widerstandsfähigkeit bewirkt. Im Bundesgestüt Piber werden die jungen Lipizzaner deshalb den ganzen Sommer auf Hochalmen mit karger und steiniger Umgebung gehalten.

Der Typ des Lipizzaners hat sich gute 300 Jahre lang nicht wesentlich verändert. Er wirkt elegant, mittelgroß und kompakt; kurz gesagt athletisch. Härte und Ausdauer zeichnen ihn aus. Kopf, der hoch aufgesetzte Hals und die (manchmal steilen) Schultern passen sehr gut aufeinander. Das Stockmaß liegt heute meist zwischen 155 und 165 cm. Der Lipizzaner trägt heute nur mehr vereinzelt einen markanten Ramskopf bzw. eine Ramsnase, was auf den alt-spanischen Einfluss zurückzuführen ist. Seine Hinterhand ist stark bemuskelt, die Fesselung schräg. Die Hufe sind bei gesunder Aufzucht überaus hart und sehr wohlgeformt. Mähne und Schweif sind ausgeprägt und feinhaarig, allerdings weniger üppig als z.B. bei Andalusiern. Der Rücken ist mittellang und kräftig. Die Bewegungen des Lipizzaners wirken graziös und sind durch einen federnden Gang ausgezeichnet. Seine Knieaktion neigt dazu, hoch zu sein, was zu ausdrucksvollen Piaffen und Passagen führt.

Der Lipizzaner präsentiert sich meist munter und freudig. Sein Charakter ist freundlich und ausgeglichen; ruhig aber eifrig. Der Zucht liegt eine angenehme Rittigkeit zugrunde. Er lernt schnell und arbeitet mit Eifer. Trotz des gutmütigen Wesens hat er eine auffällige Ausstrahlung zu eigen und ebenso eine gehörige Portion Mut. All diese positiven Interieureigenschaften resultieren aus einer systematischen Jahrhunderte langen Selektion auf eben diese Leistungsmerkmale. Die Ausbildung an der Spanischen Hofreitschule war zugleich Leistungsprüfung. Nur Hengste, die sich durch ihre Leistungsbereitschaft und Intelligenz bewährten, wurden zur Zucht herangezogen.

Lipizzaner sind bekannt für ihren Einsatz in der klassischen Dressur an der Spanischen Hofreitschule zu Wien, die im 16. Jahrhundert entstanden ist. Besonders die Schulsprünge und Lektionen der Hohen Schule fallen dieser Pferderasse, auch durch Selektion auf eben diese Fähigkeiten, besonders leicht. Einsatzschwerpunkte sind Dressur und Fahren, wobei hier unterschiedliche Zuchtziele zugrunde liegen, die beide von der Internationalen Lipizzanerzuchtvereinigung anerkannt sind. Obwohl aufgrund Ihrer Größe und hohen Kadenz im heutigen Dressur-Turnierreiten benachteiligt, sind einzelne Lipizzaner immer wieder erfolgreich auf Turnieren vorgestellt worden. Früher wurden sie für den kaiserlichen Hof gezüchtet – für Karussells, als Reit- und Paradepferde und als Kutschpferde.

Bei der im Jahre 1915 erfolgten kriegsbedingten Evakuierung aller Lipizzaner aus Lipizza wurde die Herde aufgeteilt. Der kleinere Teil ging nach Kladrub, der andere Teil verblieb in Österreich, wurde aber nach dem Ersten Weltkrieg wieder nach Lipizza (jetzt Italien und ein Gewinner des Krieges) gebracht. Italien beanspruchte auch die Pferde aus Kladrub, da aber die Tschechen auch auf Seiten der Kriegsgewinner waren, haben sie die Pferde aus Kladrub nie an Italien abgetreten. Später kam diese Lipizzanerherde nach Topol’cianky (heute Slowakei). Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurden alle Gestüte im Einflussbereich der deutschen Wehrmacht nach Hostau evakuiert. Nach dem Krieg wurden die Pferde aus Lipizza zwischen Italien und Österreich aufgeteilt. Die Nachkommen der italienischen Pferde werden heute in Monterotondo weitergezüchtet.

Das Gestüt Piber versorgt die Spanische Hofreitschule in Wien mit den Schulhengsten. Auch in Lipica befindet sich heute wieder eine bedeutende Zucht mit einer eigenen Reitschule.

Während der verschiedenen „Umzüge“, die die Lipizzanerzucht – meist im Rahmen von Kriegen – erfahren hat, blieben regelmäßig Tiere zurück, mit denen dann auch teilweise durch private Züchter weitergezüchtet wurde. Eine systematische, auch auf Reit- (und nicht nur Fahr-)zwecke gerichtete Zucht durch Privatzüchter ist allerdings erst deutlich nach dem zweiten Weltkrieg zu erkennen. Gründungen von Zuchtverbänden aus Privatzüchtern, wie von anderen Rassen längst bekannt, sind sogar noch jüngeren Datums. Dennoch gibt es mittlerweile in vielen Ländern Europas, in den USA, Südafrika und Australien Zuchtverbände, die sich zusammen mit den großen Staatsgestüten zu einem internationalen Lipizzanerverband (Lipizzan International Federation) zusammengeschlossen haben. Daher werden Lipizzaner heute in ganz Europa gezüchtet.

Aufgrund der zahlreichen staatlichen Gestüte in verschiedenen Ländern und der Privatzuchtverbände gibt es für Lipizzaner keine einheitliche Brennung, wenn auch bestimmte Traditionen von zumindest den größeren Gestüten ähnlich gehandhabt werden.

Die Linienbuchstaben des Vaters sind je nach Gestüt unterschiedlich ausgeführte, verschnörkelte Formen der Anfangsbuchstaben der Hauptlinien:
„C“ = Conversano, „F“ = Favory, „J“ = Incitato, „M“ = Maestoso; „N“ = Neapolitano, „P“ = Pluto, „S“ = Siglavy, „T“ = Tulipan.

Die Linienzeichen der Abstammungslinien der Mütter, also der Linie deren Väter, sind demgegenüber graphische Symbole: Conversano: ein Kreis oder eine Ellipse mit einem Querstrich; Favory: ein Rechteck; Incitato: ein nach oben offener Kreis; Maestoso: eine Krone bzw. „M“; Neapolitano: verschiedene Diagonalkreuze (ein oder zwei Schwerter symbolisierend); Pluto: Wellenlinie; Siglavy: schräger Pfeil oder Dreieck; Tulipan: nach oben offener Kreis mit senkrechtem Strich darunter

Die Nummern können durchlaufende Fohlennummern sein, die in aufsteigender Folge vergeben werden, Hengstnummern, die die Nummerierung des Hengstes in seiner Linie zeigen („der dritte Siglavy“) oder Fohlenregisternummern.

Der L-Brand ist ein Zeichen des Stammgestütes. Den Traditionsbrand erhalten nur in Piber, Monterotondo oder Lipica gezüchtete Lipizzaner. Dieses L scheint auf Kaiser Leopold I zurückzugehen, wenn es natürlich auch gut zu „Lipica“ passt.

Im 18. und 19. Jahrhundert sind sechs Hengste nach Lipica verbracht worden, die aufgrund ihrer Bedeutung für die Zucht der Lipizzaner benennungstechnisch zu Stammvätern gemacht worden sind. Seit damals wird unter Berücksichtigung der von diesen Hengsten abstammenden Linien gezüchtet, wobei die männlichen Nachkommen nach der Stammlinie ihres jeweiligen Vaters benannt werden. Die sechs Linien sind benannt nach diesen Hengsten:
PLUTO (* 1765, rein spanisch gezogener Frederiksborger, weiß, aber vermutlich kein Schimmel, sondern ein weißgeborener Tigerschecke)
CONVERSANO (* 1767, rein spanisch gezogener Neapolitaner, Rappe)
MAESTOSO (* 1773, rein spanisch gezogener Kladruber)
FAVORY (* 1779, rein spanisch gezogener Kladruber, Falbe)
NEAPOLITANO (* 1790, rein spanisch gezogener Neapolitaner, Braun)
SIGLAVY (* 1810 in Syrien, rein arabischer Schimmel)

Unter den klassischen Stutfamilien versteht man im K.u.K. Hofgestüt zu Lippiza gegründete oder benützte Stutfamilien.

Traditionell bekommen Lipizzanerhengste bei der Geburt zwei Namen. Der erste bezeichnet die Stammlinie des Vaters, der zweite ist der Name der Mutter.
Maestoso Austria = Vater: Maestoso Trompeta, Mutter: Austria

Bei den Stutfohlen geht man häufig mütterlicherseits zurück bis zur sechsten bis achten Generation und wählt aus diesen drei Generationen einen Namen. Deshalb gibt es für jede Stutenfamilie typische Namen, die immer wiederkehren. Einige Gestüte halten sich nicht an diese Konventionen.

Die Evakuierung der Lipizzaner nach dem zweiten Weltkrieg aus dem russisch besetzten Bereich ist als „Rettung der Lipizzaner“ vor allem in die amerikanische Alltagskultur eingegangen (wobei US-Verbände maßgeblich am Transport beteiligt waren) und hat zu deren Bekanntheitsgrad in den USA beigetragen. Zu dieser Aktion ist der Film „Die Flucht der weißen Hengste“ gedreht worden, in dem Robert Taylor den damaligen Leiter der Spanischen Hofreitschule Alois Podhajsky spielt und von diesem gedoubelt wurde.

1944 wurden einige Lipizzaner nach Südafrika gerettet. Dort wurde eine weitere Reitschule, die South African Lipizzaners, nach klassischem Vorbild gegründet.

der fünfzehnjährige Wallach „Favory“ (2004)

.

.

.

.

.

.

.

.

Favory im Kompliment, 2004

.

.

.

.

.

.

.

„Papp de deux“ (2002) mit Johannes Beck-Broichsitter und „Favory Roviga“

.

.

.

.

.

.

.

Die folgenden Bilder habe ich aufgenommen, als die „vier großen Reitschulen der Welt“ (Spanische Hofreitschule zu Wien, Königlich-andalusische Reitschule Jerez, Portugiesische Schule der Reitkunst Lissabon und Cadre Noir Saumur) im November 2007 in Paris-Bercy gemeinsam auftraten – was für ein fantastischer Abend!!

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.
.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.

.
im Vergleich:
Altér Real, Lipizzaner, P.R.E., Selle Francais